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worben; es gewährt Teilnahme an den politischen
Rechten und wirtschaftlichen Nutzungen der Ge-
meinde. Der Erwerb kann von einer Aufnahme-
gebühr abhängig gemacht werden, der Erwerb der
Teilnahme an Allmenden usw. auch von einer Ge-
meinderechtsgebühr. Befähigt zur Erwerbung des
Bürgerrechts sind volljährige selbständige Männer
bayrischen Indigenats, welche in der Gemeinde
wohnen und zu einer direkten Steuer veranlagt
sind. Die Verleihung an Nichtbayern wird erst
gültig mit dem Erwerb der bayrischen Staatsan-
gehörigkeit. Anspruch auf Verleihung haben alle
Befähigten, wenn sie entweder in der Gemeinde
das Heimatsrecht besitzen, oder wenn sie seit zwei
Jahren in derselben gewohnt und Steuern bezahlt
haben. Verpflichtet zum Erwerbsind alle Befähigten,
wenn sie seit fünf Jahren in der Gemeinde wohnen
und während dieser Zeit mit direkten Steuern
von mindestens jährlich 4 Gulden (6,86 A) in
Gemeinden über 20 000 Seelen bzw. 3 Gulden
(5,14 M) in den übrigen Gemeinden angelegt
waren. Mit dem Bürgerrecht wird zugleich das
Heimatsrecht erworben. In der Pfalz steht das
Bürgerrecht kraft Gesetzes allen volljährigen selb-
ständigen Männern zu, welche in der Gemeinde
wohnhaft, heimatsberechtigt und mit einer direkten
Steuer angelegt sind.
Im rechtsrheinischen Bayern haben die Ge-
meinden entweder die städtische oder die Land-
gemeinde-Verfassung. Die Städte zerfallen in sog.
unmittelbare Städte, welche unmittelbar einer
Kreisregierung untergeordnet sind, und mittelbare,
welche einem Bezirksamt unterstehen. Die Organe
der Städte sind: der Bürgermeister, welcher rechts-
kundig oder nicht rechtskundig sein kann, und der
Magistrat, welcher aus rechtskundigen, technischen
und bürgerlichen Magistratsmitgliedern besteht
(diese beiden als Verwaltungsbehörden für die Ge-
meindeangelegenheiten), und das Kollegium der Ge-
meindebevollmächtigten als Gemeindevertretung,
an dessen Zustimmung der Magistrat bei allen
wichtigen Angelegenheiten gebunden ist. Die Or-
gane der Landgemeinden sind: der Bürgermeister,
der Gemeindeausschuß und die Gemeindeversamm-
lung. Der Gemeindeausschuß besteht aus dem
Bürgermeister als Vorsitzendem, einem Beigeord-
neten und 4—24 Gemeindebevollmächtigten, welche
sämtlich gewählt werden. Bürgermeister und Bei-
geordnete bedürfen der Bestätigung durch die Di-
striktsverwaltungsbehörde. Die Gemeindeversamm-
lung besteht aus allen Inhabern des Bürgerrechts;
sie wird von der Gemeindebehörde zusammen-
berufen und vom Bürgermeister geleitet. In der
Pfalz haben Städte und Landgemeinden dieselbe
Verfassung. Ihre Organe sind: der Bürgermeister,
der Gemeinderat und die Gemeindeversammlung.
Der Gemeinderat besteht aus dem Bürgermeister,
einem bzw. zwei Adjunkten, je nachdem die Ein-
wohnerzahl mehr oder weniger als 2500 Seelen
beträgt, und einer Anzahl von Gemeinderäten je
nach der Bevölkerungszahl. Die Bürgermeister
Gemeindeordnung.
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sind überall gleichzeitig Vorstand der kollegialen
Gemeindebehörden und selbständige Gemeindebe-
hörde mit dem Rechte des Vollzugs der Beschlüsse
des Gemeindekollegiums.
In Österreich-Ungarrn ist die Gemeinde-
verfassung in ihren Grundsätzen einheitlich geregelt
durch das Reichsgesetz vom 5. März 1862; die
Ausführung dieser Grundsätze ist den einzelnen
Kronländern überlassen, welche vielfach allgemeine
Gemeindeordnungen und besondere Statuten er-
lassen haben. Das gesamte Staatsgebiet zerfällt
in Gemeindebezirke. Von dem Gemeindeverbande
ausgenommen sind nur die kaiserlichen Residenzen,
Schlösser usw. mit ihren Gärten und Parkanlagen.
Selbständige Gutsbezirke für die Güter des Groß-
grundbesitzes ohne Gemeindeverband zu bilden, ist
der Landesgesetzgebung gestattet, jedoch nur in Ga-
lizien und der Bukowina geschehen. Die Ein-
wohner der Gemeinden werden eingeteilt in Ge-
meindeangehörige, welche in der Gemeinde hei-
matsberechtigt sind, in Gemeindegenossen, die ihren
Wohnsitz in der Gemeinde haben und Steuern
zahlen oder ohne Wohnsitz, doch mit Grundeigen-
tum oder einem Gewerbe angesessen sind (Forense)
und dafür Steuern zahlen, und in Auswärtige,
welche entweder keinen Wohnsitz in der Gemeinde
haben oder zwar einen Wohnsitz haben, aber
weder heimatsberechtigt noch steuerpflichtig sind
(Dienstboten, Arbeiter usw.). Das Gemeindewahl-
recht ist aktiv und passiv geknüpft an die Leistung
einer direkten Staatssteuer in der Gemeinde; ohne
Rücksicht auf eine solche, also auch ohne eine solche
sind wahlberechtigt: die sog. Gemeindebürger,
welche das Gemeindebürgerrecht als wohlerwor-
benes Recht von früher her besaßen oder nach Ein-
tritt der neuen Gemeindeordnung besonders ver-
liehen erhalten haben; dann Geistliche, Beamte,
in Osterreich-Ungarn promovierte Doktoren usw.
Organ der Gemeinde ist der durch direkte Wahl
der Gemeindemitglieder auf Grund einer Teilung
zwischen zwei, in größeren Städten drei Wahl-
körpern gewählte kollegiale Gemeindeausschuß als
eigentliche Gemeindeobrigkeit mit dem Rechte lo-
kaler Polizeiverordnungen usw. und als Gemeinde-
verwaltungsbehörde. In diesem haben einige Kron-
länder den Hoöchstbesteuerten eine persönliche
Stimme ohne Wahl gewährleistet. Seine Beschlüsse
werden ausgeführt durch den Gemeindevorsteher,
welcher zugleich Vorsitzender des Gemeindeaus-
schusses ist. Die Organe des Gesamtstaates haben
die Aussicht über die Gemeinden in der Weise,
daß sie Gesetzwidrigkeiten und Kompetenzüber-
schreitungenverhüten; die Selbstverwaltungsorgane
der Bezirke und Länder üben eine Aufsicht außer-
dem in der Weise, daß sie durch das Recht der
Zustimmung zu gewissen Beschlüssen der Gemeinde-
ausschüsse, durch Geltendmachung der Disziplin
gegenüber den Gemeindevorstehern, durch Ent-
scheidung der Beschwerden gegen die Beschlüsse der
Gemeindeausschüsse und Hinwirkung auf die Er-
haltung des nutzbaren Vermögens der Gemeinden