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die Sitzungspolizei, die Beratung und die Ab-
stimmung der Richterkollegien, für die Rechtshilfe,
das Armenrecht, die Gerichtsferien, die Fristen
und die Ordnungsstrafen sowie für die Beschwer-
den gelten im wesentlichen die Vorschriften des
Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeß-
ordnung; die Form der Anträge und Erklärungen,
der Beweisaufnahme, der Bekanntmachung und
Anderung der Verfügungen sind besonders geregelt.
Die Vollstreckung der gerichtlichen Verfügungen
und die Kostenberechnung für sie ist der landes-
rechtlichen Reglung überlassen worden, die in den
Einzelstaaten inhaltlich übereinstimmend ersolgt
ist. Mittel der zwangsweisen Vollstreckung sind
nach ihnen die Geldstrafe und die Anwendung
von Gewalt, der ihre Androhung in der Regel
vorauszugehen hat.
In beschränkterem Umfange wie die Gerichte
sind landesrechtlich die Notare für Angelegen-
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit neben den
Amtsgerichten oder ausschließlich als zuständig er-
klärt. Die karolingische Gesetzgebung hat für alle
Grasschaftsgerichte die Einsetzung von Notaren als
gerichtlichen Urkundspersonen vorgeschrieben; die-
selben waren öffentliche und vereidigte Beamte,
denen die Beglaubigung der Urkunden zum Zwecke
ihrer Beweiskraft oblag. Seit dem 12. Jahrh.
legte das kanonische Recht den Notaren öffentlichen
Glauben bei und förderte dadurch deren Aus-
breitung in Deutschland; damit hängt auch zu-
sammen, daß die Notare regelmäßig Geistliche und
die Notariatsakte kirchenrechtlicher Natur waren.
Die Ernennung der Notare erfolgte durch den
Kaiser und in wachsendem Umfange durch die
kaiserlichen Hofpfalzgrafen. In Frankreich ent-
wickelte sich das Notariat seit Ludwig dem Hei-
ligen als selbständige Behörde mit der ausschließ-
lichen Zuständigkeit zu öffentlicher Beurkundung
und Beglaubigung von Rechtsgeschäften. Wäh-
rend es dort mit der Advokatur unvereinbar war,
vermochte in Deutschland die Reichsnotariats=
ordnung vom 8. Okt. 1512 nicht zu verhindern,
daß in den Einzelstaaten, welche die Zulassung
zum Notariat allmählich an sich zogen, Advokatur
und Notariat verbunden wurden, so besonders in
Preußen. Damit hing wieder zusammen, daß sich
Deutschland in Notariatsländer mit ausschließlicher
Zuständigkeit der Notare zu gewissen Rechtsakten
und in Länder mit konkurrierender Zuständigkeit
der Notare und der Gerichte trennte. Notariats-
länder waren außer OÖsterreich Bayern, Baden,
Württemberg und das linke Rheinufer mit fran-
zösischer Gesetzgebung. Einen Abschluß hat die
Entwicklung mit den Ausführungsgesetzen zum
B.G.B. gefunden, durch welche diese Trennung
verewigt worden ist. Die Notare sind Staats-
beamte mit richterlicher Vorbildung, welche den
Diensteid leisten und ein Dienstsiegel führen. Sie
unterstehen der Aufsicht der Justizaufsichtsbeamten.
In den Notariatsländern sind zur Wahrnehmung
der den Notaren obliegenden Geschäfte Notariate
Gerichtsbarkeit, freiwillige.
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als staatliche Behörden eingerichtet, während in
den andern Ländern das einzelne Notariat keine
Behörde, d. h. keine organische Staatseinrichtung
ist. In Preußen können die Notare zugleich
Rechtsanwälle sein, was in Bayern ausgeschlossen
ist. Zur Zuständigkeit der Notare gehört es,
öffentliche Beurkundungen und Beglaubigungen
zu bewirken und Urkunden in amtliche Verwahrung
zu nehmen, in Nachlaß= und Teilungssachen die
Auseinandersetzung zu vermitteln, Vermögens-
und Nachlaßverzeichnisse aufzunehmen, Siegel
anzulegen und öffentliche Versteigerungen vorzu-
nehmen sowie Gelder, Wertpapiere und Kostbar-
keiten, die ihnen aus Anlaß eines Amtsgeschäftes
von den Beteiligten übergeben werden, für sie
aufzubewahren oder an Dritte abzuliefern. Um
den Notaren einen ausreichenden Tätigkeitskreis
zu sichern, haben Bayern, Baden und Elsaß-
Lothringen die Zuständigkeit der Gerichte zur
öffentlichen Beurkundung ausgeschlossen und den
Notaren außer der Urkundsbefugnis ganze Ge-
übertragen, die reichsrechtlich den
zustehen, so in Bayern die Grundstücks-
in Baden die große Masse der nach-
Geschäfte, in Württemberg die
sowie die Vormundschafts= und Nach-
laßsachen unter Hinzuziehung der Waisenrichter.
Ortlich zuständig sind die Notare für die ihnen
zufallenden Geschäfte des Amtsbezirks, in dem sie
den bei ihrer Ernennung bestimmten Amtssitz
haben, innerhalb dessen sich ihre Geschäftsräume
befinden müssen. Dem Notar steht nicht zu, einen
Auftrag anzunehmen oder abzulehnen, er darf
vielmehr seine Dienste nicht ohne wichtigen Grund
verweigern. Liegt ein solcher Grund vor, so ist
die Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich an-
zuzeigen. Auf den Ausschluß eines Notars von
der Beurkundung eines Rechtsgeschäftes finden
die Vorschristen über die Ausschließung eines
Richters entsprechende Anwendung; doch führt die
Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen Notars
niemals zur Ungültigkeit des notariellen Aktes,
während in solchem Falle der richterliche Akt un-
gültig sein würde. Für Geschäfte, welche der
Notar beurkundet, darf er keine Gewährleistung
übernehmen, und über die Verhandlungen, bei
denen er mitgewirkt hat, muß er Verschwiegenheit
beobachten. Die Verletzung dieser Pflicht ist straf-
bar. Während in Bayern und Baden gegen die
Anordnungen des Notars, insbesondere gegen die
Ablehnung eines Auftrags, die Beschwerde gegeben
ist, sind in Preußen die Dienstaufsichtsbehörden
zum Einschreiten gegen ihn anzurufen; nur in
Ausnahmefällen ist nicht der Land= oder Ober-
landesgerichtspräsident, sondern das Landgericht
gegen ihn zur Entscheidung berufen, so wenn der
Notar sich weigert, eine Urkundsausfertigung oder
aabschrift zu erteilen oder die Einsicht der Ur-
schrift zu gestatten; ferner wenn Streit über die Zu-
lässigkeit der Erteilung der Vollstreckungsklausel aus
einer vollstreckbaren notariellen Urkunde entsteht.