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hat Agypten zur Wahrung seiner wirtschaftlichen
Interessen das Vertragsrecht und das Recht, zu
diesem Zwecke diplomatische Agenten zu senden
und zu empfangen. Bei den unter dem Protekto-
rat eines Staates stehenden Unterstaaten ist der
Inhalt des Protektoratsvertrages maßgebend; viel-
fach behalten solche Staaten das passive Gesandt-
schaftsrecht, dagegen wird das aktive Gesandt-
schaftsrecht von dem Protektor ausgeübt. So ist
Tunis im Auslande (auf Grund des Vertrages
vom 12. Mai 1881) durch Frankreich vertreten,
ebenso Annam (Vertrag vom 25. Aug. 1883).
San Marino hat einen Geschäftsträger in Paris.
Im Falle einer Personalunion verbleibt grund-
sätzlich jedem der personalunierten Staaten seine
Souveränität und somit auch das Gesandtschafts-
recht, dessen gemeinsame Ausübung jedoch (z. B.
aus Ersparnisrücksichten) beschlossen werden kann;
im Falle einer Realunion dagegen kann die diplo-
Gesandte usfw.
I
matische Vertretung der realiter unierten Siaaten
nur eine und dieselbe sein, weil solche Staaten
nur eine völkerrechtliche Persönlichkeit bilden. Im
Staatenbunde verbleibt den einzelnen Bundes-
gliedern mit der Souveräuität auch das Gesandt-
schaftsrecht. Der ehemalige Deutsche Bund hatte
sich durch Art. 1, 2 und 5 der Wiener Schlußakte
von 1820 das Gesandtschaftsrecht gewahrt. So
war der Deutsche Bund 1864 auf der Londoner
Konferenz durch einen Bundesgesandten vertreten.
Im Bundesstaate dagegen wird das Gesandt-
schaftsrecht mit der Souveränität von den Bundes-
gliedern auf die Zentralgewalt übertragen. Dem-
gemäß ist z. B. in der Schweiz und in den
Vereinigten Staaten von Amerika die Zentral-
gewalt im ausschließlichen Besitze des Gesandt-
schaftsrechts. Wenn jedoch ausnahmsweise (wie
z. B. im Deutschen Reiche) neben dem Gesandt-
schaftsrechte der Zentralgewalt durch besondere
Verträge ein einzelstaatliches Gesandtschaftsrecht
anerkannt wird, so ist wenigstens Anknüpfung
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Herrschers und Herrscherhauses, sowie seiner An-
gehörigen, jedoch vorbehaltlich des Rechts des
Reiches, „den Schutz aller Deutschen dem Aus-
lande gegenüber“ jederzeit auf Antrag oder von
Amts wegen in seine eigene Hand zu nehmen, und
vorbehaltlich überhaupt der Befugnis des Reiches,
einseitig und maßgebend zu bestimmen, wo das
Sonderinteresse eines Einzelstaates aufhört, das
allgemein deutsche, nationale Interesse an einer
Angelegenheit beginnt und damit die Zuständig-
keit der partikularen Diplomatie ausgeschlossen
wird (vgl. Anschütz a. a. O. 615). Die Vertretung
der Reichsgesandten soll in Verhinderungsfällen
gemäß Schlußprotokoll vom 23. Nov. 1870
Nr VII dem bayrischen Gesandten übertragen
werden. Über den Eintritt dieses Falles herrscht
Kontroverse. Die einen, wie G. Meyer und La-
band, sind der Ansicht, daß die zitierte Bestim-
mung eine Vertretung des Reichsgesandten durch
ein anderes Mitglied der Reichsgesandtschaft nicht
ausschließe, wogegen Seydel (Kommentar zu Art.
11, Nr IV) die Vertretung durch den bayrischen
Gesandten schon dann für notwendig erachtet,
wenn der Gesandte selbst verhindert ist. Von dem
Recht, Gesandtschaften untereinander zu halten,
machen eine Reihe deutscher Einzelstaaten Ge-
brauch, so Preußen und die Mittelstaaten. Wäh-
rend v. Ullmann (a. a. O. 168) auch den nicht-
preußischen Bevollmächtigten der deutschen Einzel-
staaten zum Bundesrat diplomatischen Charakter
zuerkennt, subsumiert Zorn (Das Staatsrecht
des Deutschen Reiches II (2„1897] 418f) diese
nicht unter den Begriff von Gesandten, mit der
Begründung, daß das Deutsche Reich ein Staat
sei, und kein Staat Gesandte in staatsrechtlichem
Sinne bei sich selbst beglaubigen könne, und daß
der Bundesrat ein staatsrechtliches Organ des
und Abbruch des diplomatischen Verkehrs für die
Einzelstaaten durch die Maßnahmen der Zentral--
gewalt bedingt und überhaupt die Ausübung des
einzelstaatlichen Gesandtschaftsrechts der Kon-
trolle der Zentralgewalt grundsätzlich unterwor-
fen. Einen erheblichen Gebrauch eigener Diplo-
matie im Auslande hat seither nur Bayern ge-
macht, während z. B. Preußen außerhalb Deutsch-
lande nur die Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl
besitzt.
Nichtgebrauch des Gesandtschaftsrechts seilens
eines Bundesstaates bedeutet nicht Verzicht darauf,
Deutschen Reiches sei; ebensowenig können seiner
Ansicht nach die Gesandten, welche die deutschen
Einzelstaaten sich gegenseitig senden, staatsrechtlich
unter den Gesandtenbegriff gebracht werden, da
die Voraussetzung dieses Begriffes, die Souveräni=
tät, bei den Einzelstaaten fehle.
Gewisse Schwierigkeiten kann die Frage, wem
die Ausübung des subjektiven Gesandtschaftsrechts
zustehe, machen in Fällen der Usurpation der
Staatsgewalt und dann, wenn ein Land sich im
Zustande des Bürgerkrieges befindet. Auch hier
wird, wie eine Reihe von Völkerrechtslehrern an-
nimmt, in der Hauptsache der faktische Zustand
bewirkt aber, wie G. Anschütz (Deutsches Staats-
recht, in Holtzendorffs Enzyklopädie der Rechts-
wissenschaft II I1908) 615) bemerkt, daß der
Geschäftskreis, welchen die betreffende Landes-
gesandtschaft, falls sie bestünde, innehaben würde,
dem Reiche und seiner Gesandtschaft zufällt. In
den Geschäftskreis der Landesgesandtschaften ge-
hört die diplomatische Wahrnehmung der besondern
Interessen des betreffenden Einzelstaates, seines
eine entscheidende Rolle spielen. „Solange der nach
Herrschaft bzw. Selbständigkeit ringende Faktor
die Herrschaft der legitimen Regierung nicht zu
beseitigen vermag, steht nur letzterer das Reprä-
sentationsrecht zu. Erst wenn infolge der Um-
wälzung neue tatsächliche Herrschaftsverhältnisse
entstanden sind und diesen die völkerrechtliche An-
erkennung füglich nicht versagt werden kann, tritt
ein neues Subjekt des Gesandtschaftsrechts bzw.
ein neues Organ der Ausübung dieses Rechts in
die Staatengemeinschaft ein. (So hatte Mazarin