Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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einzelne Apostel, d. h. Träger derselben Gewalt, 
Inhaber derselben Mission. Indes aus der Suk- 
zession der Bischöfe in das Amt der Apostel folgt 
keineswegs, daß nun auch die äußere Art und 
Weise der Betätigung bei beiden ganz dieselbe sei. 
Das Wie und Wo oder die Form derselben ist 
Sache historischer Gestaltung und wird durch die 
jeweilige Zeitlage und die darin hervortretenden 
besondern Bedürfnisse bestimmt, steht mithin unter 
dem Gesetz der Veränderlichkeit und hat nur tem- 
poräre Bedeutung. 
Daß die Bischöfe bei der Ausübung ihres vollen 
apostolischen Amtes auf einen geographisch fixierten 
Bezirk beschränkt sind, dies erscheint allerdings als 
eine Form oder Einrichtung, die sich tatsächlich 
jenem Gesetz entzieht und die Schranken zeitlicher 
Entwicklungsphasen durchbricht, da sie auf Grund 
ihrer Stabilität und relativen Permanenz um so 
mehr ein wesentliches Moment des Begriffs Epi- 
skopat im engeren Sinn geworden ist, als gerade 
in diesem die Verschiedenheit vom Primat äußer- 
lich sich darstellt. Die Einrichtung reicht auch ihrer 
Entstehung nach nicht bloß in das christliche Alter- 
tum hinauf, indem von jeher, soweit die geschicht- 
lichen Zeugnisse gehen, abgegrenzte Terri- 
torien unter dem Namen napo# (später dioe- 
cesis) das äußere Gebiet der bischöflichen Wirk- 
samkeit bildeten, sondern gehört ihrer Grundlage 
nach dem apostolischen Zeitalter an. Wenn der 
Apostel Paulus Timotheus zum Bischof von 
Ephesus und Titus zum Bischof von Kreta oder 
der hl. Johannes Polykarp zum Bischof von 
Smyrna bestellt, so mochte das bezügliche Gebiet 
ihrer Wirksamkeit noch nicht in der Weise späterer 
Zeit durch eine feste Abmessung begrenzt sein; 
aber der Kern dieser Bildung war doch mit jener 
lokalen Fixierung gegeben. Und damit, daß der 
Apostel Jakobus nicht wie die übrigen Apostel der 
Missionstätigkeit obliegt, sondern die Ausübung 
des Apostelamts auf Jerusalem beschränkt, hat jene 
Einrichtung ihre volle und ganze Gestalt erhalten. 
In der Person des hl. Jakobus und in seiner 
Stellung zu der jerusalemitischen Christengemeinde 
ist das Dib5zesanverhältnis, in welchem die Bi- 
schöfe stehen, schon tatsächlich verwirklicht worden. 
Wie der Apostel Jakobus durch seine Stellung zu 
der Gemeinde Jerusalem nicht aufhörte, Träger 
des apostolischen Amtes zu sein, und dieses auch 
ausübte, so sind auch die Bischöfe darum nicht 
weniger Nachfolger der Apostel, Inhaber des 
apostolischen Amtes, daß die Betätigung desselben 
lokal beschränkt ist. 
Man hatallerdings eine Verschiedenheit zwischen 
Aposteln und Bischöfen darin zu finden geglaubt, 
daß jeder einzelne der Apostel die volle Befugnis 
besaß, sein apostolisches Ansehen innerhalb des 
ganzen Umfangs der Christenheit geltend zu 
machen. Den Aposteln eignete die oberste Leitung 
der Christengemeinden solidarisch. Jeder besaß die 
leitende Gewalt über das Ganze, aber nur in Ge- 
meinschaft mit der Gesamtheit. Jeder übte seine 
Episkopat. 
  
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Autorität nicht als eine individuelle, sondern als 
die des Apostelkollegiums aus. Nicht anders aber 
verhält es sich mit den Bischöfen; denn abgesehen 
von der äußeren Organisation der kirchlichen 
Wirksamkeit oder der rechtlich bestimmten Form 
für die Ausübung der bischöflichen Gewalt, ist 
jene Charakterisierung auch bei den Bischöfen voll 
zutreffend und auch als der kirchlichen Doktrin 
entsprechend nachzuweisen. Das Kollegium der 
Bischöfe ist an die Stelle des Apostelkollegiums 
getreten und hat ganz dieselbe Gewalt wie dieses; 
jeder einzelne Bischof übt auch eben diese Gewalt, 
deren Träger er als Glied dieses Kollegiums ist, 
wie jeder einzelne Apostel und auch für die ganze 
Kirche, allerdings nur ausnahmsweise, in der 
außerordentlichen Form eines allgemeinen Konzils, 
aus. Wenn nun die einzelnen Bischöfe ihre inner- 
lich auf die ganze Kirche gerichtete Gewalt regel- 
mäßig nur in einem ihrer Autorität ausschließlich 
unterstellten Kreis betätigen, während den ein- 
zelnen Aposteln bei ihrer Wirksamkeit derartige 
geographische Schranken nicht gezogen waren, so 
besteht die hieraus sich ergebende Verschiedenheit 
nicht etwa in einer sachlichen Schmälerung oder 
innern Verminderung, sondern lediglich in der 
andern Art und Weise oder der andern äußern 
Form der Betätigung der bei beiden wesentlich 
gleichen oder virtuell und potenziell derselben 
Gewalt. 
UÜbrigens bildete sich auch bei den Aposteln von 
selbst eine gewisse Begrenzung. Der Apostel 
Paulus sagt, daß er sich mit der Verkündigung 
des Evangeliums nur nach solchen Gegenden 
wende, wo dasselbe noch nicht von einem andern 
Apostel gepredigt sei (Röm. 15, 20; 2 Kor. 10, 
16), und spricht eben damit den Grundsatz aus, 
auf dem im Interesse einer geordneten kirchlichen 
Wirksamkeit die räumliche Umgrenzung der 
Tätigkeitsgebiete der Bischöfe oder die Diözesan- 
einteilung beruht. 
Mit Rücksicht nun auf die äußere Betätigung 
des Episkopats sind zunächst zwei Bestimmungen 
ganz allgemeiner Art maßgebend. Die erste ver- 
bietet die Aufnahme in den Episkopat oder die Er- 
teilung des bischöflichen ordo, wenn nicht zugleich 
mit dem Akte die Überweisung eines bestimmten 
territorialen Bezirks oder einer Dihzese zur allei- 
nigen und ausschließlichen Ausübung des bischöf- 
lichen Amtes gegeben ist. Es ist dies ein Rechts- 
satz, der in dem Zeitraum vom vierten allgemeinen 
Konzil zu Chalzedon (451) bis zum Beginn des 
13. Jahrh. bezüglich aller Kirchenämter in der 
Gaxiomatischen Form: Nulla ordinatio sine titulo, 
praktische Geltung hatte, von da ab aber nur für 
die bischöfliche Ordination oder Konsekration in 
derselben verblieben ist, während für die übrigen 
ordines an Stelle der ordinatio relativa die 
absoluta trat. Die zweite Bestimmung ist nur 
eine nähere Präzisierung der ersten, indem sie 
vorschreibt, daß auch nur einem das bischöfliche 
Amt in ein und derselben Dizese verliehen werde
	        
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