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einzelne Apostel, d. h. Träger derselben Gewalt,
Inhaber derselben Mission. Indes aus der Suk-
zession der Bischöfe in das Amt der Apostel folgt
keineswegs, daß nun auch die äußere Art und
Weise der Betätigung bei beiden ganz dieselbe sei.
Das Wie und Wo oder die Form derselben ist
Sache historischer Gestaltung und wird durch die
jeweilige Zeitlage und die darin hervortretenden
besondern Bedürfnisse bestimmt, steht mithin unter
dem Gesetz der Veränderlichkeit und hat nur tem-
poräre Bedeutung.
Daß die Bischöfe bei der Ausübung ihres vollen
apostolischen Amtes auf einen geographisch fixierten
Bezirk beschränkt sind, dies erscheint allerdings als
eine Form oder Einrichtung, die sich tatsächlich
jenem Gesetz entzieht und die Schranken zeitlicher
Entwicklungsphasen durchbricht, da sie auf Grund
ihrer Stabilität und relativen Permanenz um so
mehr ein wesentliches Moment des Begriffs Epi-
skopat im engeren Sinn geworden ist, als gerade
in diesem die Verschiedenheit vom Primat äußer-
lich sich darstellt. Die Einrichtung reicht auch ihrer
Entstehung nach nicht bloß in das christliche Alter-
tum hinauf, indem von jeher, soweit die geschicht-
lichen Zeugnisse gehen, abgegrenzte Terri-
torien unter dem Namen napo# (später dioe-
cesis) das äußere Gebiet der bischöflichen Wirk-
samkeit bildeten, sondern gehört ihrer Grundlage
nach dem apostolischen Zeitalter an. Wenn der
Apostel Paulus Timotheus zum Bischof von
Ephesus und Titus zum Bischof von Kreta oder
der hl. Johannes Polykarp zum Bischof von
Smyrna bestellt, so mochte das bezügliche Gebiet
ihrer Wirksamkeit noch nicht in der Weise späterer
Zeit durch eine feste Abmessung begrenzt sein;
aber der Kern dieser Bildung war doch mit jener
lokalen Fixierung gegeben. Und damit, daß der
Apostel Jakobus nicht wie die übrigen Apostel der
Missionstätigkeit obliegt, sondern die Ausübung
des Apostelamts auf Jerusalem beschränkt, hat jene
Einrichtung ihre volle und ganze Gestalt erhalten.
In der Person des hl. Jakobus und in seiner
Stellung zu der jerusalemitischen Christengemeinde
ist das Dib5zesanverhältnis, in welchem die Bi-
schöfe stehen, schon tatsächlich verwirklicht worden.
Wie der Apostel Jakobus durch seine Stellung zu
der Gemeinde Jerusalem nicht aufhörte, Träger
des apostolischen Amtes zu sein, und dieses auch
ausübte, so sind auch die Bischöfe darum nicht
weniger Nachfolger der Apostel, Inhaber des
apostolischen Amtes, daß die Betätigung desselben
lokal beschränkt ist.
Man hatallerdings eine Verschiedenheit zwischen
Aposteln und Bischöfen darin zu finden geglaubt,
daß jeder einzelne der Apostel die volle Befugnis
besaß, sein apostolisches Ansehen innerhalb des
ganzen Umfangs der Christenheit geltend zu
machen. Den Aposteln eignete die oberste Leitung
der Christengemeinden solidarisch. Jeder besaß die
leitende Gewalt über das Ganze, aber nur in Ge-
meinschaft mit der Gesamtheit. Jeder übte seine
Episkopat.
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Autorität nicht als eine individuelle, sondern als
die des Apostelkollegiums aus. Nicht anders aber
verhält es sich mit den Bischöfen; denn abgesehen
von der äußeren Organisation der kirchlichen
Wirksamkeit oder der rechtlich bestimmten Form
für die Ausübung der bischöflichen Gewalt, ist
jene Charakterisierung auch bei den Bischöfen voll
zutreffend und auch als der kirchlichen Doktrin
entsprechend nachzuweisen. Das Kollegium der
Bischöfe ist an die Stelle des Apostelkollegiums
getreten und hat ganz dieselbe Gewalt wie dieses;
jeder einzelne Bischof übt auch eben diese Gewalt,
deren Träger er als Glied dieses Kollegiums ist,
wie jeder einzelne Apostel und auch für die ganze
Kirche, allerdings nur ausnahmsweise, in der
außerordentlichen Form eines allgemeinen Konzils,
aus. Wenn nun die einzelnen Bischöfe ihre inner-
lich auf die ganze Kirche gerichtete Gewalt regel-
mäßig nur in einem ihrer Autorität ausschließlich
unterstellten Kreis betätigen, während den ein-
zelnen Aposteln bei ihrer Wirksamkeit derartige
geographische Schranken nicht gezogen waren, so
besteht die hieraus sich ergebende Verschiedenheit
nicht etwa in einer sachlichen Schmälerung oder
innern Verminderung, sondern lediglich in der
andern Art und Weise oder der andern äußern
Form der Betätigung der bei beiden wesentlich
gleichen oder virtuell und potenziell derselben
Gewalt.
UÜbrigens bildete sich auch bei den Aposteln von
selbst eine gewisse Begrenzung. Der Apostel
Paulus sagt, daß er sich mit der Verkündigung
des Evangeliums nur nach solchen Gegenden
wende, wo dasselbe noch nicht von einem andern
Apostel gepredigt sei (Röm. 15, 20; 2 Kor. 10,
16), und spricht eben damit den Grundsatz aus,
auf dem im Interesse einer geordneten kirchlichen
Wirksamkeit die räumliche Umgrenzung der
Tätigkeitsgebiete der Bischöfe oder die Diözesan-
einteilung beruht.
Mit Rücksicht nun auf die äußere Betätigung
des Episkopats sind zunächst zwei Bestimmungen
ganz allgemeiner Art maßgebend. Die erste ver-
bietet die Aufnahme in den Episkopat oder die Er-
teilung des bischöflichen ordo, wenn nicht zugleich
mit dem Akte die Überweisung eines bestimmten
territorialen Bezirks oder einer Dihzese zur allei-
nigen und ausschließlichen Ausübung des bischöf-
lichen Amtes gegeben ist. Es ist dies ein Rechts-
satz, der in dem Zeitraum vom vierten allgemeinen
Konzil zu Chalzedon (451) bis zum Beginn des
13. Jahrh. bezüglich aller Kirchenämter in der
Gaxiomatischen Form: Nulla ordinatio sine titulo,
praktische Geltung hatte, von da ab aber nur für
die bischöfliche Ordination oder Konsekration in
derselben verblieben ist, während für die übrigen
ordines an Stelle der ordinatio relativa die
absoluta trat. Die zweite Bestimmung ist nur
eine nähere Präzisierung der ersten, indem sie
vorschreibt, daß auch nur einem das bischöfliche
Amt in ein und derselben Dizese verliehen werde