Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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vom Minister des Auswärtigen des Absendestaates 
an den des Empfangsstaates adressiert. Die päpst- 
lichen Legaten und Nuntien werden durch sog. 
Ernennungsbullen beglaubigt, welche ihnen zu- 
gleich als Vollmacht dienen. 
Außer dem Beglaubigungsschreiben erhält jeder 
Gesandte nach seiner Ernennung: 1) eine In- 
struktion, durch welche das Maß seiner Ver- 
antwortlichkeit seinem Absendestaate gegenüber be- 
stimmt wird. Diese Instruktion ist entweder eine 
allgemeine oder eine spezielle, je nachdem sie Ver- 
haltungemaßregeln für seine Verrichtungen und 
die Angabe seiner Besugnisse bei den zu pflegen- 
den Verhandlungen im allgemeinen oder nur für 
etwa vorkommende besondere Geschäfte und Ver- 
handlungen enthält; sie ist eine öffentliche (osten- 
sible) oder eine geheime, je nachdem sie dem Emp- 
fangsstaate mitgeteilt werden darf oder nicht. 
2) Eine Vollmacht (plein pouvoir), welche 
die Grenzen seiner amtlichen Befugnisse bezeichnet, 
d. h. dem Absendestaate gegenüber mit der In- 
struktion die Basis seiner Verantwortlichkeit und 
dem Empfangsstaate gegenüber mit der diesem 
etwa mitgeteilten Instruktion die Grundlage für 
die Gültigkeit aller seiner diplomatischen Hand- 
lungen bildet. Die Vollmacht ist in Fällen stän- 
diger Gesandtschaft schon im Beglaubigungs- 
schreiben enthalten; bei Gesandtschaften ad hoc 
wird sie eigens ausgestellt. Sie enthält den Ge- 
genstand der Mission und kann generell oder spe- 
ziell, limitiert und illimitiert sein; in diesem Falle 
heißt sie mandatum cum libera (scil. pot- 
estate), plein pouvoir. Die zu Kongressen, Kon- 
ferenzen oder Friedensverhandlungen entsendeten 
Diplomaten erhalten regelmäßig nur ihre Voll- 
machten, welche ihnen zugleich als Beglaubigungs- 
schreiben dienen und nach deren Prüfung und 
wechselseitiger Anerkennung die Verhandlungen 
beginnen. 3) Eine Geheimschrift und einen 
Schlüssel derselben (chiffre chiffrant et dé- 
chiffrant) zum Schreiben und Lesen der Korre- 
spondenz mit dem Absendestaat (s. Bd L, Sp. 1092). 
4) Pässe zur Reise nach seinem Bestimmungs- 
orte, d. h. Dokumente, durch welche die Identität 
des Gesandten festgestellt und an die Behörden 
des In= und Auslandes das Ersuchen gerichtet 
wird, den Inhaber frei passieren und ihm den 
möglichsten Schutz angedeihen zu lassen. Pässe 
werden einem Gesandten nicht nur vom Absende- 
und Empfangsstaate, sondern auch von solchen 
dritten Staaten ausgefertigt, durch deren Gebiet 
er zu reisen beabsichtigt. Indes sind die Pässe 
nicht in allen Staaten erforderlich, so verlangt 
z. B. das deutsche Recht diese nicht (Zorn, Staats- 
recht II 430). 5) Vielfach Empfehlungs- 
schreiben an Mitglieder des Regentenhauses 
und andere hohe und einflußreiche Persönlichkeiten 
des Empfangsstaates. 
VI. Geschäfte des Gesandten. Die Gesandten 
haben als Staatsbeamte, die in das Ausland de- 
  
Gesandte usw. 
  
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und Pflichten aller Staatsbeamten. Zu den Pflich- 
ten des Beamten gehört vor allem die Residenz- 
pflicht und die dienstliche Gehorsamspflicht. Die 
Funktionen der diplomatischen Vertreter ergeben 
sich im allgemeinen aus der Natur und Aufgabe 
des diplomatischen Dienstes und richten sich im 
besondern nach dem Inhalte des jedem derselben 
erteilten Auftrages. Was insbesondere die Funk- 
tionen der Gesandten anbelangt, so obliegen diesen 
hauptsächlich: 1) die allgemeine Pflege der inter- 
nationalen Beziehungen von Staat zu Staat; 
2) die Beobachtung der politischen, militärischen 
und wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfangs-= 
staates sowie die Berichterstattung über die hier- 
bei gemachten Wahrnehmungen an den Absende- 
staat. Für die Leitung der auswärtigen Politik 
eines Landes durch den verantwortlichen Minister 
ist vor allem hochwichtig eine wahrheitsgetreue, 
genaue, aber auch mit fachmännischer Einsicht ge- 
führte Berichterstattung seitens der Gesandten. 
Diese Berichte sind entweder periodische oder außer- 
ordentliche. Die Korrespondenz wird in Geheim- 
schrift mit Chiffern geführt. Der Gesandte ist 
natürlich zur strengsten Diskretion verpflichtet. 
3) Die Kontrolle über die Durchführung der zwi- 
schen dem Empfangs= und dem Absendestaat be- 
stehenden Staatsverträge; 4) der Schutz der im 
Empfangsstaate sich aufhaltenden Staatsange- 
hörigen des Absendestaates. 
Obrigkeitliche Rechte hat der Gesandte 
in der Regel nicht auszuüben, ausnahmsweise kann 
jedoch der Gesandte zur Ausübung solcher Rechte 
von seiner Staatsgewalt ermächtig sein, so z. B. 
zur Beglaubigung von Urkunden, zu standesamt- 
lichen Funktionen: Eheschließungen, Beurkundung 
von Heiraten, Geburts= und Sterbefällen. Diese 
Funktionen haben vor allem den Zweck, z. B. die 
Anwendung des heimatlichen Rechts auf diejenigen 
im Auslande geschlossenen Ehen zu sichern, die im 
Heimatsstaate Gültigkeit beanspruchen. Die Frage 
der vor einem diplomatischen Agenten geschlossenen 
Ehen ist nunmehr durch das Haager Abkommen 
vom 12. Juni 1902 Art. 6 in der Weise geregelt, 
daß eine solche Ehe in Ansehung der Form überall 
als gültig anzuerkennen ist, wenn sie gemäß der 
Gesetzgebung des Heimatstaates geschlossen wird, 
vorausgesetzt, daß keiner der Verlobten dem Staate, 
wo die Ehe geschlossen wird, angehört und dieser 
Staat der Eheschließung nicht widerspricht. 
Die amtliche Tätigkeit des Gesandten kann 
ferner in Anspruch genommen werden für Handels- 
und Schiffahrtsangelegenheiten, internationale 
Militär= und Marineangelegenheiten, Auswan- 
derungssachen und in Rechtshilfsachen; so hat er 
auf Anweisung des Auswärtigen Amtes, an welches 
die Requisitionen der Gerichte gehen, gerichtliche 
Zustellungen an Personen zu vermitteln, welche in 
ihrem Amtssitze wohnen oder sich aufhalten. Ferner 
gehört in seinen Funktionsbereich der Patentschutz, 
Musterschutz, Schutz des Urheberrechts, das Paß- 
tachiert sind, natürlich auch die allgemeinen Rechte wesen usw.
	        
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