Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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(Conc. Nicaen. can. 8). Die in der ältesten Zeit 
und auch heute noch vorkommenden Abweichungen 
von dieser alten Grundregel hängen mit lokalen 
Ausnahmezuständen und den daraus entspringen- 
den Organisationsbedürfnissen zusammen. 
Was nun bei der Betätigung des Episkopats 
oder des bischöflichen Amtes den materiellen Um- 
fang oder sachlichen Inhalt desselben betrifft, 
so üben die Bischöfe die volle apostolische Gewalt, 
d. h. die Lehrgewalt, die hohepriesterliche Gewalt 
und die Regierungs= und Leitungsgewalt der 
Apostel, aus, aber immer in Einheit mit dem 
Papst, als Träger des Primats, und in Ab- 
hängigkeit von ihm (s. d. Art. Papst). Unter der 
Voraussetzung dieses Subordinationsverhältnisses 
ist der Bischof 1) kraft seiner potestas ordinis 
und iurisdictionis im Besitz der Fähigkeit und 
des Rechts, alle Sakramente zu spenden und alle 
heiligen Handlungen zu vollziehen. Da aber dieses 
Recht auf Grund der kirchlichen Rechtsordnung 
den Charakter der Ausschließlichkeit für den Be- 
reich seiner Diözese trägt, so folgt daraus, daß 
(außer dem Papst und der vom Papst Bevoll- 
mächtigten) jeder behufs erlaubter Vornahme der- 
artiger Akte seiner vorherigen Autorisation bedarf. 
Indem in dieser Weise auch andere Kleriker tat- 
sächlich und rechtlich in Ausübung ihres ordo 
Sakramente spenden und heilige Handlungen voll- 
ziehen, ist in der Doktrin bezüglich dieser Berech- 
tigungen die Unterscheidung in iura ordinis 
communia und propria üblich geworden. Zu 
jenen gehören die Berechtigungen, zu deren Akti- 
vierung außer dem Bischof auch andere Kleriker 
innerlich befähigt sind und die jenem wie diesen, 
wenngleich unter verschiedenem Titel, zustehen und 
ebendeshalb gemeinsame sind; zu den letzteren 
aber solche, die dem Bischof allein zustehen und 
darum auch episcopalia oder pontificalia ge- 
nannt werden. Aus diesen werden wieder einige 
zu einer besondern Gruppe mit der Bezeichnung 
iura reservata vereinigt, nämlich solche Berech- 
tigungen, die Handlungen betreffen, zu deren Vor- 
nahme auch andere Kleriker wohl innerlich be- 
fähigt, aber nur dann berechtigt sind, wenn der 
Bischof für den einzelnen Fall die Genehmigung 
erteilt, da der Vollzug diesem generaliter reser- 
viert ist. 2) Kraft der potestas magisteriül steht 
dem Bischof allein und ausschließlich für den 
Umfang seiner Diözese das Recht zur Ausübung 
des kirchlichen Lehramtes zu, sei es nun in Form 
des populären Unterrichts, wie Predigt und Kat- 
echese, oder in der Weise wissenschaftlicher Dar- 
stellung der Lehre Christi in Wort und Schrift. 
Daher kann auch keine Art der Lehrtätigkeit als 
Funktion des kirchlichen Lehramtes rechtlich aus- 
geübt werden, wenn es nicht im Auftrag oder unter 
der Autorisation des betreffenden allein berech- 
tigten Bischofs geschieht, möge diese letztere tacite 
schon in dem Verleihungsakt eines die Lehrver- 
kündigung in sich schließenden Amtes enthalten oder 
in der Form einer ausdrücklichen und besondern 
  
Episkopat. 
  
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Erteilung erfolgt sein und in diesem Fall nach 
dem neueren Sprachgebrauch missio canonica 
genannt werden. Hiermit hängt auch innigst zu- 
sammen das Recht, die Zensur auszuüben, d. h. 
den Druck und die Veröffentlichung von Schriften 
religiösen Inhalts zu genehmigen oder zu ver- 
bieten. 3) Mit der in dem Episkopat radizierten 
und dem Bischof als Träger desselben zukommen- 
den potestas iurisdictionis besitzt dieser salva. 
Pontificis Maximi auctoritate das alleinige 
und ausschließliche Recht, die kirchliche Regierung 
nach allen ihren Beziehungen innerhalb des Um- 
fangs seiner Diözese zu betätigen. Er übt des- 
halb das kirchliche Gesetzgebungsrecht und die 
diesem entsprechende Dispensationsbefugnis aus, 
jedoch innerhalb der Schranken, welche ihm durch 
das jus commune und provinciale gezogen sind. 
In gleicher Weise steht es ihm zu, organische 
Einrichtungen für die kirchliche Wirksamkeit zu 
treffen, namentlich die Errichtung, Veränderung 
oder Aufhebung von Kirchenämtern nach Maß- 
gabe der hierfür durch das ius commune auf- 
gestellten Bestimmungen vorzunehmen und Bil- 
dungsanstalten für den Diözesanklerus entweder 
selbst zu errichten oder doch die Erziehung und 
theoretische wie praktische Ausbildung in denselben 
zu leiten und zu überwachen. Vermöge derselben 
potestas iurisdictionis hat er das Recht der 
Aussicht oder Visitation nicht allein bezüglich der 
Verwaltung der Kirchenämter und der Ausübung 
der Seelsorge, sondern auch des sittlichen und 
religiösen Lebens überhaupt, insbesondere auch 
das Recht der obersten kirchlichen Vermögens- 
verwaltung und in Verbindung damit das Recht 
der Besteuerung, d. h. zu kirchlichen Zwecken von 
seinen Diözesanen Abgaben zu fordern. Endlich 
eignet ihm noch das Recht zur Handhabung und 
Ausübung der gesamten kirchlichen Gerichtsbarkeit, 
der streitigen wie Strafgerichtsbarkeit. 
Ein charakteristisches Moment bildet die räum- 
liche Beschränkung bei Ausübung der Bischofs- 
gewalt, insofern alle in dieser liegenden Befug- 
nisse regelmäßig nur innerhalb eines abgegrenzten 
Territoriums, Diözese genannt, zur Realisie- 
rung kommen. Mit Rücksicht auf dieses letztere 
Moment wird der Träger derselben auch dioece- 
sanus genannt, oder da dieses Diözesanverhältnis 
allseitig und bleibend durch das kirchliche Recht 
geregelt ist, ordinarius oder judex ordinarius. 
Innerhalb der Diözesangrenzen erstreckt sich nun 
die bischöfliche Gewalt grundsätzlich über alle 
Christen, praktisch über alle Katholiken, welche hier 
ihr Domizil haben, über alle kirchlichen Einrich- 
tungen und Anstalten und über alle Angelegen- 
heiten, welche jene betreffen oder mit diesen in Be- 
ziehung stehen. Ausnahmen gibt es entweder be- 
züglich einzelner Akte, z. B. der Verhängung der 
sententia excommunicationis über den Landes- 
herrn, oder bezüglich ganzer Personenkategorien 
auf Grund besonderer persönlicher Verhältnisse, 
z. B. der Mitglieder einiger Orden und in neuerer
	        
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