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tretende) gleichartige Kräfte unter bestimmten Vor-
aussetzungen in der Regel gleiche oder gleichartige
Wirkungen hervorzubringen streben und in der
Regel hervorbringen. Demnach wären Gesetze
über das wirtschaftliche Verhalten der einzelnen
allgemeine Schlüsse aus der Annahme, daß eine
Vielheit von Menschen miteinander in Verkehr
und Wettbewerb steht, von denen jeder nach ge-
wissen wirtschaftlichen Erwägungen, insbesondere
auch unter Berücksichtigung des bestehenden Ver-
mögensrechtes, handelt. Die Erfüllung eines sol-
chen Gesetzes ist das vorausgesehene Ergebnis des
Zusammenwirkens vieler einzelnen nach erfah-
rungsmäßig unter ihnen vorherrschenden Beweg-
gründen.
Solchen sozialen Gesetzen kommt aber ebenso-
wenig wie den von menschlichen Gemeinschaften
aufgestellten Rechtssätzen, wegen der in Betracht
kommenden Willensfreiheit, absolute Wirkung
zu; der freie Wille kann gegen das Gesetz handeln,
der Wille der Gesamtheit entgegengesetzte Vor-
schriften erlassen. Beispiele bieten die Einführung
von Taxen oder Monopolen im Gegensatz zur
Preisbildung auf der Grundlage freien Eigen-
tums. Nur unter letzterer, also juristischer Vor-
aussetzung zeigt sich z. B. das oft als Naturgesetz
schlechthin aufgeführte Gesetz von Angebot und
Nachfrage, eine Formel, die übrigens nur die
Preisschwankungen in einem gegebenen Zeitpunkt
erklärt; das dauernde Gesetz des Preises auf
Grund der bestehenden Vermögensrechtsordnung
ist die Tendenz zur Preissteigerung, indem in
letzter Linie der Besitz aus seiner Lage Vorteil
zieht und die Arbeit der universelle Abnehmer der
Produkte ist, ihr Preis jedoch zuletzt steigt und
zuerst sinkt (s. Rösler in Hirths Annalen 1875,
394). Ahnlich steht es mit andern wirtschaftlichen
Notwendigkeiten; sie gelten unter der Voraus-
setzung einer bestimmten Rechtsordnung und all-
gemein üblich gewordenen Verhaltens; so wenn es
heißt, daß die Unternehmer den Druck, den die
Verhältnisse, die Krisen, auf sie ausüben, mit
naturgesetzlicher Notwendigkeit auf die hinter ihnen
stehenden Arbeiter fortpflanzen, daß die Krisen
besonders dem Mittelstande schaden, daß bei Er-
schwerung des Nahrungserwerbes die unehelichen
Geburten steigen usw.
Dessenungeachtet bleibt die Wichtigkeit der echten
Naturgesetze für die Gesellschaft unangetastet.
Für die leibliche Seite des Menschen und die mit
ihr näher oder entfernter in Beziehung stehenden
Verhältnisse (Wirtschaft, Familie) sind die Natur-
gesetze über Leben, Alter, Geschlecht, Geburt und
Tod, Arbeitskraft, Nahrung, Kleidung, Woh-
nung usw. von höchster Wichtigkeit und müssen
von der Rechtsordnung berücksichtigt werden. Wie
wichtig ist der Einfluß der den Menschen um-
gebenden Natur: Inseln, Halbinseln, Bodenglie-
derung, Unebenheiten der Erdoberfläche, Meere,
Flüsse, Klima, Fruchtbarkeit! Tier= und Pflanzen-
welt bestimmen Ansiedlung, Verkehrsrichtung und
Gesellschaft usw.
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Wirtschaft. Ganz besonders ist letztere, die mensch-
liche Wirtschaft, von den in der äußern Natur
(nach Naturgesetzen) arbeitenden Kräften abhängig;
man denke an die Erzeugung land= und forst-
wirtschaftlicher Produkte, die Benutzung der
Wasser-, Wind= und Dampfkraft, die Anwendung
der Maschinen, die chemische Industrie, an die
Zerstörung wirtschaftlicher Güter durch Ratur-
ereignisse, die Notwendigkeit des Kräfteersatzes.
Sobald jedoch der Mensch als Gesellschaftsindivi-
duum, als ein Faktor der beobachteten Erscheinung
mitwirkt, sobald ein auf Sachgüter gerichteter Ver-
kehr vorliegt, versagen die Naturgesetze. In der
Aufeinanderfolge wirtschaftlicher Vorgänge zeigen
sich allerdings, wenn man eine Menge von Fällen
beobachtet, Erscheinungen, die mit großer Regel-
mäßigkeit sich wiederholen. Dies rührt aber da-
von her, daß die zum Leben notwendigen Sach-
güter beschränkt vorhanden und von vielen zugleich
begehrt sind, daß die Menschen die Neigung haben,
sich diese Güter mit kleinster Gegenleistung zu be-
chaffen, d. h. im wirtschaftlichen Verkehr vom
Selbstinteresse bestimmt werden, und dadurch (aber
nur soweit die Rechtsordnung dies zuläßt) eine
gleichartige Handlungsweise hervorgerufen wird.
Die Massenwirkung jenes Strebens auf dem
Boden der Rechtsordnung beobachtet eben die
politische Okonomie (s. d. Art. Volkswirtschafts-
lehre).
Arten gesellschaftlicher Gesetze gibt es so viele,
als Gebiete gesellschaftlichen Lebens, gesellschaft-
licher Tatsachen, Erscheinungen und Vorgänge
unterschieden werden. Von wirtschaftlichen Ge-
setzen war bereits die Rede; aber auch auf dem
Gebiete der Gesetze im ursprünglichen Sinne des
Wortes, also im Rechts= und Staatsleben, hat die
geschichtliche und die vergleichende Betrachtung seit
jeher viele unter gewissen Voraussetzungen regel-
mäßig wiederkehrende Erscheinungen, sehr oft
Folgezustände gewisser Rechtseinrichtungen und
zordnungen, nachgewiesen. Es seien erwähnt die
oft beobachteten Eigentümlichkeiten der verschie-
denen Berufe und Stellungen im Berufe, der Na-
tionalitäten, die verschiedenen Staats= und Ver-
waltungstypen, die geschichtlich vorgekommenen
Wechsel der Staatsformen, die gewöhnlichen Fol-
gen mißbrauchter Staatsgewalt, der regelmäßige
Zusammenhang von Zentralisation und Groß-
stadtbildung, die Folgen von Kolonialbesitz, die
Regelmäßigkeit der Verbrechen u. dgl. Insbeson-
dere bemüht sich die in neuerer Zeit eifrig ange-
wendete Methode der Statistik, in genauerer Weise,
durch systematische Massenbeobachtung ziffermäßige
Darstellungen für Gegenstände zu erzielen, wofür
man sich bisher mit allgemeinen Schilderungen
und annähernden Beobachtungen begnügt hatte.
Man beobachtet gesellschaftliche Gleichförmig--
keiten und Gesetze nicht bloß bei diesem oder jenem
Einzelfalle, sondern gelangt zu solchen auch bei
Erweiterung des Standpunktes nach Zeit und
Raum,also bei Vergleichung der Völker und bei
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