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wurde (AQCX47ff, XVI 28ff, 119ff, u. Gould,
Conc. Hist. 304 ff). Diese drei Grade mit der
bis 1738 üblichen Symbolik und den „Alten
Pflichten“ von 1723 und 1738 betrachtet man
als die ursprüngliche reine Form der Freimaurerei.
Der Geist dieser ursprünglichen Freimaurerei
scheint nur durch die Royal Society, welcher
1723/40 verhältnismäßig viele Freimaurer an-
gehörten (Gould, Hist. II 400; Boos, Gesch. d.
Freim. 72, 79, 139, 145), in dem Sinne direkt
beeinflußt worden zu sein, daß die Grundsätze und
Methoden, welche in der Royal Society bei Pflege
der Naturwissenschaften befolgt wurden, in der Frei-
maurerei auf das gesellige und gesellschaftliche Leben,
zunächst im Bruderkreis, angewandt wurden. Nach
1730 haben auf dem Kontinent der von England
importierte Deismus und sonstige Richtungen der
„Aufklärung“ die Freimaurerei stark beeinflußt,
während die englische und amerikanische Frei-
maurerei sich im Gegenteil bis 1813 mehr und
mehr im Sinne der christlichen Orthodoxie rück-
wärts entwickelte. Diese Verchristlichung der Frei-
maurerei wurde besonders durch die 1751 in Lon-
don begründete „altenglische“ Großloge gefördert,
welche vorgab, im Gegensatz zur modernen Groß-
loge, die alten Ritualformen und Gebräuche zu be-
sitzen. In Frankreich kamen 1740 sog. „Schotten“-
grade auf, in welchen fälschlich vorgegeben wurde,
daß die echte Freimaurerei sich von christlichen
Ritterorden herleite, in schottischen Logen fort-
bestanden und sich in den Dienst der schottischen
Prätendenten gestellt habe. Aus diesen fran-
zösischen „Ritter“ graden wurde um 1750 in
Deutschland das System der „Strikten Obser-
vanz“ und in Schweden das sog. „Schwedische
System“ gebildet, worauf bis 1782 sämtliche
Logen Deutschlands, Osterreichs, Ungarns, Polens
und Nußlands zum Tummelplatz des erbitterten
Kampfes zwischen diesen Systemen wurden, die
beide vorgaben, der im stillen fortbestehende
Templerorden zu sein. In beiden Systemen wurde
Gehorsam gegen unbekannte Ordensobern gelobt.
Als höchster Ordensoberer wurde lange fälschlich
der Prätendent Karl Eduard Stuart vermutet.
Mit und neben dem Templertum hielten alle
möglichen Modetorheiten des 18. Jahrh.: Rosen-
kreuzerei, Alchemie, Hermetische Wissenschaft, Kab-
balistik, Nekromantie, Okkultismus, usw. ihren
Einzug in die Freimaurerei. Der allgemeine
Glaube der Freimaurer an geheime Ordensobere
und ihre Hinneigung zu geheimen Wissenschaften
und Künsten leisteten den tollsten Schwindeleien
Vorschub (Rosa, Johnson, Saint-Germain, Caglio-
stro usw.). Von Deutschland und Frankreich aus
fand das schwindelhafte Templertum auch in Eng-
land und Amerika Eingang. In Frankreich und
anderwärts gab die Zulassung von Frauens-
personen Anlaß zu Argernissen. Nach 1782 wurde
an der Freimaurerei so ziemlich allenthalben refor-
miert. Schröder und Feßler suchten die deutschen
Freimaurer zur ursprünglichen einfachen Form
Gesellschaften, geheime.
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zurückzuführen, als welche ihnen aber die „alt-
englische“ erschien. In England kam es 1813 zur
Vereinigung der „altenglischen“ und „modern“
englischen Großloge und zur Wiederherstellung
des „neutralen“ (unsectarian) Prinzips bzw.
zur amtlichen Ausmerzung der christlichen An-
klänge aus Ritual und Logenleben. Die nord-
amerikanische Freimaurerei folgte mit ähnlichen
Reformen. In Charleston (Süd-Carolina) wurde
1801 aus französischen Templer= und sonstigen
Graden das kunterbunte „Alte und Angenommene
Schottische System' (mit 33 Graden) zusammenge-
zimmert, welches religiös eine theosophisch-rationa-
listische und politisch eine entschiedener antikirchlich-
demokratische Tendenz im Sinne der Grundsätze
der französischen Revolution von 1789 zeigt. Dieses
System sucht durch seine mit größerer Sorgfalt
ausgewählten Mitglieder, die gewöhnlich zugleich
die einflußreichsten Stellen in der Freimaurerei
anderer Systeme innehaben, einen beherrschenden
Einfluß auf den gesamten Freimaurerbund zu ge-
winnen. Dieser Einfluß ist ihm in den Groß-
orientsystemen der romanischen Freimaurerei und
in Belgien, Ungarn, Griechenland usw. gesichert;
er ist aber auch in allen Ländern englischer Zunge
sehr wohl bemerklich. Gegenwärtig bestehen 26 all-
gemein anerkannte Supremes Conseils bieses Sy-
stems in London, Dublin, Edinburgh, Hamilton
(Kanada); Boston, Charleston; Paris, Rom,
Brüssel, Lausanne, Madrid, Lissabon, Athen;
San Domingo, Havanna, Mexiko, San José
(Guatemala), Cartagena (Colombia), Caräcas,
Santiago (Chile), Lima, Montevideo, Buenos
Aires, Asunciön (Paraguay), Rio de Janeiro,
Kairo. Nichtallgemein anerkanntsind die Suprmes
Conseils in Luxemburg, Budapest, Rom, Türkei,
Neapel, Florenz, Palermo (Mackey-Mclenachan,
Encycl. 1009). Meklenachan schätzt die Zahl
der Mitglieder auf etwa 900 000; sie dürfte aber
300000 kaum erreichen. In England sind heute in
der sog. Craft-Freimaurerei die alten drei Grade,
mit dem Royal Arch-Grad als „Ergänzung des
dritten, üblich; in den Vereinigten Staaten der
sog. „Amerikanische Ritus“ mit neun Graden
(Mackey-McClenachan a. a. O. 62). Daneben
werden aber, besonders in Amerika, noch eine
Menge anderer Systeme, die sich gleichfalls frei-
maurerisch nennen, bearbeitet (Templars, Red
Cross, Rosicrucians usw.). Die „Strikte Ob-
servanz“ besteht rektifiziert in der Großloge „Drei
Weltkugeln“ und das „Schwedische System“ in
der Landesloge von Deutschland und in den Groß-
logen von Schweden, Norwegen und Dänemark
sfort. Auch in den „Inneren Orienten“ der Groß-
loge Royal York (Berlin) wird „Schottische“
Freimaurerei betrieben.
Eine völlig genaue Statistik des Freimaurer-
bundes zu geben, ist auch heute noch unmöglich.
Vielfach fehlen zuverlässige Angaben. Die Art der
Zählung ist nach Ländern verschieden. In den Ver-
einigten Staaten z. B. werden nur die Meister,