Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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deren im Ecrasez l'infàmo — d. h. zertretet den 
„Aberglauben“, das Christentum oder gar allen 
Glauben an eine höhere, göttliche Ordnung — 
gipfelnder Geist noch heute in der französischen, 
in der italienischen und in der fortschrittlichen 
Freimaurerei aller Länder fortlebt. Der Illumi- 
natenorden wurde zwar 1784 vom Kurfürsten von 
Bayern „äußerlich“ unterdrückt; derselbe bestand 
aber im geheimen fort. Prälat Häffelin, Minister 
Montgelas z. B. waren Illuminaten (vgl. Arm- 
brusters Relation um 1801 an die österreichische 
Regierung. Augsburger Allg. Zeitung 1882; Nr 
183 Beil., S. 2682 ff). Eine „Lista der bekonn- 
ten Gliedern des Illuminatenordens in den Chur- 
pfalz-, Bajerisch= und andern Staaten nach ihren 
Geschlechts= und Ordensnamen“ ist in den Hist.= 
polit. Blättern (CIII (1890] 928 ff) mitgeteilt. 
— Vgl auch L. Engel, Gesch. des Illuminaten= 
ordens (1906). 
2. Die „Jakobinerklubs“ waren nach einem 
am 13. April 1883 der Loge von Nantes vor- 
gelegten Berichte (Du röle de la Francmagpon- 
nerie au 18° siecle etc. (1883) 9 ff) nur in 
aktive politische Klubs umgewandelte Freimaurer= 
logen, welche vielfach selbst die Titel der letzteren 
beibehielten. Auch in andern Ländern bestanden 
zu jener Zeit ähnliche, mit den Jakobinern in 
Paris in Verbindung stehende Verschwörungs- 
gesellschaften, z. B. in Ungarn 1794 (ogl. Vil- 
mos Fraknöi, Martinovics 6s tärsaina kösres- 
küvése, Budapest 1880) und in Süddeutsch- 
land (vgl. Heigel, Das Projekt einer süddeutschen 
Republik im Jahre 1800, in Raumers „Histor. 
Taschenbuch“ 1871). Die beiden Hauptparteien 
in der französischen Revolution, Girondisten und 
Bergpartei, waren (nach Du role de la Fr. 
Mag. au dix-neuvieme siecle 9 #) nur der 
äußere Ausdruck der zwei Hauptrichtungen in der 
französischen Freimaurerei des 18. Jahrh., von 
welchen die erstere dem Individualismus, die 
letztere („Martinisten“: theosophische IIluminés, 
die mit den Illuminaten nicht zu verwechseln sind) 
einem schwärmerischen Sozialismus huldigte. — 
Vgl. auch A. Barruel, Mémoires pour servir 
à Fhistoire du Jacobinisme (4 Bde, 1797); 
A. Aulard, La Société des Jacobins (6 Bde, 
1889/97). 
3. Der „Carbonari“-Bund steht ungefähr 
im selben Verhältnis zu den Köhlergesellschaften, 
an deren Gebräuche er anknüpft, wie die Frei- 
maurerei zu den Baukorporationen. Wie es scheint, 
ging der Anstoß zur Gründung des „politischen 
revolutionären“ Carbonari-Bundes von der durch 
General Oudet umgestalteten Freimaurerloge Les 
Philadelphes in Besancgon bzw. von deren Mit- 
gliedern aus. Die neue, dem fortschrittlichen, 
republikanisch gesinnten Teile der Freimaurerei 
eng angegliederte Verbindung breitete sich zunächst 
unter Beihilfe der Logen, welche infolge der fran- 
zösischen Okkupation hier sehr in Blüte gekommen 
waren, in Italien aus. Um die katholische Be- 
Gesellschaften, geheime. 
  
  
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völkerung zu gewinnen, wurden in den niederen 
Graden selbst christliche Abzeichen und Gebräuche 
beibehalten und die revolutionären Tendenzen ver- 
hüllt. Als Zweck wurde vorgegeben, „die Unab- 
hängigkeit und Einigung des zerstörten Vater- 
landes“ und „größere Sittlichkeit und — Fröm- 
migkeit zu bewirken“ (Wit). Erst im 7. Grad 
enthüllte sich vor dem Principe Summo Patri- 
archa das Geheimnis der Revolution, Umsturz 
von Thron und Altar, völlig. Die einzelnen 
Venten bestanden aus nicht mehr als 20 Mit- 
gliedern. Jede Venta hatte einen Präsidenten, 
Zensor und Abgeordneten. Die Abgeordneten der 
einzelnen Venten bildeten zusammen die Zentral- 
venten. Diese standen wieder unter einer „höchsten 
Venta“. Die Mitglieder verschiedener Venten 
mußten sich unbekannt bleiben. Jeder Carbonaro 
war verpflichtet, den Befehlen der höchsten Venta 
blinden Gehorsam zu leisten. Über den Sitz oder 
die Personen der höchsten Regierung Nachfor- 
schungen anzustellen, war streng verboten. Schwere 
Pflichtverletzung, namentlich Verletzung des Ge- 
heimnisses, wurde mit dem Tode bestraft. Jeder 
Carbonaro mußte im Besitz von Gewehr, Muni- 
tion und Bajonett sein (vgl. Plaidoyer de M. 
de Marchangy, avocat général à la Cour 
Royale de Paris, dans la conspiration de La 
Rochelle [Löwen 1822] 11 f) und auf Befehl 
selbst marschieren. Bereits 1820 zählte man im 
Königreiche beider Sizilien 640 000 und 1822 
in Frankreich mehr als 62.000 Mitglieder. Die 
oberste Leitung bediente sich des Bundes zunächst 
gegen Napoleon I., dann aber auch gegen die 
legitimen Fürsten. Die heutigen italienischen Frei- 
maurer bezeugen offen die enge Verbindung zwischen 
Freimaurerei und Carbonari-Bund: In ltalia 
la Massoneria generb la Carbonaria usw. 
(Rivista 1882, 242; 1887, 186 usw.). — Vgl. 
Ferd. Joh. Wit, genannt von Dörring, Frag- 
mente aus meinem Leben und meiner Zeit (3 Bde, 
1827/30); Eckert, Magazin, 5. Hft. 152 ff; 
Scheben, Periodische Blätter 1876, 16 f; Asträa 
V (1830) 198 ff; G. Kloß, Bibliographie der 
Freimaurerei usw. (1844, Nr 3611 ff). 
4. „Iung-talien" heißt ein von dem be- 
rühmten revolutionären Agitator Br.-. Giuseppe 
Mazzini 1831 ins Leben gerufener Geheimbund, 
welcher auf die Gestaltung der Dinge in Italien 
1831/70 den entscheidendsten Einfluß übte. Der 
Bund beruhte auf der Idee Mazzinis, daß das 
von der Fremdherrschaft und der Priester= und 
Fürstengewalt befreite und national geeinigte 
Italien berufen sei, im zauberkräftigen Namen des 
dritten Roms, des auf das Rom der Cäsaren und 
der Päpste folgenden Roms des Volkes, den An- 
stoß zur dritten großen und vollkommensten Ver- 
einigung der Menschheit zu geben (G. Mazzini, 
Scritti editi et inediti (Mailand u. Rom 1861 
bis 18917 XI 81; 1 149; III 269; IV 38; 
VI 170; VII 14, 238; XVI 141; XVIII 63) 
und die Verbrüderung der freien und autonomen,
	        
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