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ganisation der landwirtschaftlichen Dienstboten
unternimmt zur Zeit Georg Heim in Bayern.
Die betreffenden Vereine setzen sich eine umfassende
Besserung des gesamten ländlichen Dienstboten-
wesens zum Ziel; eine ihrer Hauptbestrebungen geht
auf Gewährung von Unterstützungen zur Ermög-
lichung des Erwerbes von kleinen bäuerlichen An-
wesen durch ihre Mitglieder.
Literatur. Die Kommentare zu den G. ord-
nungen: Posseldt-Lindenberg (71907) für Preußen,
v. Bernewitz für Sachsen, Schmid für Sachsen-
Weimar-Eisenach, Mühlenbein für Anhalt, Ram-
pacher für Württemberg; ferner die Kommentare
zu den Ausführungsgesetzen zum B. G. B. (für
Preußen Reimer-Böhlau, für Bayern Henle-
Schneider usw.); Becher, Die Ausführungsgesetze
zum B. G. B. (1899/1900); Geßler, Bayr. Dienst-
botenrecht (1908); Klein, Das preußische G recht
(1908; alphab. geordn. Nachschlagebuch); sodann
Kähler, G.wesen u. G. recht in Deutschland (18960);
v. Olhafen, Dienstbotenwesen in Bayern; Keidel
in der Bayr. Gemeindezeitung, 10. Jahrg., Nr 12
bis 15; Blätter für Rechtsanwendung zunächst in
Bayern, 65. Jahrg., S. 201 ff; Dienstbotenord-
nung für das Erzherzogtum Österreich unter der
Enns (mit Ausnahme von Wien), Gesetz vom
22. Jan. 1877 (1884); Österr. Staatswörterbuch
von Mischler u. Ulbrich 12 155; Handwörterbuch
der Staatswissenschaften von Conrad usw. IVI2
(v. Brünneck); s. auch Deutsche Juristenzeitung,
5. Jahrg., Nr 23, Literaturangaben.
Stillich, Lage der weibl. Dienstboten in Berlin
(1904); van der Borght, Sozialpolitik (1906);
Aug. Pieper, Die Dienstbotenfrage (1908); Georg
Heim, Die ländlichen Dienstbotenorganisationen;
Soziale Praxis XVI, XVII u. XVIII; Soziale
Kultur 1908, 438; Soziale Revue 1907/09; Jahr-
bücher für Nationalökonomie u. Statistik 1908,
274.— [Menzinger.)]
Gesundheitspflege, öffentliche; Ge-
sundheitspolizei. [I. Gesundheitspflege.
1. Allgemeine Gesundheitsbedingungen, Statistik
und Wissenschaft, Bakterienkunde. Allgemeine
Verhältnisse und Verbesserung derselben: Luft,
Boden, Wasser, Wohnung und Besiedlung. 2. Be-
sondere Verhältnisse. Hygiene der Städte, Bau-
ordnung, Kanalanlagen, Wohnungsschau; Hygiene
der Schulen, Krankenanstalten, gewerblichen Unter-
nehmungen, Militärhygiene, Hygiene des Ver-
kehrs. Aufgabe der Vereine, Gemeinden, des
Staates. II. Gesundheitspolizei. Vorbeugung bei
Blattern, Syphilis, Tuberkulose, Cholera. Heil-
personal.)
Unter den Begriff „öffentliche Gesundheits-
pflege“ fallen alle Veranstaltungen, Vorkehrungen
und Maßregeln, welche mittelbar oder unmittelbar
Förderung und Schutz der Gesundheit bezwecken,
insoweit diese Aufgabe durch das einzelne Indi-
viduum oder die Familie nicht gelöst werden kann.
Alles, was der einzelne in dieser Hinsicht für sich
und seine nächste Umgebung selbst zu tun vermag,
fällt unter die individuelle oder private Hygiene.
Diese ist also die Voraussetzung und unentbehr-
liche Begleiterin der sozialen oder öffentlichen
Gesundheitspflege usw.
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Hygiene. Aber der einzelne besitzt nicht immer Ein-
sicht und guten Willen genug, oder wenn beides
vorhanden ist, fehlen hinreichende Befähigung,
Macht und Mittel, um allgemeine gesundheitliche
Gefahren von sich und andern abzuwehren. Da
tritt dann das Ganze für den Teil, die Gesell-
schaft für den einzelnen ein. Die soziale Gesund-
heitspflege ergänzt und erweitert die individuelle,
die öffentliche tritt an die Stelle der privaten. —
Wenn jeder Mensch die Pflicht hat, nach Kräf-
ten für seine Gesundheit zu sorgen, solange und
in dem Umfange, als nicht höhere Pflichten diese
aufheben, wenn somit jeder Mensch ein natürliches
Recht auf Schutz seiner Gesundheit besitzt, so ist
die Pflicht der Gesellschaft zweifellos, diesen
Schutz zu gewähren, soweit ihn der einzelne sich
nicht geben kann. Der Schutz, den gemeinsames
Arbeiten und einträchtiges Handeln der Gesamt-
heit dem Individuum verleiht, erhält und sichert
wieder den Bestand der Gesellschaft selbst. Denn
die sichersten Hilfsquellen des Erwerbs und Wohl-
standes entfließen der körperlichen und geistigen
Tüchtigkeit (der mens Sana in corpore sano)
vieler einzelnen, und nichts erhöht die nationale
Leistungsfähigkeit nach innen und außen so sehr
als die Hebung des allgemeinen Volksgesundheits-
zustandes. Mit der Pflicht der Gesellschaft, die
öffentliche Gesundheit zu pflegen, geht Hand in
Hand das Recht, die zum Schutze der Gesund-
heit zweckdienlichen Mittel aufzusuchen und die
gefundenen — gegebenenfalls unter Anwendung
von Zwang — zu gebrauchen. Das Aufsuchen,
Bestimmen und Verbreiten der die öffentliche Ge-
sundheit fördernden und erhaltenden Mittel ist
Sache der „öffentlichen Gesundheitspflege“; die
gesetzliche UAnwendung, Durchführung und Über-
wachung derselben Sache der „Gesundheitspolizei“.
Beide Begriffe faßt man wohl auch unter der ge-
meinsamen Bezeichnung „öffentliches Sanitäts-
wesen“ zusammen.
II. SGesundheitspstege. Im weiteren Sinne
wäre jede Veranstaltung öffentlicher Art, welche
dazu bestimmt oder geeignet ist, Leib und Leben
zu schützen, als Ausfluß der öffentlichen Gesund-
heitspflege zu betrachten. Indessen pflegt man
Einrichtungen, welche mit dem Leben und der Ge-
sundheit auch das Eigentum vor Schaden be-
wahren, wie Vorkehrungen gegen Feuersgefahr,
Häusereinsturz, Uberschwemmung, oder Maßregeln,
welche zur Verhütung körperlicher Unfälle im Ge-
werbebetriebe und Verkehrswesen dienen, gewöhn-
lich nicht zur öffentlichen Gesundheitspflege zu
rechnen, sondern als allgemeine Wohlfahrtsein-
richtungen anzusehen und der allgemeinen Sicher-
heitspolizei zu unterstellen. Ferner betrachtet man
die auf Verbesserung des Loses der Arbeiter ge-
richteten Maßnahmen wesentlich als sozialpolitische
Aufgaben und fördert sie, wie auch das Urbar-
machen von Moorstellen, das Austrocknen von
Sümpfen, die Aufforstung kahler Bergrücken, die
Regulierung von Flußläufen, Anlage von Tal-