Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Krankheiten, besonders der epidemisch leicht um 
sich greifenden, in sich. 
Hygiene und Statistik. Es ist die 
Hygiene als Wissenschaft, welche diese Ge- 
fahren zu ergründen sucht und Schutz gegen sie 
lehrt. Da die Gesundheitspflege die praktische 
Betätigung der Lehren dieser Wissenschaft ist, 
so hängen die Erfolge der ersteren von der Aus- 
bildung und Pflege der letzteren wesentlich ab. 
Die wichtigste Aufgabe der wissenschaftlichen Hy- 
giene ist die Erforschung der Krank- 
heitsursachen. In diesem Punkte begegnen 
sich Hygiene und Medizin und bekunden ihre 
untrennbare Zusammengehörigkeit. Die Hygiene 
richtet ihr Augenmerk vorzüglich auf die außerhalb 
des Körpers sich entwickelnden, von außen an ihn 
herantretenden Krankheitsursachen, besonderssolche, 
welche seuchenartige Krankheiten erzeugen, sei es 
daß diese an bestimmte Lokalitäten geknüpft sind 
(Endemien), oder daß sie zeitweise bald hier bald 
dort auftreten und sich in ihrem Umsichgreifen 
nicht an bestimmte Grenzbezirke halten (Epide- 
mien). Auch die chronischen Volksseuchen (Tuber- 
kulose, Syphilis), alle parasitären, von Tier auf 
Tier oder vom Tier auf den Menschen über- 
gehenden Krankheiten sowie überhaupt alle sog. 
infektiösen (zymotischen) Krankheiten sucht die 
Hygiene bezüglich ihrer Herkunft (Atiologie), 
ihres Zustandekommens (der auf ihre Entstehung 
Bezug habenden sekundären Ursachen) und ihrer 
Verbreitung (der ihr Umsichgreifen begünstigenden 
Verhältnisse) zu ergründen, um auf diesem Wege 
die Mittel zu ihrer wirksamen Bekämpfung zu 
erlangen. 
Das älteste (empirische) Mittel wissenschaftlicher 
Forschung zur Aufdeckung der Krankheitsursachen 
ist die Statistik. Wenn es möglich wäre, die 
Krankheitsfälle eines Landes nach Zahl, Schwere, 
Alter der Erkrankten usw. insgesamt jährlich zu 
sammeln und zu ordnen, so würden auf Grund 
der so gewonnenen Daten die zeitlichen und ört- 
lichen Krankheitsschwankungen deutlich hervortreten 
und Fingerzeige gewonnen werden, welche die 
Quellen der Krankheiten und ihr Ausströmen von 
einzelnen Herden, die Verschleppung der Krank- 
heitsstoffe und auch die an Stellen gleicher Inten- 
sität mitwirkenden gleichen Hilfsursachen verraten 
würden. Da jedoch weder alle Krankheiten in 
ärztliche Behandlung kommen (auf dem Lande er- 
fahrungsgemäß nur ein Bruchteil selbst der an- 
steckendsten Krankheiten), noch dem Arzte zugemutet 
werden kann, die erforderlichen mühsamen und 
zeitraubenden Zusammenstellungen aus seinen Bü- 
chern alljährlich auszuziehen, dann aber auch 
diagnostische Irrtümer und ärztliche Diskretion 
eine nur halbwegs genügende Genauigkeit nicht 
erreichbar erscheinen lassen, so ist die Morbidi- 
tätsstatistik von vornherein auf einen verhält- 
nismäßig kleinen Kreis eingeschränkt, nämlich auf 
Gesundheitspflege usw. 
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bleibt es der freiwilligen Arbeit einzelner Arzte 
überlassen, die notwendigen Auszüge vorzunehmen 
und in die zu diesem Zwecke vorhandenen For- 
mulare einzutragen. In Deutschland werden seit 
1877 durch das Kaiserliche Gesundheitsamt die 
Morbiditätsstatistiken einer großen Zahl von 
Krankenanstalten monatlich bzw. jährlich ver- 
öffentlicht. Dieselben haben namentlich in Ver- 
bindung mit den auf demselben Wege gesammelten 
Mortalitätsstatistiken der betreffenden Kranken- 
häuser einen gewissen Wert, denn die Kranken- 
bewegung großer Städte spiegelt sich ziemlich ge- 
treu in den Krankenhäusern derselben wider. 
Für die allgemeine Todesfallstatistik 
liegen in den Ländern mit geordneter Zivilverwal- 
tung, wo sorgfältige Beurkundungen der Geburten, 
Eheschließungen und Todesfälle vorgenommen und 
genaue Volkszählungen in nicht zu langen Zwischen- 
räumen regelmäßig wiederholt werden, die Ver- 
hältnisse schon günstiger, wenngleich auch betreffs 
der Todesursachen infolge Unkenntnis derselben 
(beiplötzlichen Sterbefällen), absichtlicher Irrtums- 
erregung, Verschweigens oder fehlerhafter Diagnose 
nur annähernd genaue Daten erwartet werden 
dürfen. Im allgemeinen läßt sich aus der Höhe 
der Sterbeziffer, d. h. der Zahl, welche angibt, 
wie viele von 1000 oder 10000 Lebenden inner- 
halb eines Jahres gestorben sind, ohne weiteres 
noch kein sicherer Schluß auf den zeitweiligen Ge- 
sundheitszustand einer Bevölkerung ziehen und 
ebensowenig durch Vergleich der Sterbeziffern des- 
selben Bezirks oder verschiedener Teile eines Landes 
aus verschiedenen Monaten oder Jahren unter sich. 
Nur durch gesonderte Berücksichtigung der verschie- 
denen Altersklassen (ganz besonders der Säuglinge 
und der ersten fünf Lebensjahre) und Geschlech- 
ter sowie durch Vergleich der bezüglichen Sterbe- 
ziffer mit den Lebenden der betreffenden Altersklasse 
(der weiblichen und männlichen wieder gesondert) 
lassen sich einigermaßen zuverlässige Uberblicke ge- 
winnen. Die Zahl der Lebenden jeder Altersklasse 
läßt sich freilich auch nur annähernd genau (als 
Mittelzahl auf Grund der Ergebnisse wiederholter 
Volkszählungen) bestimmen, da in Wirklichkeit 
diese Zahl durch hohe oder niedere Geburtsziffern, 
durch Zuzug oder Wegzug steten Schwankungen 
unterliegt. Der Überschuß der männlichen über 
die weiblichen Geburten wird durch eine höhere 
Sterbeziffer der Männer ausgeglichen; die Sterbe- 
ziffer der Frauen ist durchgängig in allen Alters- 
klassen niedriger als die der Männer. Die größere 
Sterblichkeit in den Städten gegenüber dem Lande 
beruht fast ausschließlich auf der größeren Säug- 
lingssterblichkeit in den ersteren. 
  
Erst seit wenigen Jahren hat man angefangen, 
die Todesfallstatistiken auf der vorhin erwähnten 
richtigen Grundlage aufzustellen. Dabei hat sich 
z. B. betreffs der Schwindsucht ergeben, daß die 
seit Hippokrates bis auf unsere Tage festgehaltene 
diejenigen größeren Krankenhäuser, in welchen Annahme von der relativ größten Gefährdung 
sorgfältige Krankenjournale geführt werden. Hier des jugendlichen Alters (18. bis 35. Jahr) durch
	        
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