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Landes zu Nationalkonzilien zu versammeln und
auf diesen den Vorsitz zu führen, so ist dies nur
in vereinzelten Fällen zutreffend und immer ein
Ergebnis, dessen Faktoren einen politischen Hinter-
grund haben. In unserer Zeit ist überall die Pri-
matialwürde nur noch Ehrentitel ohne Juris-
diktion, und in diesem Sinn tragen noch jetzt die
Exzbischöfe von Toledo, Tarragona, Rouen, Me-
cheln, Salzburg, Prag, Gnesen-Posen, Gran,
Armagh den Namen Primas.
Von denhierarchischen Zwischenstufen der älteren
Zeit hat sich nur eine bis auf unsere Zeit erhalten,
die der Metropoliten oder Erzbischöfe. Dieselbe
erscheinthistorisch als die erste und älteste und bildet
für die beiden andern die Grundlage und Vor-
bedingung. Die Phasen ihrer allmählichen Ent-
stehung ergeben sich ganz einfach und naturgemäß
aus dem eigenartigen Gang der räumlichen Aus-
breitung des Christentums und der innerhalb fester
territorialer Grenzen stetig fortschreitenden Be-
gründung kirchlicher Gemeindeverbände. Der Keim
oder Kern des Bildungsprozesses selbst ist nach-
weislich schon von den ersten Verkündern der christ-
lichen Lehre und Stiftern der ersten christlichen
Gemeinden, den Aposteln, gelegt. Diese wandten
sich zunächst an die volkreicheren Provinzialhaupt=
städte, und hier in diesen politischen und bürger-
lichen Metropolen erstanden die ersten christlichen
Gemeinden oder Kirchen. Bei dem Verkehr, der
zwischen diesen und den übrigen Ortschaften der
Provinz stattfand, zählte das Christentum bald
über die Provinz zerstreut viele Gläubige, die als
jener Gemeinde zugehörig betrachtet wurden, wie
wir dies namentlich aus dem zweiten Korinther=
brief 1, 1 ersehen (vgl. Hefele, Konziliengeschichte
1 365)0. Als nun aber die Vermehrung der Gläu-
bigen in den einzelnen Teilen der Provinz die
Begründung eigener Verbände oder Gemeinden
notwendig machte, so blieb nach wie vor, wenn
auch in anderer Form, dieses Band der Zusam-
mengehörigkeit bestehen, indem diese Gemeinden
oder Kirchen mit ihren Bischöfen zu der Haupt-
Episkopat.
und Mutterkirche und deren Bischof in ein Ver-
hältnis der Unterordnung und Abhängigkeit traten.
Mit dem Abschluß dieser Entwicklung bildeten
dann die einzelnen Diözesen oder Bistümer einer
Provinz eine insich geschlossene, einheitliche Gruppe,
welche in dem Bischof der politischen Metropole
ihren Gravitations= und Einigungspunkt hatte.
Diese Organisation oder kirchliche Verfassungs-
sorm erhielt mit Rücksicht auf das Hauptmoment
derselben den Namen Metropolitanverband, und
dessen Träger hieß Metropolit und später Erz-
bischo
Ist somit auch die kirchliche Metropolitan-
verfassung im innigsten Zusammenhang mit der
politischen Territorialeinteilung entstanden, so darf
man doch hierin keineswegs ein Wahrzeichen dafür
finden wollen, daß sich die Kirche nicht aus sich
selbst, sondern unter dem unmittelbaren Einfluß
staatlicher Verfassungsformen organisiert habe. Es
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sind bei der angedeuteten Entwicklung für die
Kirche immer ihre eigenen Motive und Interessen
allein maßgebend gewesen. Mit Rücksicht auf diese
kamen auch von der Regel des alten Rechts, daß
die kirchliche Provinzialeinteilung mit der bürger-
lichen zusammenfallen solle, vielfache Abwei-
chungen vor.
Die höhere hierarchische Stufe oder die hervor-
ragende Stellung, welche die Metropoliten oder
Erzbischöfe über die dem Metropolitanverband
angehörigen Bischöfe einnahmen, beruhte auf be-
stimmten Jurisdiktionsbefugnissen, welche ihnen
über diese zustanden. Zu denselben gehören: 1) das
Recht der Ordination der Bischöfe ihrer Provinz;
2) das Recht, Provinzialkonzilien abzuhalten und
auf denselben die Leitung der Verhandlungen zu
führen; 3) das Recht, Appellationen gegen die
Urteile der bischöflichen Gerichte anzunehmen;
4) das Recht der Oberaufsicht über die Amts-
führung der Bischöfe und im Zusammenhang da-
mit das Recht, die Strafgerichtsbarkeit über sie
auszuüben, allein oder mit Hinzuziehung der Pro-
vinzialbischöfe.
Im Orient war diese kirchliche Provinzial-
organisation schon im Beginn des 4. Jahrh. in
ihren Haupt= und Grundzügen vollendet (c. 4 des
Konzils zu Nizäa); die Mitteilungen aus dem 4.
und 5. Jahrh. über die Abhaltung vieler Provin-
zialkonzilien bezeugen dasselbe auch für die ein-
zelnen Länder des Abendlandes.
In denchristlich-germanischen Reichen, vorzugs-
weise im Frankenreich, verlor jedoch der Metro-
politanverband bald seine praktische Bedeutung
und löste sich im Verlauf des 7. Jahrh. allmäh-
lich ganz auf. Es hing dies mit der eigenartigen
Entwicklung der äußeren kirchlichen Verhältnisse
zusammen, welche hier dadurch eintrat, daß die
Bischöfe zugleich Träger politischer Rechte und
Vasallen der fränkischen Könige waren. Durch
dieses politische Band wurde das kirchliche immer
mehr in den Hintergrund gedrängt und kam um
so weniger zur Geltung, als in jener Zeit die
Könige die Ernennung der Bischöfe tatsächlich vor-
nahmen unddie gemeinsamen kirchlichen Angelegen-
heiten wie Reichsangelegenheiten auf den Reichs-
tagen verhandelt wurden.
Gegen Mitte des 8. Jahrh. gelang es den Be-
mühungen des hl. Bonifatius unter Mitwirkung
Pippins, die Wiederherstellung der Metropoli-
tanverfassung im Interesse der kirchlichen Diszi-
plin durchzusetzen; jedoch machte bald die miß-
bräuchliche Ausübung der dadurch begründeten
Rechte seitens der Metropoliten zur Sicherung der
bischöflichen Amtsführung eine Verringerung der-
selben notwendig. Diese erfolgte in der Weise,
daß die Päpste zunächst der Ausübung der Straf-
gerichtsbarkeit gegen die Bischöfe engere Grenzen
zogen, speziell das Recht der Absetzung der Bischöfe,
das Recht der Prüfung und Bestätigung der Bi-
schofswahl (s. d. Art.) und das Konsekrationsrecht
aus dem ius metropoliticum auslösten und ferner-