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licher Ventilation (Aspirations= oder Pulsions-
system) Bedacht zu nehmen. Ferner sind Einrich-
tungen für gleichmäßige Erwärmung (Niederdruck-
dampfheizung), Reinhaltung der Gänge, Treppen
und Böden von Staub (wozu eine sorgfältige Aus-
wahl des Bodenbelagmaterials gehört) zu treffen;
zweckmäßige Anlage der Aborte, Ausgußbecken,
Pissoirs, Regenableitung, Wasch= und Badeein-
richtungen, kurz, der gesamten Entwässerungs-
anlagen, luftdichte Herrichtung des Kellerbodens
(gestampfte Lehmschicht mit gemauertem Estrich
oder Beton bzw. Asphaltbelag), endlich geeignete
Vorrichtungen für künstliche Beleuchtung dürfen
nicht fehlen, wenn die Atmungsluft hinsichtlich
ihrer Reinheit den Forderungen der öffentlichen
Gesundheitspflege entsprechen soll.
Die Durchlässigkeit des Bodens für Luft und
Wasser ist seine wichtigste uns hier interessierende
Eigenschaft. Dieselbe ist abhängig von seiner
geologischen Beschaffenheit. Ton vermag bis zu
70 Gewichtsprozent Wasser zu fassen, Humus
sogar bis zu 181. Während aber Sand und
Kies für Luft und Wasser selbst im nassen Zu-
stande durchlässig bleiben, ist dies bei nassem Ton
(Lehm usw.) nicht der Fall, weil die engen kapil-
larenähnlichen Poren das einmal ausgenommene
Wasser für lange Zeit festhalten. Trockene Ton-
schichten saugen dagegen das Grundwasser stark
auf. Deshalb ist lehmhaltiger Boden als Unter-
grund menschlicher Wohnungen ungesund; gesund
hingegen sind löckeres Quarzgeröll und Sand-
schichten. Die Wichtigkeit der Bodenbeschaffen-=
heit und der Vegetation, die den Boden bedeckt,
für die Verteilung des Wassers auf der Erdober-
fläche ist bekannt. Die atmosphärischen Nieder-
schläge, welche der Boden aufnimmt, werden im
Waldgebirge durch das Laub und den Waldgrund
(Moos-- und Humusdecke) zurückgehalten und
fließen nur langsam ab, während kahle Gebirge
zu Überschwemmungen Anlaß geben. In Tief-
waldungen mit wenig durchlässigem Boden bilden
sich jedoch Sümpfe und Moore, welche das Ent-
stehen von Gicht, Rheumatismus, Malaria usw.
begünstigen. Das Wasser, welches den Boden
durchdringt, nimmt diejenigen Mineralien in
Lösung auf, welche es auf seinem Wege antrifft.
Ist der Untergrund kalkhaltig, so ist es auch das
Trinkwasser und wird leichter als anderes Wasser
zu Kalkablagerungen in den Knorpeln, Arterien
usw. Anlaß geben. Kohlensaurer Magnesiumkalk
(Dolomit-, Jurakalk) verursacht, nach Biermer,
Kropf und Kretinismus, die in Gebieten von ge-
nannter geologischer Formation endemischherrschen.
Im Boden spielt nach v. Pettenkofer das Grund-
wasser bzw. sein Steigen und Fallen für die Er-
zeugung von Krankheiten eine große Rolle. Dabei
haben die Formation des Untergrundes, die Boden-
wärme und die äußere Temperatur eine entschei-
dende Mitwirkung. Wenn der Untergrund der
Häuser mit organischen Abfallstoffen durchsetzt ist,
so schwemmt das Grundwasser beim Steigen diese
Gesundheitspflege ufw.
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Stoffe in die oberflächlichen Bodenschichten, wo
sie zurückbleiben und namentlich bei eintretender
Hitze und bei raschem Sinken des Grundwassers
weiterer Zersetzung anheimfallen; die vorhandenen
Mikroorganismen finden dann die Bedingungen
zu üppigem Wachstum vor. Wie wir oben hörten,
hält v. Pettenkofer und mit ihm zahlreiche Hygie-
niker an der hervorragenden Bedeutung des Bo-
dens für Entstehung und Verbreitung namentlich
von seuchenartigen Krankheiten (wie Typhus,
Ruhr, Cholera) fest. Nach ihm sind die spezifischen
Pilze nur der Funke, der das im Boden vorhan-
dene Pulver beim Einfahen entzündet, der aber
unwirksam bleibt, sobald die Bodenverhältnisse
von guter sanitärer Beschaffenheit sind.
Der segenbringende Einfluß der Trocken-
legung des Bodens durch Entwässerung des-
selben auf die Abnahme der Tuberkulose ist schon
berührt. Der Boden der Städte kann außer durch
Abfall= und Auswurfstoffe durch Leuchtgas, Ar-
senik, Blei, Quecksilber, Leimsiedereien, Färbereien,
Wollwäschereien usw. verunreinigt werden. Dich-
lung der Röhrenleitungen, Reinigung der gewerb-
lichen Ablaufwasser, bevor sie in den Boden ver-
senkt oder den Wasserläufen (Flüssen) zugeführt
werden, Beseitigung aller Senken, Versitzgruben,
selbst gemauerter und zementierter Abortgruben
(deren Dichtung auf die Dauer unmöglich ist),
durch anderweitig geregelte Abfuhr, Kanalisation,
Rieselfelderanlage usw. (Abschwemmung der orga-
nischen Abfallstoffe insgesamt) erhalten den Boden
rein und seuchenfrei.
Nächst der Luft ist das Wasser das unent-
behrlichste Lebenselement, wie schon das Verhält-
nis des Wassergehalts im Körper zur Trocken-
substanz desselben (100: 30) anzeigt. Wasser
kann durch zu großen Gehalt an Mineralstoffen
(Eisen, Magnesia, Kalk, Gipsusw.)weniger brauch-
bar und gesund sein; ungenießbar, d. h. gesund-
heitsschädlich wird es erst, wenn es reich an or-
ganischen Substanzen ist; alsdann enthält es fast
stets salpetrige Säure und Ammoniakverbindungen,
namentlich aber Mikroorganismen, nicht selten
spezifische (Typhusbazillen usw.). Außerdem kann
das Wasser bleihaltig werden (Pumpenstiefel, Blei-
röhrenleitung) oder andere mineralische Giftstoffe
mit dem Grundwasser aufnehmen, die aus chemi-
schen Fabriken stammen (Arsenik, Quecksilberver-
bindungen usw.). Nicht selten ist auch selbst das
Leitungswasser durch Algen stark verunreinigt.
Die Hauptquelle der Verunreinigung des Wassers
mit organischer Materie und Spaltpilzen sind in
der Nähe der Brunnen gelegene Abortgruben,
Senken, Dungstätten, Ställe, Abdeckereien usw.
Auch unzweckmäßig angelegte Begräbnisplätze sind
hier in Betracht zu ziehen. Man prüft das Wasser
auf seinen organischen Gehalt durch Zusatz von
übermangansaurem Kali (Chamäleonprobe), ferner
nach dem Vorgange von R. Koch bakteriologisch.
Daß Typhusepidemien durch Wasser verbreitet
werden können, läßt sich nach dem genauen Stu-