Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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licher Ventilation (Aspirations= oder Pulsions- 
system) Bedacht zu nehmen. Ferner sind Einrich- 
tungen für gleichmäßige Erwärmung (Niederdruck- 
dampfheizung), Reinhaltung der Gänge, Treppen 
und Böden von Staub (wozu eine sorgfältige Aus- 
wahl des Bodenbelagmaterials gehört) zu treffen; 
zweckmäßige Anlage der Aborte, Ausgußbecken, 
Pissoirs, Regenableitung, Wasch= und Badeein- 
richtungen, kurz, der gesamten Entwässerungs- 
anlagen, luftdichte Herrichtung des Kellerbodens 
(gestampfte Lehmschicht mit gemauertem Estrich 
oder Beton bzw. Asphaltbelag), endlich geeignete 
Vorrichtungen für künstliche Beleuchtung dürfen 
nicht fehlen, wenn die Atmungsluft hinsichtlich 
ihrer Reinheit den Forderungen der öffentlichen 
Gesundheitspflege entsprechen soll. 
Die Durchlässigkeit des Bodens für Luft und 
Wasser ist seine wichtigste uns hier interessierende 
Eigenschaft. Dieselbe ist abhängig von seiner 
geologischen Beschaffenheit. Ton vermag bis zu 
70 Gewichtsprozent Wasser zu fassen, Humus 
sogar bis zu 181. Während aber Sand und 
Kies für Luft und Wasser selbst im nassen Zu- 
stande durchlässig bleiben, ist dies bei nassem Ton 
(Lehm usw.) nicht der Fall, weil die engen kapil- 
larenähnlichen Poren das einmal ausgenommene 
Wasser für lange Zeit festhalten. Trockene Ton- 
schichten saugen dagegen das Grundwasser stark 
auf. Deshalb ist lehmhaltiger Boden als Unter- 
grund menschlicher Wohnungen ungesund; gesund 
hingegen sind löckeres Quarzgeröll und Sand- 
schichten. Die Wichtigkeit der Bodenbeschaffen-= 
heit und der Vegetation, die den Boden bedeckt, 
für die Verteilung des Wassers auf der Erdober- 
fläche ist bekannt. Die atmosphärischen Nieder- 
schläge, welche der Boden aufnimmt, werden im 
Waldgebirge durch das Laub und den Waldgrund 
(Moos-- und Humusdecke) zurückgehalten und 
fließen nur langsam ab, während kahle Gebirge 
zu Überschwemmungen Anlaß geben. In Tief- 
waldungen mit wenig durchlässigem Boden bilden 
sich jedoch Sümpfe und Moore, welche das Ent- 
stehen von Gicht, Rheumatismus, Malaria usw. 
begünstigen. Das Wasser, welches den Boden 
durchdringt, nimmt diejenigen Mineralien in 
Lösung auf, welche es auf seinem Wege antrifft. 
Ist der Untergrund kalkhaltig, so ist es auch das 
Trinkwasser und wird leichter als anderes Wasser 
zu Kalkablagerungen in den Knorpeln, Arterien 
usw. Anlaß geben. Kohlensaurer Magnesiumkalk 
(Dolomit-, Jurakalk) verursacht, nach Biermer, 
Kropf und Kretinismus, die in Gebieten von ge- 
nannter geologischer Formation endemischherrschen. 
Im Boden spielt nach v. Pettenkofer das Grund- 
wasser bzw. sein Steigen und Fallen für die Er- 
zeugung von Krankheiten eine große Rolle. Dabei 
haben die Formation des Untergrundes, die Boden- 
wärme und die äußere Temperatur eine entschei- 
dende Mitwirkung. Wenn der Untergrund der 
Häuser mit organischen Abfallstoffen durchsetzt ist, 
so schwemmt das Grundwasser beim Steigen diese 
Gesundheitspflege ufw. 
  
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Stoffe in die oberflächlichen Bodenschichten, wo 
sie zurückbleiben und namentlich bei eintretender 
Hitze und bei raschem Sinken des Grundwassers 
weiterer Zersetzung anheimfallen; die vorhandenen 
Mikroorganismen finden dann die Bedingungen 
zu üppigem Wachstum vor. Wie wir oben hörten, 
hält v. Pettenkofer und mit ihm zahlreiche Hygie- 
niker an der hervorragenden Bedeutung des Bo- 
dens für Entstehung und Verbreitung namentlich 
von seuchenartigen Krankheiten (wie Typhus, 
Ruhr, Cholera) fest. Nach ihm sind die spezifischen 
Pilze nur der Funke, der das im Boden vorhan- 
dene Pulver beim Einfahen entzündet, der aber 
unwirksam bleibt, sobald die Bodenverhältnisse 
von guter sanitärer Beschaffenheit sind. 
Der segenbringende Einfluß der Trocken- 
legung des Bodens durch Entwässerung des- 
selben auf die Abnahme der Tuberkulose ist schon 
berührt. Der Boden der Städte kann außer durch 
Abfall= und Auswurfstoffe durch Leuchtgas, Ar- 
senik, Blei, Quecksilber, Leimsiedereien, Färbereien, 
Wollwäschereien usw. verunreinigt werden. Dich- 
lung der Röhrenleitungen, Reinigung der gewerb- 
lichen Ablaufwasser, bevor sie in den Boden ver- 
senkt oder den Wasserläufen (Flüssen) zugeführt 
werden, Beseitigung aller Senken, Versitzgruben, 
selbst gemauerter und zementierter Abortgruben 
(deren Dichtung auf die Dauer unmöglich ist), 
durch anderweitig geregelte Abfuhr, Kanalisation, 
Rieselfelderanlage usw. (Abschwemmung der orga- 
nischen Abfallstoffe insgesamt) erhalten den Boden 
rein und seuchenfrei. 
Nächst der Luft ist das Wasser das unent- 
behrlichste Lebenselement, wie schon das Verhält- 
nis des Wassergehalts im Körper zur Trocken- 
substanz desselben (100: 30) anzeigt. Wasser 
kann durch zu großen Gehalt an Mineralstoffen 
(Eisen, Magnesia, Kalk, Gipsusw.)weniger brauch- 
bar und gesund sein; ungenießbar, d. h. gesund- 
heitsschädlich wird es erst, wenn es reich an or- 
ganischen Substanzen ist; alsdann enthält es fast 
stets salpetrige Säure und Ammoniakverbindungen, 
namentlich aber Mikroorganismen, nicht selten 
spezifische (Typhusbazillen usw.). Außerdem kann 
das Wasser bleihaltig werden (Pumpenstiefel, Blei- 
röhrenleitung) oder andere mineralische Giftstoffe 
mit dem Grundwasser aufnehmen, die aus chemi- 
schen Fabriken stammen (Arsenik, Quecksilberver- 
bindungen usw.). Nicht selten ist auch selbst das 
Leitungswasser durch Algen stark verunreinigt. 
Die Hauptquelle der Verunreinigung des Wassers 
mit organischer Materie und Spaltpilzen sind in 
der Nähe der Brunnen gelegene Abortgruben, 
Senken, Dungstätten, Ställe, Abdeckereien usw. 
Auch unzweckmäßig angelegte Begräbnisplätze sind 
hier in Betracht zu ziehen. Man prüft das Wasser 
auf seinen organischen Gehalt durch Zusatz von 
übermangansaurem Kali (Chamäleonprobe), ferner 
nach dem Vorgange von R. Koch bakteriologisch. 
Daß Typhusepidemien durch Wasser verbreitet 
werden können, läßt sich nach dem genauen Stu-
	        
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