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haben und demgemäß mit dem Neubau solcher
überall vorgegangen sind, hat sich die Morbidität
und Mortalität in den Armeen sehr erheblich ver-
mindert, in England z. B. um die Hälfte. Bei
der preußischen Armee haben im Jahre 1888/89
nach v. Coler 79 500 Mann weniger chirurgische
und medizinische Hilfe in Anspruch genommen,
als nach dem Durchschnitt der zehn vorherigen
Jahre zu erwarten war. In derselben Zeit ist die
Todesrate um 3⅜/8 (von 6,9% im Jahre 1868
bis auf 2,3% im Jahre 1888/89) herunter-
gegangen, ein Prozentsatz, der auch im Jahre
1896/97 nicht überschritten wurde (in Frankreich
von 6,41 % im Jahre 1886 auf 5,50% im
Jahre 1889). Krankheiten wie Malaria, Pocken
und Ruhr sind nahezu vollständig aus der preu-
ßischen Armee verschwunden, Typhus und ägyp-
tische Augenkrankheit erheblich herabgemindert, wo-
durchbewiesenist, daß ansteckende Krankheiten keines-
wegs zu den notwendigen Ubeln im Heere gehören.
Bei jedem Ausbruch irgend einer epidemischen
bzw. infektiösen Krankheit ist dem primären Er-
krankungsherde nachzuforschen und derselbe mög-
lichst zu isolieren bzw. zu beschränken, was beim
Militär viel leichter ist als bei der Zivilbevölkerung.
Verbesserung der Trinkwasserverhältnisse hat zur
Vermeidung von Typhusepidemien ebenfalls bei-
getragen. — Zur Durchführung der Antiseptik bei
den Verwundeten auf dem Schlachtfelde und in
nächster Nähe desselben führen die Heere jetzt
sterilisiertes Verbandsmaterial (Moostorf, Gaze,
Watte) in komprimierter Form bei sich; auch er-
wartet man nach den guten Erfahrungen, welche
in Deutschland mit transportabeln Baracken beie
dem Friedensheere gemacht wurden (wo sie sich
auch als Dauerlazarette, namentlich für ansteckende
Krankheiten, also als Seuchenlazarette, sehr be-
währt haben), von der Mitführung dieser im
Kriege viel für bessere Behandlung der Verwun-
deten. Auch bei andern Nationen hat man ver-
besserte Zelte und Baracken zur Mitnahme in den
Krieg erprobt.
Für Kasernenbauten gelten die bei öffentlichen
Gebäuden schon wiederholt berührten Gesichts-
punkte, welche die Erhaltung und Erneuerung ge-
sunder Luft in hinreichender Menge, gutes Trink-
wasser usw. bezwecken. Die Trennung von Wohn-,
Schlaf= und Eßräumen sowie die Durchführung
der peinlichsten Sauberkeit ist für die Herabsetzung
der Morbidität und Mortalität der Soldaten
äußerst wichtig. Zur Durchführung der Reinlich-
keit muß dem Wand= und Fußbodenmaterial große
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es ist sehr wahr-
scheinlich, daß die Erreger der Genickstarre mit
Vorliebe in alten Fußböden nisten, und die öfter
in mit diesen Böden versehenen Kasernen und
Hütten aufflackernden Epidemien nehmen von da-
her ihren Ursprung. Asphaltierte Böden oder
Eichendielen, in Asphalt verlegt, empfehlen sich
am meisten. Das Bettmaterial muß des öfteren
erneuert bzw. desinfiziert werden.
Gesundheitspflege usw.
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Was die Verpflegung betrifft, so ist auf rich-
tige Zusammenstellung, Abwechslung und gute
Zubereitung der Speisen zu sehen. Außer scharfer
Kontrolle der Lieferanten bzw. der fertigen Speisen
ist für gute Herstellung der letzteren eine gute Ein-
richtung der Küche mit Dampfkochapparaten usw.
unerläßlich. Die Ausrüstung der Soldaten für
die Felddienstübungen und besonders für den
Kriegsfall sollte so leicht als möglich sein; im
ganzen müssen 30 kg Gepäck und Montierung
für den Fußsoldaten sanitär als zu belastend be-
zeichnet werden. In jeder Kaserne sollten Warm-
brause= oder Wannenbäder in hinreichender Anzahl
vorhanden und ihre regelmäßige Benutzung an-
geordnet sein. Für Anstellung einer genügenden
Aczahl spezialistisch geschulter Arzte in den Laza-
retten müßte mehr Sorge getragen werden.
Die Berührungen, in welche der öffentliche
Verkehr die Menschen miteinander bringt, sind
zwar ihrer Natur nach mehr vorübergehender Art
und deshalb in geringerem Grade gesundheits-
gefährlich als diejenigen, welche das nahe Bei-
sammenwohnen in Städten oder in geschlossenen
Anstalten mit sich bringt; dennoch werden gerade
die schlimmsten Ansteckungsstoffe durch den öffent-
lichen Verkehr verbreitet, sei es durch das Ver-
kehrsmaterial oder durch Gebrauchsgegenstände,
sei es durch Handelsartikel oder Personen. Letz-
tere brauchen dabei als Infektionsträger nicht not-
wendigerweise selbst zu erkranken. So werden ge-
rade die ansteckendsten Krankheiten durch Besuche,
zufälliges Begegnen, Kleider, Eßwaren usw. ver-
breitet (Scharlach-, Diphtherie= und Typhusan-
steckungen durch den Milchhandel usw.), und wie
die Reblaus durch importierte Reben von Amerika
nach Europa verpflanzt wurde, so hat der inter-
nationale Verkehr die Keime der Cholera, des
Gelbfiebers, der Pest, des Aussatzes, der Blat-
tern usw. von Ort zu Ort, von Land zu Land,
von einem Erdteil zum andern getragen. Auch
die infektiösen Volkskrankheiten, insbesondere die
Syphilis und Tuberkulose, werden vielfach durch
den Verkehr (Prostikution, zerstäubter Auswurf
von Tuberkulösen) verbreitet. Hundswut und Rotz
werden im öffentlichen Verkehr erworben. Daß
die Influenza als kontagiöse Krankheit den viel-
verzweigten Pfaden des Verkehrs folgt, ist durch
gute Beobachtungen sichergestellt.
Die Maßregeln gegen die gesundheitlichen Ge-
fahren des öffentlichen Verkehrs gehören teils der
privaten Hygiene teils der Sicherheits= und Sa-
nitätspolizei an. Soweit die öffentliche Gesund-
heitspflege dabei in Betracht kommt, beziehen sich
ihre Maßregeln vorzugsweise auf die Verkehrs-
mittel, von denen wir die Eisenbahnen und Schiffe
besonders erwähnen wollen.
Die Eisenbahnen muüssen den sanitären
Anforderungen entsprechende Empfangsgebäude
(Wartehallen) und Wagen haben. Der ungewöhn-
lich geringe kubische Rauminhalt der Wagen-
abteilungen, welcher sich namentlich bei voller Be-