667
Handelsverlehr bedachten seefahrenden Nationen,
die Engländer vorab, diese Art der Choleraverbrei-
tung entschieden und konnten sich auf v. Petten-
kofer berufen, der den virulenten Cholerapilz nicht
vom Kranken selbst, sondern von der Cholera-
lokalität ausgehen läßt, ähnlich wie es mit dem
Malariavirus der Fall ist. Dennoch ist augen-
scheinlich, daß die Unschädlichmachung der Cholera-
dejektionen, die Desinfektion der Wäsche und Bett-
stücke durch trockene Hitze (welche nach Koch die
Lebensfähigkeit der Pilze mit Sicherheit zerstört)
der Ausbreitung der Krankheit dann gerade den
größten Abbruch tun wird, wenn durch die Assa-
nierung der Choleralokalitäten (Beseitigung der
Senken, der Dung= und Abtrittgruben bzw. Ent-
fernung aller Abfallstoffe aus der Nähe der mensch-
lichen Wohnungen, Hausdrainage, Kanalisation
mit reichlicher Wasserspülung, reichlicher Wasser-
gebrauch zu den allgemeinen Zwecken der Rein-
lichkeit) schon bestens vorgesorgt ist. Die ärztliche
Inspektion aller zu Cholerazeiten einlaufenden
Schiffe und die Überführung aller Reisenden und
der ganzen Bemannung in geeignete Ortlichkeiten
am Lande zur Beobachtung und Behandlung ist
von allen Seiten als eines der besten Mittel, der
Einschleppung in Hafenstädte vorzubeugen, an-
erkannt.
Immerhin haben die internationalen Kon-
ferenzen das Gute gehabt, daß an den als Ein-
gangspforten der Cholera, Lepra und Pest für
Europa gefährlichsten Punkten, in Konstan-
tinopel und in Alexandrien, internationale
Gesundheitsräte errichtet wurden, die ständig dort
sunktionieren. Auch ist deutscherseits durch die
internationale Leprakonferenz in Berlin (Okt.
1897) sowie durch die „Wissenschaftliche Bespre-
chung über die Pestgefahr“ (Okt. 1900) im Kai-
serlichen Gesundheitsamt zu Berlin zur Klärung
über die besten Maßnahmen der Prophylaxe dieser
Krankheiten erheblich beigetragen worden.
Von der größten Wichtigkeit für die Bekämp-
fung nicht allein ansteckender, sondern aller Krank-
heiten überhaupt ist ein gutes Sanitäts= und Heil-
personal, für dessen nach Zahl und Beschaffen-
heit ausreichende Besorgung der Staat mitverant-
wortlich ist. Der Staat hat die Bedingungen fest-
zusetzen, unter denen er Arzten und Apothekern die
Ausübung ihres Berufes gestattet. Für das Reich
ist hier die Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883
maßgebend, deren Tit. II, § 29 besagt: „Einer
Approbation, welche auf Grund eines Nachweises
der Befähigung erteilt wird, bedürfen diejenigen
Personen, welche sich als Arzte (Wundärzte, Augen-
ärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Tierärzte)
oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen und
seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche
anerkannt und mit amtlichen Funktionen betraut
werden sollen. . Der Bundesrat bezeichnet
die Behörden, welche für das ganze Bundesgebiet
gültige Approbationen zu erteilen befugt sind, und
erläßt die Vorschriften über den Nachweis der Be-
Gesundheitspflege ufw.
668
fähigung“ 30: „Unternehmer von Privat-
kranken-, Entbindungs= und Privatirrenanstalten
bedürfen einer Konzession der höheren Verwal-
tungsbehörde. Hebammen bedürfen eines
Prüfungszeugnisses der nach dem Landesgesetze
zuständigen Behörde“ 56: „Ausgeschlossen
vom Ankauf und Feilbieten im Umherziehen sind
(9.) Gifte und giftige Waren, Arznei= und Ge-
heimmittel.“ Im übrigen findet die Gewerbeord-
nung auf „Einrichtung und Verlegung von Apo-
theken keine und auf Ausübung der Heilkunde und
Verkauf von Arzneimitteln nur insoweit Anwen-
dung, als dieselbe ausdrückliche Bestimmungen
darüber enthält“. Alles andere bleibt der Landes-
gesetzgebung vorbehalten. — In den meisten Grenz-
gebieten Deutschlands sind auf Grund besonderer
internationaler Verträge die ausländischen Arzte,
Hebammen und Tierärzte zur Ausübung ihres
Berufes befugt, wie auch die deutschen Arzte das-
selbe Recht im ausländischen Gebiete haben. Doch
ist dauernde Niederlassung wechselseitig verboten.
Die Erteilung der ärztlichen Approbation
ist an ein Staatsexamen geknüpft, welches vor
einer beliebigen ärztlichen Prüfungskommission
(an einer der deutschen Universitäten) auf Grund
der Prüfungsordnung vom 28. Mai 1901 ab-
gelegt werden kann. Die Approbation verleiht
das Recht zur Niederlassung in einem beliebigen
Bundesstaate. Der Arzt hat dann nur dem zu-
ständigen Kreisphysikus Anzeige zu erstatten unter
Vorweisung der Approbation. Letztere kann von
der Verwaltungsbehörde zurückgenommen werden,
wenn dem Inhaber die bürgerlichen Ehrenrechte
aberkannt sind. Zu den Vorbedingungen der ärzt-
lichen Approbationsprüfung gehören: das Reife-
zeugnis eines deutschen humanistischen oder Real-
gymnasiums; der Nachweis eines Studiums von
mindestens zehn Halbjahren an einer deutschen
Universität; der Nachweis, daß der Kandidat die
ärztliche Vorprüfung (tentamen physicum) be-
standen und darauf noch wenigstens sechs Halbjahre
dem medizinischen Studium gewidmet hat usw.
Die Qualifikation für Zahnärzte wird durch eine
Prüfung auf Grund der Vorschriften vom 29. Sept.
1879 erlangt.
Der ärztliche Stand leidet im allgemeinen an
zu starkem Nachwuchs, der vorzugsweise den
Städten zuströmt (während auf dem Lande man-
chenorts Mangel an Arzten herrscht), an der schran-
kenlosen gewerblichen Freiheit, welche von Kur-
pfuschern und Fabrikanten von Reklame= und Ge-
heimmitteln auf Kosten der Arzte ausgebeutet wird,
sowie an zu großer Ausnutzung der Arbeitskraft
einzelner Arzte (unter Vernachlässigung der übrigen)
von seiten der Krankenkassen, welche immer zahl-
reichere Kreise der Bevölkerung in sich aufnehmen.
Zum Vorteile der Kranken müßten die Kassen ge-
halten sein, die Arbeitslast auf eine größere Zahl
von Arzten zu verteilen und eine größere Quote
der Mitgliederbeiträge für ärztliche Behandlung,
eine geringere für die Verwaltungskosten aufzu-