Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Was den Umfang und die Ausübung 
der Gewerbebefugnisse im stehenden Ge- 
werbebetrieb angeht, so ist der selbständige Ge- 
werbetreibende zunächst in der Wahl und Anzahl 
seines Hilfspersonals im allgemeinen — abgesehen 
von der bereits bemerkten Ausnahme bezüglich 
der Lehrlingshaltung — nicht beschränkt. Jedoch 
kommen hinsichtlich der Art und Weise der Be- 
schäftigung des Hilfspersonals vor allem die ein- 
schränkenden Vorschriften des Tit. VII in Be- 
tracht (vgl. d. Art. Schutzgesetzgebung, gewerbliche). 
In offenen Verkaufsstellen, desgleichen in Konsum- 
und andern Vereinen darf an Sonn= und Festtagen 
ein Gewerbebetrieb überhaupt nicht stattfinden, 
soweit die Bestimmungen über die Sonntagsruhe 
die Beschäftigung von Hilfspersonal verbieten. 
Ferner kann gewissen Gewerbetreibenden, deren 
Betrieb auch an Sonn= und Festtagen zur Be- 
friedigung täglicher oder an diesen Tagen be- 
sonders hervortretender Bedürfnisse der Bevöl- 
kerung vollständig oder teilweise ausgeübt werden 
muß (z. B. Barbieren und Friseuren) auf Antrag 
von zwei Dritteln der beteiligten Gewerbetreiben= 
den für Sonn= und Festtage außerhalb derjenigen 
Zeit, in welcher sie ausnahmsweise Gehilfen be- 
schäftigen dürfen, selbst die eigene Betätigung in 
ihrem Gewerbebetrieb durch die höhere Verwal- 
tungsbehörde untersagt werden. Mit der Ein- 
führung einer 10— 11 stündigen Minimalruhezeit 
für die Angestellten offener Verkaufsstellen ist so- 
dann für letztere, in der Regel jedoch nur in 
Städten mit über 2000 Einwohnern, überhaupt 
eine tägliche Ladenschlußzeit (9 Uhr abends bis 
5 Uhr morgens, eventuell 8 Uhr abends bis 7 Uhr 
morgens) festgesetzt worden. 
Inhaber eines stehenden Gewerbebetriebs dürfen 
denselben innerhalb und außerhalb des Gemeinde- 
bezirks ihrer gewerblichen Niederlassung auch im 
Umherziehen ausüben, jedoch nur unter ähnlichen 
Beschränkungen, wie sie für das eigentliche Hausier- 
gewerbe gelten (vogl. den folgenden Abschnitt). 
Namentlich gilt dies bezüglich der von letzterem 
ausgeschlossenen Gegenstände, sofern nicht im Be- 
dürfnisfalle von der Landesregierung sowie be- 
züglich geistiger Getränke vorübergehend von der 
Ortspolizeibehörde Ausnahmen zugelassen sind. 
In welchen Fällen für solchen Hausierbetrieb Kon- 
zessionspflicht besteht bzw. eingeführt werden kann, 
ist bereits oben bei Aufzählung der konzessions- 
pflichtigen Gewerbetreibenden erwähnt worden. — 
Das sog. Detailreisen ist dem Gewerbetrei- 
benden außerhalb des Gemeindebezirks seiner ge- 
werblichen Niederlassung nur mit erheblichen Ein- 
schränkungen gestattet, welche infolge der Klagen 
der seßhaften Gewerbetreibenden über die ihnen 
durch die Ausdehnung des Detailreisens erwach- 
sende Schädigung durch die Gewerbeordnungs- 
novelle von 1896 aufgestellt wurden. In vollem 
Umfang ist dasselbe noch gestattet zwecks Ver- 
triebs von Druckschriften u. dgl., jedoch nur unter 
Beobachtung der für den Hausierhandel geltenden 
Gewerbe ufw. 
  
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Vorschrift betreffend ein genehmigtes Verzeichnis 
der Schriften usw., ferner gemäß den vom Bun- 
desrat zugelassenen Ausnahmen (3. B. für Wein- 
händler, Händler mit Leinen und Wäschefabrikaten 
und andere); im übrigen darf das Aussuchen von 
Warenbestellungen ohne vorgängige ausdrückliche 
Aufforderung nur bei Kaufleuten in deren Ge- 
schäftsräumen oder bei solchen Personen geschehen, 
in deren Geschäftsbetrieb die betreffenden Waren 
Verwendung finden. Von den angebotenen Waren 
dürfen, abgesehen von den vom Bundesrate zu- 
gelassenen Ausnahmen, nur Proben und Muster 
mitgeführt werden. Wie das Detailreisen ist 
(außerhalb des Ortes der gewerblichen Nieder- 
lassung) auch das Aufkaufen von Waren nur bei 
Kaufleuten, Produzenten der betreffenden Waren 
oder in offenen Verkaufsstellen zulässig, und die 
angekauften Waren dürfen nur behufs deren Be- 
förderung nach ihrem Bestimmungsort mitgeführt 
werden. Detailreisende und Warenaufkäufer müssen 
eine — je für ein Kalenderjahr von der zustän- 
digen Verwaltungsbehörde auszustellende — Legi- 
timationskarte mit sich führen, für deren Ertei- 
lung usw. ein Teil der für den Hausiergewerbe- 
schein geltenden Bestimmungen maßgebend ist. — 
Innerhalb des Gemeindebezirks ihrer gewerblichen 
Niederlassung kann den Gewerbetreibenden das 
Aufkaufen von Waren und Deteailreisen (sog. 
Stadtreisen) ebenfalls beschränkt, nämlich insofern 
konzessionspflichtig (ugl. oben) gemacht werden, 
als es bei andern Personen wie denjenigen, bei 
denen es auswärts gestattet ist, ausgeübt werden 
soll. — Die Befugnisse zu einem stehenden Ge- 
werbebetrieb können sowohl für den Inhaber selbst 
wie nach seinem Tode für die Witwe oder minder- 
jährige Erben, ebenso während der Dauer einer 
Kuratel oder Nachlaßregulierung durch Stellver- 
treter ausgeübt werden, sofern diese den im Einzel- 
fall vorgeschriebenen Erfordernissen genügen bzw. 
eine Stellvertretung überhaupt zulässig ist. Für 
die UÜbertretung gewerbepolizeilicher Vorschriften 
haftet jedoch neben dem Stellvertreter auch der 
Gewerbetreibende selbst, wenn er darum gewußt 
oder es an persönlicher Beaussichtigung des Be- 
triebs oder an sorgfältiger Auswahl oder Be- 
aufsichtigung der Betriebsleiter oder Aussichts- 
personen hat fehlen lassen. — Realgewerbeberechti- 
gungen können auf jede nach der Gewerbeordnung 
zum Betrieb des betreffenden Gewerbes befähigte 
Person übertragen werden, welche dann das Ge- 
werbe auf eigene Rechnung ausüben darf. 
Der Gewerbebetrieb im Umherziehen, 
das eigentliche LHausiergewerbe, ist durch 
Tit. III der Gewerbeordnung (88§ 55/683) beson- 
ders geregelt bzw. beschränkt (speziell durch die 
Novellen von 1883 und 1896). Als eigentliche 
Hausierer gelten diejenigen Gewerbetreibenden, die 
außerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes 
oder der dem Gemeindebezirke des Wohnortes gleich- 
gestellten nächsten Umgebung desselben ohne Be- 
gründung einer gewerblichen Niederlassung und
	        
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