Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Zur Ausübung ihres Gewerbes von Haus zu 
Haus oder öffentlich bedürfen umherziehende Mu- 
siker, Schauspieler usw. außerdem vorgängiger 
ortspolizeilicher Erlaubnis. Eines Wandergewerbe- 
scheines bedürfen jedoch diejenigen Hausierer nicht, 
welche selbstgewonnene oder rohe Erzeugnisse der 
Land= und Forstwirtschaft, des Garten- und Obst- 
baues, der Geflügel- und Bienenzucht, der Jagd 
und Fischerei, ferner in der Umgegend ihres Wohn- 
ortes bis zu 15 km Entfernung von demselben 
selbstverfertigte Waren, die zu den Gegenständen 
des Wochenmarktverkehrs gehören, feilbieten oder 
gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies 
Landesgebrauch ist, anbieten. (Indes kann ein 
solches Feilbieten Kindern unter 14 Jahren gänz- 
lich, Minderjährigen für die Zeit nach Sonnen- 
untergang und weiblichen Minderjährigen von 
Haus zu Haus durch die Ortspolizeibehörde unter- 
sagt werden.) Weiterhin bedarf keines Wander- 
gewerbescheines, wer selbstgewonnene Erzeugnisse 
oder selbstverfertigte Waren, hinsichtlich deren dies 
Landesgebrauch ist, zu Wasser anfährt und von 
dem Fahrzeuge aus feilbietet, sowie- wer bei öffent- 
lichen Festen, Trupp oder 
andern außergewöhnlichen Gelegenheiten mit Er- 
laubnis der Ortspolizeibehörde die von derselben 
zu bestimmenden Waren feilbietet. 
Das Mitführen anderer Personen durch Hau- 
sierer, insbesondere von Kindern und Personen 
andern Geschlechts mit Ausnahme der Ehegatten 
und über 14 Jahre alter eigener Kinder oder 
Enkel ist nur unter Beschränkungen zulässig, Mit- 
führen von Kindern unter 14 Jahren zu gewerb- 
lichen Zwecken überhaupt verboten. — Von son- 
stigen Beschränkungen des Hausiergewerbes ist noch 
zu nennen, daß zu seiner Ausübung der Eintritt 
in fremde Wohnungen ohne vorgängige Erlaubnis 
sowie zur Nachtzeit das Betreten fremder Häuser 
und Gehöfte nicht gestattet ist. Offentliche An- 
kündigungen des Gewerbebetriebes dürfen nur 
unter dem Namen des Hausierers mit Hinzufügung 
seines Wohnortes erlassen werden. Wird für den 
Gewerbebetrieb eine Verkaufsstelle benutzt, so muß 
an derselben in einer für jedermann erkennbaren 
Weise ein den Namen und Wohnort des Gewerbe- 
treibenden angebender Aushang angebracht werden. 
Dies gilt insbesondere von den Wanderlagern. — 
An Sonn= und Festtagen ist die Ausübung des 
Hausiergewerbes (auch für Inhaber eines stehenden 
Gewerbebetriebes) verboten, abgesehen von Musik- 
aufführungen, Schaustellungen usw. und den von 
der unteren Verwaltungsbehörde zugelassenen Aus- 
nahmen. — Über die Zulassung von Ausländern 
zum Hausiergewerbe, desgleichen von ausländischen 
Handlungsreisenden hat der Bundesrat allgemeine 
Vorschriften erlassen. 
Den Marktverkehr betreffend enthält 
Tit. IV der Gewerbeordnung (8§ 64/71) besondere 
Bestimmungen. Der Besuch der Messen, Jahr- 
und Wochenmärkte sowie der Ankauf und Ver- 
kauf auf denselben steht einem jeden mit gleichen 
Staatslexikon. II. 3. Aufl. 
  
Gewerbe usw. 
  
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Befugnissen frei. Jedoch können vom Verkauf von 
Handwerkerwaren auf Wochenmärkten auswärtige 
Verkäufer ausgeschlossen werden. 
Die polizeilichen Taxen (Tit. V der Gewerbe- 
ordnung, §§ 72/80) sind beseitigt; nur bezüglich 
der Bäcker und der Verkäufer von Backwaren ist be- 
stimmt, daß dieselben durch die Ortspolizeibehörde 
angehalten werden können, die Preise und das 
Gewicht ihrer Backwaren für gewisse Zeiträume 
durch Anschläge am Verkaufslokal zur Kenntnis des 
Publikums zu bringen. Auch Gastwirte können 
durch die Ortspolizeibehörde angehalten werden, 
Verzeichnisse der von ihnen gestellten Preise in 
ihren Lokalen anzuschlagen. Ferner sind Gesinde- 
vermieter und Stellenvermittler verpflichtet, das 
Verzeichnis ihrer Taxen der Ortspolizeibehörde 
einzureichen und in ihren Geschäftsräumen an 
einer in die Augen fallenden Stelle anzuschlagen, 
außerdem dem Stellesuchenden vor Abschluß des 
Vermittlungsgeschäftes die für ihn zur Anwendung 
kommende Taxe mitzuteilen. Gastwirte wie Ge- 
sindevermieter und Stellenvermittler dürfen ihre 
Taxen zwar jederzeit abändern, aber nicht eher 
davon abgehen, bis die Abänderung der Behörde 
angezeigt und das abgeänderte Verzeichnis in ihren 
Geschäftsräumen angeschlagen ist. Eigentliche 
Taxen können nur noch festgesetzt werden für 
Lohnbediente und andere Personen, welche öffent- 
lich ihre Dienstleistungen anbieten, sowie für die 
Benutzung der zum öffentlichen Gebrauche be- 
stimmten Wagen und anderer Transportmittel, 
ferner für Schornsteinfeger, welchen besondere 
Kehrbezirke ausschließlich überwiesen sind. Für 
Apotheker können durch die Zentralbehörde Taxen 
festgesetzt werden, deren Ermäßigung durch freie 
Vereinbarung zulässig ist. Die Honorierung der 
approbierten Arzte usw. unterliegt freier Verein- 
barung, jedoch dienen für streitige Fälle von den 
Zentralbehörden festgesetzte Taxen als Norm. 
Innungen, Innungsausschüsse, Handwerks- 
kammern, Innungsverbände behandelt Tit. VI 
der Gewerbeordnung (8§ 81/104 n), der durch die 
Novelle von 1897, das sog. Handwerkerschutzgesetz, 
völlig neu geregelt ist . die Art. Handwerk, Hand- 
werkskammern, Innungen, Lehrlings= und Ge- 
sellenwesen). Die Bestimmungen des Tit. VII 
(§§ 105/139 m) über gewerbliche Arbeiter (Ge- 
sellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werk- 
meister, Techniker, Fabrikarbeiter) s. in d. Art. 
Schutzgesetzgebung, gewerbliche. Bezüglich Tit. 
VIII § 140): Gewerbliche Hilfskassen, s. d. Art. 
Hilfskassen. 
Nach Tit. IX (§ 142) können statutarische Be- 
stimmungen einer Gemeinde oder eines weiteren 
Kommunalverbandes die ihnen durch das Gesetz 
(und zwar nicht nur durch die Gewerbeordnung. 
sondern auch durch andere Reichs= oder Landes- 
gesetze) überwiesenen gewerblichen Gegenstände mit 
verbindlicher Kraft ordnen. Diese statutarischen 
Bestimmungen werden nach Anhörung beteiligter 
Gewerbetreibenden und Arbeiter abgefaßt, be- 
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