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zu begründen, führte Napoleon für seine Getreuen
die Substitutionen (Majorate) wieder ein.
Einige Bestimmungen des französischen
Rechts erinnern an die alten (germanischen) Ge-
wohnheitsrechte, sind jedoch entweder unwesentlich
oder höchst eigentümlich angewandt. So heißt
Erbe nur der gesetzlich berufene, eheliche Bluts-
verwandte, und wer diesem rechtlich gleichsteht.
Ein wenn auch aufs Ganze eingesetzter Dritter
heißt nur lögataire; denn jede testamentarische
Zuwendung ist nur Legat. Eine eigentümliche
Anwendung hat das Fallrecht, das Stammgüter
den Familien erhalten sollte, erfahren. Wenn keine
Erben aus der ersten Klasse vorhanden sind, wird
ohne Berücksichtigung weder der Natur noch des
Ursprungs der Güter die Erbschaft in zwei Teile
geteilt, wovon der eine den Verwandten von der
väterlichen, der andere jenen von der mütterlichen
Seite zufällt, so daß die späteren Klassen auf jeder
Seite unabhängig voneinander berufen werden
(Art. 732, 733). Vater oder Mutter müssen sich
mit einer Hälfte der Erbschaft ihres Kindes be-
gnügen, wenn es in der andern Linie Vettern im
zwölften Grad hinterläßt. Verhältnismäßig spät
wird der überlebende Ehegatte berufen. Die erb-
lasserische Anordnung des Zusammenbleibens der
Erben ist nicht gestattet; ein Vertrag der Erben,
in indivision zu bleiben, kann nur auf fünf Jahre
geschlossen, aber wieder erneuert werden. Testa-
mentarische Verfügungen zugunsten von Spitälern,
gemeinnützigen Anstalten, der Armen einer Ge-
meinde bedürfen, um wirksam zu sein, einer obrig-
keitlichen Genehmigung. An Stelle der Enterbungs-
befugnis sind (wenige) gesetzliche Erbunwürdig-
keitsgründe getreten (Art. 727, 728).
Dem Erbrecht des Code werden zur Last gelegt:
unzweckmäßige Teilungen, Bildung unfähiger
Zwergwirtschaften, Unfähigkeit derselben, den einer
Familie notwendigen Unterhalt zu liefern, und
infolge davon die Aufsaugung durch bewegliches
Kapital oder benachbarte große Besitzungen; bei
stärkeren Familien Überlastung des Grundeigen-
tums mit an die Geschwister zu zahlenden Erb-
abfindungen und zu hohe Bewertung des Grund-
eigentums. Die Sorge, welche der Eigentümer
an dem wirtschaftlichen Gedeihen seines Besitztums
nimmt, vermindere sich mit den Jahren, da die
Hoffnung, daß dasselbe unter einem seiner Söhne
gleichfalls ein einheitlich bewirtschaftetes Anwesen
bilden werde, ausgeschlossen sei. Der Besitzer bleibe
im Alter allein; die Erben richteten sich nicht darauf
ein, die Bewirtschaftung des Erbes zu übernehmen.
Der Erbgang werde in die Seitenlinien gedrängt,
da die Geburtenziffer sich vermindere. Bezüglich
der Reformvorschläge ist die Schule Le Plays
(s. d. Art.) mit ihrem Wunsche nach Testierfreiheit
zu nennen, während nach andern die Miterben an
Stelle des Naturalanspruchs nur einen Geld-
anspruch erhalten sollen.
Beachtenswert ist die weite Verbreitung der
Grundsätze des Coce: Belgien, Holland, Polen,
Erbrecht.
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Italien, Portugal, die französischen Kantone der
Schweiz nebst St Gallen und Bern, Spanisch=
Amerika, Louisiana; zur gemeinrechtlichen Gruppe
gehören das Deutsche Reich, Osterreich, die Ostsee=
provinzen, das griechische Reich und Malta. Eine
Sonderstellung behaupten England und die Ver-
einigten Staaten, deren Erbrechte das Pflichtteils-
recht unbekannt ist.
4. Geltendes Recht. Für das Deutsche Reich
hat die Entwicklung des Erbrechts ihren einst-
weiligen Abschluß mit dem B.G.B. gefunden; die
Angriffe gegen das gesetzliche Erbrecht sind von
ihm abgelehnt. Diese Angriffe hatten sich in erster
Linie gegen die Blutsverwandtschaft als die Grund-
lage des Erbrechts gerichtet. An ihrer Stelle sollte
eine Erbfolge nach dem sozialen Zusammenhang
des Erblassers mit den Überlebenden oder nach
dem Anteile dieser an der Bildung des Vermögens
des Erblassers oder statt der Erbfolge eine staat-
liche Verteilung des durch den Todesfall herrenlos
gewordenen Nachlasses nach seiner Substanz oder
nur nach seinem Ertrag an diejenigen treten, welche
im Interesse der Allgemeinwirtschaft den besten Ge-
brauch von dem hinterbliebenen Vermögen machen
würden. Nach dem von Bazard (gest. 1832) auf-
gestellten vierten Prinzip sollte der Staat als Ver-
treter der Gesellschaft Erbe werden, unter deren
Schutz und Mitwirkung wie alles Vermögen so
auch der Nachlaß erworben und erhalten worden
war. Nach dem dritten Prinzip würden diejenigen
Verwandten zu bevorzugen sein, die in der Wirt-
schaft des Erblassers mittätig waren. Sind solche
Erben nicht vorhanden, so soll unter Übergehung
der Blutsverwandten der Staat oder die Gemeinde
als Erbe eintreten. Dieses Prinzip, wie dasjenige
des sozialen Zusammenhangs, wendet sich gegen
die „lachenden Erben“, indem davon ausgegangen
wird, das Interesse des Erblassers an seinen Ver-
wandten beschränke sich auf einen engen Kreis der-
selben, und es sei deshalb richtig, auch das Erbrecht
auf diesen Verwandtenkreis zu beschränken und
vor dem weiteren Verwandtenkreis den Staat oder
die Gemeinde als Erben zu berufen. Es wird nur
selten vorkommen, daß ein Erblasser nicht seine
Frau oder Verwandte hinterlassen wird, die mit
ihm in Beziehung geblieben sind.
Das B.G. B. hat sich jedes Eingriffs in die Erb-
folge der Blutsverwandten enthalten. Es unter-
scheidet zwischen gesetzlicher Erbfolge (Verwandte,
Ehegatte, nach ihnen Fiskus) und gewillkürter (durch
einseitige Verfügung von Todes wegen oder Erb-
vertrag). Dabei ist von ihm die gesetzliche Erbfolge
vorangestellt, weil unterstellt wird, daß sie der Regel-
fall sein und bleiben werde. Das Vermögen einer
Person (Erbschaft) geht mit ihrem Tode (Erbfall)
als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen
(Erben) über. Der Vermögensübergang findet
ohne Vermittlung einer als juristischen Person ge-
dachten ruhenden Erbschaft statt. Die Erbschaft
geht als Ganzes über, die Anteile der Miterben
(Erbteile) sind Bruchteile am Nachlaß in seiner