Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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einnahmen. Schulden dürfen nicht in Abzug gebracht 
werden. Ein Betriebskapital unter 700 AM kommt 
nicht in Anrechnung. Der Steuerfuß wird jährlich 
festgesetzt. Die Veranlagung erfolgt im Wege der 
Selbsteinschätzung mit Hilfe der Bezirkssteuerkom- 
missionen. 
Sachsen hatte bis 1878 ein Gewerbe= und 
Personalsteuergesetz; in der allgemeinen Einkom- 
mensteuergesetzgebung vom 2. Juli 1878 (abgeän- 
dert durch Gesetz vom 13. März 1895) ist die Ge- 
werbesteuer im allgemeinen mit einbegriffen; nur 
für den Gewerbebetrieb im Umherziehen ist ein be- 
sonderes Gesetz vom 1. Juli 1878 erlassen. 
In Baden wurde durch das Vermögenssteuer- 
gesetz vom 28. Sept. 1906 die Gewerbesteuer be- 
seitigt. Vgl. d. Art. Einkommensteuer (Bd I, Sp. 
1512). 
In Österreich wurde durch Gesetz vom 25. Okt. 
1896 betreffend die direkten Personalsteuern die 
Gewerbesteuer als „allgemeine Erwerbssteuer“ neu 
geregelt. Die Steuer wird nach einem Schema, 
welches die zur Anwendung gelangenden Steuersätze 
(von 3 bis 2600 K) enthält, auf Grund von Steuer- 
erklärungen durch Steuerkommissionen festgesetzt; 
gegen die Festsetzung ist Beschwerde bei der Finanz- 
landesbehörde zulässig. Die Steuer wird als Re- 
partitionssteuer erhoben und der Gesamtertrag auf 
vier Steuerklassen ausgeschlagen, so daß die An- 
gehörigen jeder Steuerklasse eine Art Gesellschaft 
bilden. Die durch jede Steuerklasse aufzubringende 
Gesamtquote wird durch eine Kontingentenkommis- 
sion unter dem Vorsitze des Finanzministers fest- 
gesetzt. 
britische Gewerbesteuer ist in der Ein- 
kommensteuer mit enthalten, und zwar in Sche- 
dula D der Income tax. Daneben bestehen aber 
als Spezialgewerbesteuern eine Reihe von Lizenz- 
abgaben. 
Frankreich hat eine sehr ausgebildete und 
verwickelte Patentgesetzgebung. Dieselbe nahm ihren 
Anfang im Jahre 1791, als unter Aufhebung aller 
Privilegien die Gewerbefreiheit eingeführt wurde, 
wobei aber die Ausübung des Gewerbes an die Be- 
dingung geknüpft wurde, daß der Betreffende sich 
mit einem Patente versehe und den Preis dafür 
zahle. Seitdem hat sich diese Gesetzgebung stets 
weiter entwickelt. Die Abgabe setzt sich aus einer 
Prinzipalabgabe und aus Zuschlägen zusammen. 
Die Einteilung erfolgt in Klassen der Gewerbe und 
in Ortsklassen nach der Einwohnerzahl. Man klagt 
über große Ungleichmäßigkeit und verhältnismäßig 
zu schwere Belastung der kleineren Gewerbe. Das 
neueste Gesetz ist vom 15. Juli 1880. 
Literatur. Die Werke über Finanzwissen- 
schaft von Stein, Eheberg, Rau-Wagner, Umpfen- 
bach, Leroy-Beaulien, v. Heckel usw. enthalten sämt- 
lich auch Abschnitte über die G. Ferner wird auf 
folgende Werke besonders hingewiesen: Hock, Ab- 
gaben u. Schulden (1863) 205/217; Wagner, 
Steuerlehre, G., in Schönbergs Handbuch der polit. 
Okonomie III (11897); Burkhard, Die G., im 
Handwörterbuch der Staatswissenschaften IV. Die 
Drucksachen des preuß. Abgeordnetenhauses über die 
G. (1891); v. Heckel, Die Fortschritte der direkten 
Steuern in den deutschen Staaten (1904); ders., 
Stellung der G. im Entwicklungsprozeß der mo- 
dernen Personalbesteuerung (1905); Festschrift für 
Ad. Wagner). lo. Huene, rev. Sacher.] 
Gewerbe= und Berufszählung. 
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Gewerbe= und Berufszählung. 1. Ge- 
werbezählung. Die Gewerbezählung bezweckt 
die Erhebung der Gewerbebetriebe eines Landes. 
Sie soll wie die Berufserhebung auf gesetzlicher 
Grundlage beruhen, weil sie in die Privatinteressen 
tief eingreifende Auskünfte verlangt und nur bei 
der Anwendung vollen Zwanges gegenüber den 
Beteiligten durchgeführt werden kann. Die Ge- 
werbezählung wird am zweckmäßigsten mit einer 
Berufsaufnahme verbunden, wie dies in den Jah- 
ren 1882, 1895 und 1907 im Deutschen Reiche 
mit grundlegender Bedeutung geschehen ist; sie 
kann aber auch selbständig vorgenommen werden, 
doch müssen dann vorher die Betriebe besonders 
festgestellt werden. Eine Gewerbezählung mit 
einer allgemeinen Volkszählung zu verbinden, ist 
nicht zu empfehlen, wenngleich einzelne Versuche 
in dieser Richtung vorliegen (nordamerikanischer 
Zensus, deutsche Erhebung vom Jahre 1875 und 
früher, Frankreich 1896), da die beiden Er- 
hebungen doch allzusehr des innern Zusammen- 
hanges entbehren. Es kann jedoch eine Berufs- 
zählung durch ihre Verwandtschaft mit der Ge- 
werbe= und mit der Volkszählung eine Brücke 
zwischen beiden Erhebungen herstellen und eine 
Vereinigung aller drei Zählungen ermöglichen, 
wie dies 1902 in Osterreich erfolgt ist. 
Die Aufnahmeformulare sind bei der 
Gewerbezählung verschiedenartiger als bei einer 
Volkszählung, namentlich wenn die erstere mit 
einer Berufszählung vorgenommen wird und nicht 
nur das Gewerbe im eigentlichen Sinne, sondern 
auch die Landwirtschaft mitumfaßt. Hier sollen 
dann, abgesehen von den Zählpapieren der Vor- 
erhebung, besondere Formulare für Gewerbe-(ein- 
schließlich Handels-) und für Landwirtschafts- 
betriebe verwendet werden. Auch kann es als 
zweckmäßig bezeichnet werden, wenn die großen 
und kleinen Betriebe, die Heimarbeit usw. beson- 
ders erhoben werden. 
Die Gewerbezählung wird am zweckmäßigsten 
in eine Zeit verlegt, wo die meisten oder wichtigsten 
Betriebe sich in vollem Gange befinden. Dies ist 
durchgehends sehr schwierig, da namentlich zwi- 
schen dem Gewerbe und der Landwirtschaft, sodann 
zwischen den großen Gewerbegruppen untereinan- 
der erhebliche Unterschiede bestehen. 
Was die Gewerbezählungen im Deutschen 
Reiche anbetrifft, so wurden solche in Preußen 
seit 1819 und in den andern Staaten auf 
Veranlassung des Zollvereins 1846 in kleinerem 
Umfange (nur Großbetriebe), 1861 in größerem 
Umfange (auch Handwerk) im Anschluß an die 
Volkszählungen vorgenommen. Von Reichs wegen 
wurde die erste Gewerbeerhebung im Jahre 1875 
ebenfalls in Verbindung mit der Volkszählung 
veranstaltet. Seitdem aber wurde dieses System 
verlassen und werden die Gewerbezählungen den 
Berufserhebungen angegliedert. Solche gemein- 
same Aufnahmen fanden statt am 5. Juni 1882, 
14. Juni 1895 und 12. Juni 1907. 
 
	        
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