65
das Nachlaßgericht im Bedürfnisfall für die Siche-
rung des Nachlasses zu sorgen.
Die Erbfolge ist Gesamtnachfolge in den Nach-
laß, deshalb haftet der Erbe für die Nachlaßver-
bindlichkeiten. Seine Schuldenhaftung ist jedoch
beschränkbar. Zwar kennt das B.G. B. die Be-
schränkung durch Inventarerrichtung nicht, der
Erbe kann aber seine Haftung auf den Nachlaß-
bestand durch Absonderung des Nachlasses vom
Erbenvermögen im Weg der Nachlaßverwaltung,
des Nachlaßkonkurses oder beim Mangel einer die
Kosten deckenden Nachlaßmasse durch Herausgabe
des Nachlasses an einen Gläubiger zum Zweck
seiner Befriedigung im Weg der Zwangsvoll-=
streckung beschränken. Um dem Erben die Mög-
lichkeit zu geben, sich über den Stand des Nach-
lasses zu vergewissern, ist das Aufgebot der Nach-
laßgläubiger mit der Wirkung gegeben, die Be-
friedigung der im Aufgebotsverfahren mit ihren
Forderungen ausgeschlossenen Gläubiger insoweit
zu verweigern, als der Nachlaß durch die Befrie-
digung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger er-
schöpft wird. Die Errichtung eines Nachlaß-
inventars begründet im Verhältnis zwischen dem
Erben und den Nachlaßgläubigern die Vermutung,
daß zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlaßgegen-
stände als die im Inventar angegebenen nicht vor-
handen gewesen seien.
Unter Miterben wird der Nachlaß dergestalt
ihr gemeinschaftliches Vermögen (Erbengemein--
schaft zur gesamten Hand), daß die Verwaltung
und Verfügung über die einzelnen Nachlaßgegen-
stände nur allen Erben gemeinschaftlich zusteht.
Dabe: ist jeder Miterbe den andern gegenüber ver-
pflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ord-
nungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind. Die
zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder
Miterbe allein treffen. Über seinen Anteil am
Nachlaß als solchen kann jeder Miterbe frei ver-
fügen, ein darauf gerichteter Vertrag bedarf jedoch
der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
Bei Verkauf eines Anteils an einen Dritten steht
den übrigen Miterben ein Vorkaufsrecht zu, das
binnen zwei Monaten auszuüben ist. Der Anteil
als solcher ist wie veräußerlich, so pfändbar. Die
Auseinandersetzung kann in der Regel von jedem
Miterben jederzeit verlangt werden. Sie kann
Ausgleichungen unter den Erben notwendig machen
(Kollationspflicht).
Gegen den Erbschaftsbesitzer haben die Erben
die Klage auf Herausgabe des aus Erbschaft Er-
langten nebst allen daraus gezogenen Nutzungen
sowie auf Auskunftserteilung über den Nachlaß-
bestand und den Verbleib der Nachlaßgegenstände.
Das B. G.B. läßt das ländliche Erbrecht in
weitem Umfang unberührt. Denn nach dem Einf.=
Ges. z. B.G.B. bleiben unberührt die landes-
gesetzlichen Vorschriften über Familienfideikom-=
misse und Lehen, sowie über Stammgüter, die-
jenigen über Rentengüter und über das An-
erbenrecht in Ansehung landwirtschaftlicher und
Staatslexikon. II. 3. Aufl.
Erbschaftssteuer — Eroberung.
66
forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst deren Zu-
behör, wobei diejenigen Vorschriften des Landes-
rechts, die das Recht des Erblassers zu Verfügungen
von Todes wegen beschränken, außer Kraft treten.
Damit ist der wirtschaftlichen Einsicht eines ver-
nünftigen Erblassers ein Spielraum für sein Ein-
greisen durch Verfügung von Todes wegen gegeben.
Überdies ist die ungeteilte Erhaltung seines Gutes
in den Händen eines Miterben dem Erblasser durch
die allgemeine Vorschrift des B.G.B. gegeben, die
ihn ermächtigt anzuordnen, daß einer von mehreren
Erben das Recht haben foll, ein zum Nachlaß
gehörendes Landgut zum Ertragswerte zu über-
nehmen. Der Ertragswert bestimmt sich nach dem
Reinertrage, den das Landgut nach seiner bis-
herigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungs-
mäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren
kann. Wird dann von einem pflichtteilsberechtigten
Erben von dem Recht Gebrauch gemacht, so ist
der Ertragswert auch für die Berechnung des
Pflichtteils maßgebend.
Literatur. Planck, Staudinger, Oertmann,
Kommentare zum B.G.B.; Dernburg, Bürgerliches
Recht des Deutschen Reichs (mit den Zusatzbänden
über Partikularrechte); Endemann, Lehrb. des bür-
gerl. Rechts. LFrank, rev. Spahn.]
Erbschaftssteuer s. Nachlaßsteuer.
Erbuntertänigkeit s. Hörigkeit.
Erbverbrüderung s. Thronfolge.
Erfindungsrecht s. Patentrecht.
Eroberung. 1. Allgemeine Rechts-
theorie. Die verschiedenen Arten, Besitz und
Eigentum zu erwerben, lassen sich auf zwei ihrem
Wesen nach voneinander grundsätzlich verschiedene
Hauptformen zurückführen. Diese beiden Formen
sind die des ursprünglichen und des abgeleiteten
Erwerbs, je nachdem der zu erwerbende Gegen-
stand entweder in keines andern Besitz und Eigen-
tum zur Zeit des Erwerbs sich befindet, oder von
einem andern, von welchem derselbe vorher schon
besessen wurde, auf uns übergeht. Die vorzüglichste
der ursprünglichen Erwerbsarten ist die Okkupa-
tion oder die Besitzergreifung einer Sache, die
keinen Eigentümer hat (I. 3 pr. D. de add. rer.
dom. 41, 1). Besitzergreifung ist hier das uner-
läßliche Erfordernis. Sie macht im Grund ge-
nommen den ganzen Erwerbungsakt aus. Sie
unterscheidet sich dadurch von allen übrigen ur-
sprünglichen Erwerbsarten (Spezifikation, Kom-
mixtion, Akzession, Alluvion usw.) wie auch von
allen Arten des abgeleiteten Eigentumserwerbs.
Bei letzterem ist immer ein Rechtstitel schon vor-
handen, vermöge dessen man das Faktum der
Erwerbung vornimmt. Die Besitznahme ist nur
das äußere Zeichen, dessen wir uns bedienen, um
in offenkundiger, unzweideutiger Weise von dem
Rechtstitel der Ubertragung substantiell, oder wie
das Völkerrecht der Gegenwart dies ausdrückt,
effektiv Gebrauch zu machen. Bei der Okkupa-
tion dagegen ist der Akt der Besitznahme allein
3