Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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das Nachlaßgericht im Bedürfnisfall für die Siche- 
rung des Nachlasses zu sorgen. 
Die Erbfolge ist Gesamtnachfolge in den Nach- 
laß, deshalb haftet der Erbe für die Nachlaßver- 
bindlichkeiten. Seine Schuldenhaftung ist jedoch 
beschränkbar. Zwar kennt das B.G. B. die Be- 
schränkung durch Inventarerrichtung nicht, der 
Erbe kann aber seine Haftung auf den Nachlaß- 
bestand durch Absonderung des Nachlasses vom 
Erbenvermögen im Weg der Nachlaßverwaltung, 
des Nachlaßkonkurses oder beim Mangel einer die 
Kosten deckenden Nachlaßmasse durch Herausgabe 
des Nachlasses an einen Gläubiger zum Zweck 
seiner Befriedigung im Weg der Zwangsvoll-= 
streckung beschränken. Um dem Erben die Mög- 
lichkeit zu geben, sich über den Stand des Nach- 
lasses zu vergewissern, ist das Aufgebot der Nach- 
laßgläubiger mit der Wirkung gegeben, die Be- 
friedigung der im Aufgebotsverfahren mit ihren 
Forderungen ausgeschlossenen Gläubiger insoweit 
zu verweigern, als der Nachlaß durch die Befrie- 
digung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger er- 
schöpft wird. Die Errichtung eines Nachlaß- 
inventars begründet im Verhältnis zwischen dem 
Erben und den Nachlaßgläubigern die Vermutung, 
daß zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlaßgegen- 
stände als die im Inventar angegebenen nicht vor- 
handen gewesen seien. 
Unter Miterben wird der Nachlaß dergestalt 
ihr gemeinschaftliches Vermögen (Erbengemein-- 
schaft zur gesamten Hand), daß die Verwaltung 
und Verfügung über die einzelnen Nachlaßgegen- 
stände nur allen Erben gemeinschaftlich zusteht. 
Dabe: ist jeder Miterbe den andern gegenüber ver- 
pflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ord- 
nungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind. Die 
zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder 
Miterbe allein treffen. Über seinen Anteil am 
Nachlaß als solchen kann jeder Miterbe frei ver- 
fügen, ein darauf gerichteter Vertrag bedarf jedoch 
der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. 
Bei Verkauf eines Anteils an einen Dritten steht 
den übrigen Miterben ein Vorkaufsrecht zu, das 
binnen zwei Monaten auszuüben ist. Der Anteil 
als solcher ist wie veräußerlich, so pfändbar. Die 
Auseinandersetzung kann in der Regel von jedem 
Miterben jederzeit verlangt werden. Sie kann 
Ausgleichungen unter den Erben notwendig machen 
(Kollationspflicht). 
Gegen den Erbschaftsbesitzer haben die Erben 
die Klage auf Herausgabe des aus Erbschaft Er- 
langten nebst allen daraus gezogenen Nutzungen 
sowie auf Auskunftserteilung über den Nachlaß- 
bestand und den Verbleib der Nachlaßgegenstände. 
Das B. G.B. läßt das ländliche Erbrecht in 
weitem Umfang unberührt. Denn nach dem Einf.= 
Ges. z. B.G.B. bleiben unberührt die landes- 
gesetzlichen Vorschriften über Familienfideikom-= 
misse und Lehen, sowie über Stammgüter, die- 
jenigen über Rentengüter und über das An- 
erbenrecht in Ansehung landwirtschaftlicher und 
Staatslexikon. II. 3. Aufl. 
Erbschaftssteuer — Eroberung. 
  
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forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst deren Zu- 
behör, wobei diejenigen Vorschriften des Landes- 
rechts, die das Recht des Erblassers zu Verfügungen 
von Todes wegen beschränken, außer Kraft treten. 
Damit ist der wirtschaftlichen Einsicht eines ver- 
nünftigen Erblassers ein Spielraum für sein Ein- 
greisen durch Verfügung von Todes wegen gegeben. 
Überdies ist die ungeteilte Erhaltung seines Gutes 
in den Händen eines Miterben dem Erblasser durch 
die allgemeine Vorschrift des B.G.B. gegeben, die 
ihn ermächtigt anzuordnen, daß einer von mehreren 
Erben das Recht haben foll, ein zum Nachlaß 
gehörendes Landgut zum Ertragswerte zu über- 
nehmen. Der Ertragswert bestimmt sich nach dem 
Reinertrage, den das Landgut nach seiner bis- 
herigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungs- 
mäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren 
kann. Wird dann von einem pflichtteilsberechtigten 
Erben von dem Recht Gebrauch gemacht, so ist 
der Ertragswert auch für die Berechnung des 
Pflichtteils maßgebend. 
Literatur. Planck, Staudinger, Oertmann, 
Kommentare zum B.G.B.; Dernburg, Bürgerliches 
Recht des Deutschen Reichs (mit den Zusatzbänden 
über Partikularrechte); Endemann, Lehrb. des bür- 
gerl. Rechts. LFrank, rev. Spahn.] 
Erbschaftssteuer s. Nachlaßsteuer. 
Erbuntertänigkeit s. Hörigkeit. 
Erbverbrüderung s. Thronfolge. 
Erfindungsrecht s. Patentrecht. 
Eroberung. 1. Allgemeine Rechts- 
theorie. Die verschiedenen Arten, Besitz und 
Eigentum zu erwerben, lassen sich auf zwei ihrem 
Wesen nach voneinander grundsätzlich verschiedene 
Hauptformen zurückführen. Diese beiden Formen 
sind die des ursprünglichen und des abgeleiteten 
Erwerbs, je nachdem der zu erwerbende Gegen- 
stand entweder in keines andern Besitz und Eigen- 
tum zur Zeit des Erwerbs sich befindet, oder von 
einem andern, von welchem derselbe vorher schon 
besessen wurde, auf uns übergeht. Die vorzüglichste 
der ursprünglichen Erwerbsarten ist die Okkupa- 
tion oder die Besitzergreifung einer Sache, die 
keinen Eigentümer hat (I. 3 pr. D. de add. rer. 
dom. 41, 1). Besitzergreifung ist hier das uner- 
läßliche Erfordernis. Sie macht im Grund ge- 
nommen den ganzen Erwerbungsakt aus. Sie 
unterscheidet sich dadurch von allen übrigen ur- 
sprünglichen Erwerbsarten (Spezifikation, Kom- 
mixtion, Akzession, Alluvion usw.) wie auch von 
allen Arten des abgeleiteten Eigentumserwerbs. 
Bei letzterem ist immer ein Rechtstitel schon vor- 
handen, vermöge dessen man das Faktum der 
Erwerbung vornimmt. Die Besitznahme ist nur 
das äußere Zeichen, dessen wir uns bedienen, um 
in offenkundiger, unzweideutiger Weise von dem 
Rechtstitel der Ubertragung substantiell, oder wie 
das Völkerrecht der Gegenwart dies ausdrückt, 
effektiv Gebrauch zu machen. Bei der Okkupa- 
tion dagegen ist der Akt der Besitznahme allein 
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