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Gebräuche der mohammedanischen Völker betrifft,
zum Wohle derselben nur durch das Zusammen-
wirken der Mächte verwirklicht werden könne. Dies
gilt von Agypten so gut (französisch-englisches
Übereinkommen vom 8. April 1904) wie von
Marokko (Generalakte von Algeciras 7. April
1906), von Armenien und von Mazedonien, und
den politischen Verhältnissen auf der Insel Kreta.
Die Einführung einer konstitutionellen Ver-
fassung in der Türkei bot Osterreich-Ungarn den
Anlaß, endlich die Fiktion einer noch fortdauern-
den Souveränität in Bosnien und der Hercego-
vina zu beseitigen, die Einverleibung dieser Län-
der auszusprechen und die geltende Thronerbfolge-
ordnung in Wirksamkeit zu setzen (Kaiserl. Handschr.
und Prokl. vom 5. Okt. 1908). Pochend auf die
großserbische Idee und das Nationalitätsprinzip,
verlangte Serbien die Autonomie der beiden Pro-
vinzen, territoriale und politische Entschädigungen
und rüstete nach deren Ablehnung zum Kriege,
indem es erklärte, sich nur einem einmütigen Votum
der Großmächte auf einer Konferenz fügen zu
wollen, wogegen Osterreich nach Abschluß eines
Abkommens mit der Türkei kategorisch darauf be-
stand, die Sache vorerst in direkter Verhandlung
mit Serbien der Erledigung zuzuführen. Somit
war eine schwere, die gesamte Gleichgewichtslage
bedrohende Krise heraufbeschworen. Da Serbien
die Entscheidung der Mächte angerufen hatte, ver-
ständigten sich England. Rußland, Frankreich und
Deutschland über den Wortlaut einer Erklärung,
wie sie Osterreich-Ungarn gewünscht und in Wien
von Serbien abzugeben war. Nachdem dies er-
folgt und kurz zuvor die Unterzeichner des Berliner
Vertrages die Einverleibung Bosniens und der
Hercegovina in die Donaumonarchie zur Kennt-
nis genommen hatten, war damit die so bedeu-
tungsschwere Balkanangelegenheit zum Abschluß
gelangt.
4. Die Idee eines Weltgleichgewichts.
Das System des europäischen Gleichgewichts hat
in jüngster Zeit tiefgreifende Veränderungen er-
fahren. Wie das 16. und das 17. Jahrh. mit
religiösen Kämpfen ausgefüllt waren, wie im
18. Jahrh. die Ideen des Liberalismus zum Durch-
bruche gelangten und dann die Nationalitätenfrage
des 19. Jahrh. in Spannung und Unruhe ver-
setzte, so erscheint das 20. Jahrh. als die Epoche
des Wettstreites auf handelspolitischem Gebiete.
Die ganze Grundlage der internationalen Be-
ziehungen ist eine weit ausgedehntere geworden
und der Eintritt außereuropäischer Staaten, der
Vereinigten Staaten und Japans, in die Welt-
politik allein schon geeignet, das ganze frühere
diplomatische System von Grund aus umzuformen.
Zudem ist der Ausschwung des Verkehrs ein im-
menser und das Völkerrecht in seinen wichtigsten Be-
ziehungen Verkehrsrecht geworden. Infolge dieser
Verhältnisse ist die gesamte internationale Politik
von Bestrebungen nach Bündnissen und dauern-
den Allianzen beherrscht wie nie zuvor. Die Bezie-
Gleichgewicht, politisches.
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hungen der einflußreichen Staaten Europas treten
im Dreibund und in der französisch-russischen An-
näherung zutage, während England, dessen Macht
durch die Klugheit seiner Diplomatie außerordent-
lich gewachsen ist, die engste Verbindung mit seinen
Kolonien anstrebt. Die panamerikanische Bewegung
bezweckt die Herstellung eines Bundes sämtlicher
amerikanischen Staaten. Die britischen fünf fest-
ländischen Kolonien und Tasmanien haben sich
am 1. Jan. 1901 zum australischen Staatenbunde
zusammengeschlossen und ein gemeinsames Bundes-
parlament eingesetzt; der Anschluß Neuseelands ist
zu gewärtigen.
Die einstigen europäischen Großmächte sind jetzt
Weltmächte, für welche der Ozean unentbehr-
lich ist. Eine Weltmacht ist eine solche, deren Wille
auch in fernen Erdteilen Eindruck macht und die
berufen wie befähigt erscheint, die einheimische
Kraft an allen Punkten der Welt wirksam zu be-
tätigen. Seit geraumer Zeit sind die Vereinigten
Staaten von Amerika in den Kreis der Weltmächte
getreten und bringen durch ihre wirtschaftliche
Konkurrenz Europa in eine schwierige Lage, ver-
ursacht durch den sich steigernden Aufwand für die
Heereserfordernisse. Dem abzuhelfen, hat man die
Einführung eines allgemein geltenden Zolltarifs
für ganz Europa in Vorschlag gebracht, als eines
festen Bindemittels für alle europäischen Staaten.
Dieser allgemeine Zolltarif würde dazu führen,
daß sich die einzelnen Völker amalgamieren, und
die dadurch geschaffene Interessengemeinschaft würde
die Kriege seltener machen und schließlich ganz aus-
schließen. Es sei dann nicht mehr notwendig, auf
die Abschaffung der Rüstungen zu drängen, das
Gleichgewicht würde sich von selbst einstellen. Sind
auch die Vorteile, welche für das Friedensinteresse
und die Gleichgewichtserhaltung von dem Plane
einer Föderation der europäischen Staaten erhofft
werden, nicht zu unterschätzen, so kann eine dauernde
Friedenssicherung, ein Weltgleichgewicht doch nur
erwartet werden, wenn wohlgeordnete, auch in in-
nerem Frieden gefestigte Staaten in maßvoller
Anteilnahme in die Weltkonkurrenz eintreten und
das Real= und Interessenprinzip den Grundsätzen
christlicher Lebensordnung Platz macht.
Literatur. Fenelon, Examen de la con-
science sur les devoirs de la royauté (1700);
D. Hume, Essai of the balance of power (1755);
G. F. Leckie, Research into the nature of power
(1817); Fried. v. Martens, Grundriß der diplo-
mat. Gesch. der europ. Staatshändel u. Friedens-
schlüsse (1807); Gentz, Fragmente aus der neuesten
Gesch. des polit. Gleichgewichts (21806); Wheaton,
Hist. des progres du droit des gens en Europe etc.
(61853); Flassan, Hist. de la diplom. frane.
(1811); Laurent, Hist. du droit des gens etc.
1850/70); dann die Abschnitte über die Gleich-
gewichtsgeschiche in den Lehrbüchern von Heffter
(Einleitung), Rivier (bes. S. 16). Altere Disser-
tationen über Trutina, vulgo bilanz Europae,
aequilibrium politicum, s. bei Ompteda, Lit. des
ges. Völkerrechts II (1785). In der neueren Lit.
ist der Gegenstand meist in Verbindung mit der
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