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rich I. (1100/1135) aufrecht erhalten wurde, aber
in dem Thronstreit 1135/54, der sich an das
Aussterben des Mannesstammes knüpfte, dahin-
schwand.
Die neue Dynastie Anjou-Plantagenet
war ganz französisch und besaß in Frankreich
außer der Normandie und den Hausgütern Anjon,
Maine und Touraine noch ganz Südwestfrank-
reich, das Heinrich II. (1154/89) angeheiratet
hatte. Seine geschickte Regierung wurde um ihre
Erfolge gebracht teils durch einen Zwist mit der
Kirche (Ermordung des Erzbischofs Thomas
Becket) teils durch die Aufstände und durch die
unkluge Regierung seiner Söhne Richard Löwen-
herz (1189/99) und Johann ohne Land (1199
bis 1216). Richard vergeudete seine rohe Kraft
in kriegerischen Abenteuern, Johann geriet durch
seine habgierige Tyrannei und feige Hinterlist in
Konflikt mit Frankreich, dem Papst, den Baronen
und dem Volk. 1213 mußte er sein Reich vom
Papste als Vasall zu Lehen nehmen, und in der
Magna Charta vom 15. Juni 1215 mußte er
die freie Wahl der Prälaten, die Bewilligung der
Abgaben durch den Kronrat der Vasallen (seit
etwa 1240 Parlament genannt), die Achtung des
bestehenden Rechts und die Bildung eines Aus-
schusses zum Schutze der Magna Charta zuge-
stehen. Sein törichter und schwacher Sohn Hein-
rich III. (1216/72) mußte in den Oxforder
Provisionen 1258 die förmliche Mitregierung der
Prälaten und Vasallen anerkennen. In einem
neuen Kampf, in dem der König selbst gefangen
genommen wurde, trat der Führer der Aristo-
kratie, sein Schwager Simon von Montfort, Graf
von Leicester, an die Spitze des Staates und berief
1265 auch je 2 Ritter aus jeder Grasschaft und je
2 Vertreter aus den Städten ins Parlament. Da
die folgenden Könige diese Ordnung beibehielten,
gilt er als Begründer des Hauses der Gemeinen,
die seit 1343 getrennt von den Lords tagten.
Eduard I. (1272/1307) unterwarf 1282/83
das keltische Wales, nach dem der Kronprinz fort-
an den Titel führte, und zwang Schottland zur
Anerkennung der englischen Lehnshoheit, die aber
schon unter Eduard II. 1314 verloren ging. Ir-
land galt seit dem Feldzuge Heinrichs II. 1171
als englischer Besitz, ohne wirklich unterworfen zu
sein. Eduard III. (1327/77) begann 1339 den
unglückseligen 100jährigen Krieg um die franzö-
sische Krone; gleichzeitig dauerten die Kriege mit
Schottland fort, an dem Frankreich bis zum Ende
des schottischen Staates in der Regel einen Bun-
desgenossen hatte. Die Steuerforderungen der
Krone gaben zwar dem Unterhaus Gelegenheit,
sein Bewilligungsrecht festzuhalten, drückten aber
das Volk; der Wohlstand Englands, der im Mittel-
alter hauptsächlich auf dem Ackerbau und der Woll-
ausfuhr nach Flandern beruhte, litt durch die
Kriege und zweimalige Pest (1348 ff und 1362).
Regierungsmaßnahmen, die während des dama-
ligen Uberganges zur Geldwirtschaft recht verkehrt
Großbritannien.
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waren, führten unter Richard II. (1377/99) 1381
zu einem sozialen Aufstand (Wat Tyler). Gleich-
zeitig knüpften sich religiöse Unruhen an die Lehre
Wiclifs (7 1384; Lollarden). Unter der Neben-
linie Lancaster (Heinrich IV., V. und VI., 1399
bis 1461) endete 1453 der Krieg auf dem Fest-
lande mit Verlust aller englischen Besitzungen bis
auf Calais und die Kanalinseln. Dafür begann
jetzt der Thronstreit mit dem Hause York, der
Krieg der roten und weißen Rose (1455/85), der
nach vielen Greueln und Ausrottung der Präten-
denten mit der Anerkennung des beiden Linien ver-
wandten Hauses Tudordurch das Parlamentendete.
2. Zeitalter des Absolutismus (Dy-
nastien Tudor und Stuart, 1485/1688). Schon
der erste Tudor, Heinrich VII. (1485/1509), bil-
dete das absolute Regierungssystem aus, gestützt
auf die allgemeine Friedenssehnsucht, eine eher
geizige als sparsame Finanzwirtschaft, die ihn von
der Geldbewilligung durch das Parlament un-
abhängig machte, und eine straffe Justiz (Stern-
kammer). Heinrich VIII. (1509/47), ein tyran-
nischer Wüstling, dehnte diese Gewalt auch auf
die Kirche aus. Ursprünglich Gegner der Refor-
mation und daher vom Papst mit dem Titel De-
fensor fidei ausgezeichnet, den seine Nachfolger
noch heute führen, ließ er sich auf den Rat Crom-
wells, der dem Protestantismus zusteuerte, wegen
seiner Eheangelegenheit 1534 vom Parlament zum
Oberhaupt der englischen Kirche ernennen; Geist-
liche und Beamte mußten bei Todesstrafe den
Suprematseid leisten. Den Ertrag der Säkulari-
sation (1536 ff) verschlang der verschwenderische
Hoshalt. Unter dem minderjährigen Eduard VI.
(1547/53) wurde von Somerset und Cranmer
mit der katholischen Tradition gebrochen und eine
protestantische Liturgie (Common Prayer-Bock,
1549) eingeführt. Der Versuch seiner Schwester,
Maria der Katholischen (1553/58), die alte
Religion wiederherzustellen, scheiterte weniger an
der Abneigung des Volkes als am Ungeschick
und der Kürze ihrer Regierung. Die Heirat mit
Philipp II. von Spanien und der Krieg mit
Frankreich, in dem 1558 Calais verloren ging,
brachte sie um alle Beliebtheit und Autorität.
Elisabeth (1558/1603) und ihr Kanzler Cecil
(Lord Burleigh) setzten an die Stelle des katho-
lischen Bekenntnisses eine protestantische Liturgie
(Uniformitätsakte, 1559) und Lehre (39 Ar-
tikel, 1562), jedoch mit Beibehaltung der Hier-
archie, und erneuerten den Supremat. Die Ver-
breitung der „papistischen“ Religion wurde streng
verfolgt. Auch die auswärtige, von Cecil geleitete
Politik war ganz vom protestantischen Gedanken
bestimmt. Daher wurden die deutschen protestan-
tischen Fürsten, die Hugenotten, vor allem der
niederländische Aufstand gegen Spanien und der
schottische gegen Maria Stuart unterstützt. Der
Wohlstand Englands war seit den Rosenkriegen
sehr gestiegen. Schiffahrt und Handel machten
sich jetzt von der hansischen und italienischen Be-