Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Städte (boroughs) und Universitäten besteht und 
670 Mitglieder zählt: 
  
  
  
  
Abgeordnete aus sr Städten # Summe 
England u. Wales 253 237 5 495 
Schottland 39 31 2 72 
Irland s 16 2 103 
Verein. Königreich 377 284 9 670 
  
  
  
Die Stadt London entsendet allein 61 Vertreter 
ins Unterhaus. — Die Mitglieder des Unter- 
hauses werden in geheimer, direkter Wahl auf die 
Dauer eines Parlaments gewählt. Das aktive 
Wahlrecht ist an franchises, Wählerqualifika- 
tionen (hauptsächlich Grundbesitz) gebunden, die 
in Grafschaften und Städten verschieden sind. 
Diese franchises sind a) in den Grafschaften: 
) die Owner franchises oder property quali- 
fications; diese steht zu allen Freeholders (freie 
Besitzer kleiner Güter), die ein Grundeigentum 
von 40 Schilling jährlichen Reinertrages haben, 
wenn dieses ein erbliches freehold ist oder sich in 
gutgläubigem Besitz des Wählers befindet oder 
durch Heirat, letztwillige Verfügung oder kraft 
eines Amtes oder einer Pfründe erworben ist; die 
übrigen Freeholders müssen einen Grundbesitz 
von jährlich 5 Pfund Sterling Reinertrag nach- 
weisen, ebenso die Pächter auf 60 Jahre und die 
Copyholders (Besitzer eines mit unbedeutenden 
Lasten verbundenen Zinsgutes). In Schottland 
sind durch Owner franchise wahlberechtigt die 
Eigentümer von Grundstücken mit einem Jahres- 
ertrag von 5 Pf. St., die Pächter (Leaseholders) 
mit einem solchen von 10 Pf. St., wenn die Pacht 
auf Lebenszeit oder 57 Jahre, und von 50 Pf. St., 
wenn sie auf mindestens 19 Jahre erfolgt ist; in 
Irland die Eigentümer von Grundstücken mit 
einem Ertrag von 5 Pf. St., die Copyholders 
und Leaseholders auf 60 Jahre bei einem Er- 
trag von 10 Pf. St., die Leaseholders auf 
14 Jahre und Lebenszeit bei einem Ertrag von 
20 Pf. St., die Eigentümer von Grundrenten 
mit einem Jahresertrag von 20 Pf. St. 2) Die 
Occupation franchise; sie macht wahlberechtigt 
jeden Besitzer von Grundstücken, die einen Jahres- 
ertrag (in England und Irland Reinertrag, in 
Schottland steuerbaren jährlichen Betrag) von 
10 Pf. St. abwerfen. 3) Durch die Household 
franchise ist wahlberechtigt der Bewohner eines 
Wohnhauses (oder eines Teiles), das zur Armen- 
steuer eingeschätzt ist, wenn die Steuer bezahlt 
ist. 4) Durch die Lodger franchise jeder 
Mieter einer Wohnung im jährlichen Werte von 
10 Pf. St. Bei den 3 letztgenannten franchises. 
ist eine gewisse Dauer des Besitzes bzw. der Wohn- 
und Mietzeit (12 Monate) vor der Eintragung in 
die Wählerliste erforderlich, b) In den Städten 
existieren die Occupation franchise und die 
andern franchises mit kleinen Abweichungen 
(6 Monate Wohnsitz) bis auf die Owner fran- 
chise. c) Bei den Universitäten sind wahlberech- 
  
Großbritannien. 
  
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tigt in Oxford, London und Dublin sämtliche 
Graduierten, in Cambridge der Senat, bei den 
schottischen der Kanzler, die Professoren, Mit- 
glieder des Universitätsgerichts und des General 
Council. Kein Wahlrecht haben das weibliche 
Geschlecht, die unter 21 Jahre alten Personen, 
die Ausländer, die Peers (wohl aber ihre Söhne), 
die wahlleitenden Beamten, die wegen eines 
schweren Verbrechens Verurteilten, Geisteskranke 
und diejenigen, die während des Jahres vor 
Aufstellung der Wählerliste Armenunterstützung 
bezogen haben. Das passive Wahlrecht besitzt im 
allgemeinen jeder 21jährige Engländer, der das 
aktive Wahlrecht hat; nicht wählbar sind Aus- 
länder, Geisteskranke, die englischen und schotti- 
schen Peers (wohl aber ihre Söhne und die irischen 
Peers außer den 28 im Oberhaus sitzenden), die 
Priester der englischen und schottischen Staats- 
kirche, die Katholiken, welche die ordines maiores 
empfangen haben, eine große Zahl von richter- 
lichen und Verwaltungsbeamten, die Pächter von 
öffentlichen Abgaben, Zöllen, Akzisen, die Be- 
zieher von Kronpensionen, die Personen, die einen 
Lieferungsvertrag mit der Regierung haben, die 
wegen schwerer Verbrechen oder Bankrott Verur- 
teillen usw. Die Minister haben nur dann Zutritt 
in das Parlament, wenn sie ihm als Mitglieder 
angehören. Die Mitglieder des Parlaments er- 
halten keine Diäten und müssen die noch immer 
bedeutenden Wahlkosten (600—1490 Pf. St. auf 
den Sitz) selbst tragen. Diese Kostspieligkeit der 
Wahlen bewirkt, neben den sonstigen Bestim- 
mungen, daß trotz der Demokratisierung des Wahl- 
rechts seit 1867 die besitzenden Klassen noch immer 
die Macht in den Händen haben. 
Das Parlament hält seine Sitzungen zu West- 
minster. Die erste Sitzung wird vom König selbst 
mit einer Rede vom Throne des Oberhauses, vor 
dessen Schranken die Mitglieder des Unterhauses 
geladen werden, oder durch königliche Kommissare 
eröffnet, worauf jedes Haus in einer schriftlichen 
Adresse besonders antwortet. Schon seit dem 
21. Juli 1858 war jedes der beiden Häuser be- 
rechtigt, einem zu beeidigenden Mitgliede die 
Worte „beim wahren Glauben eines Christen“ zu 
erlassen; seit 1888 ist der Eideszwang abgeschafft 
und kann der Eid durch eine Erklärung ersetzt 
werden. Die Beratungen des Oberhauses werden 
vom Lordkanzler geleitet, der nur formell als 
„Sprecher“ fungiert, da die hohen Herren selbst 
für die Ordnung sorgen. Die Lords stimmen mit 
content und not-content ab; das Recht, durch 
Mandatare (by proxy) sein Votum abgeben zu 
lassen, ist seit 1868 aufgehoben. Das Quorum 
oder die zur Gültigkeit der Abstimmung erforder- 
liche Anzahl von Mitgliedern beträgt im Ober- 
hause 3 (mit Einschluß des Präsidenten), im 
Unterhause 40. Der Präsident des Unterhauses, 
„Sprecher“ (Speaker), welcher die Verhand- 
lungen leitet, ohne selbst daran teilzunehmen 
(während sich die Redner der Form nach an ihn
	        
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