Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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of guardians), das Armensteuereinschätzungs- 
komitee (union assessment committee), bie Be- 
amten, welche die Armenunterstützung verabreichen 
(relieving officers) und zahlreiche vom board 
of guardians angestellte Beamte (Armenhaus- 
direktor, Clerks usw.). Der board of guardians 
setzt sich aus Delegierten der einzelnen Kirchspiele 
zusammen, die von den Kirchspielwählern gewählt 
werden (auch Frauen sind wählbar); er hat die 
Vermögensverwaltung, entscheidet über Gewäh- 
rung von Unterstützungen, die teils durch Unter- 
bringung in (die gefürchteten) Armenpflegehäuser 
(Union workhouse) erfolgt (in-door-relief), 
teils außerhalb des Armenhauses gewährt wird 
(out-door-relief), bestimmt das Steuerein- 
schätzungskomitee, verteilt die Armenlasten der 
  
Union auf die einzelnen Kirchspiele. Eine Re- 
form des Ar terstützungswesens ist zur Zeit 
geplant. 
Die county districts zerfallen in städtische 
(urban) und ländliche (rural). In den städtischen 
ist das bedeutendste Organ der Distriktsrat 
(district council), der aus einer wechselnden An- 
zahl von Mitgliedern besteht (wahlberechtigt jeder 
Kirchspielwähler, wählbar außerdem jeder Voll- 
jährige, der 12 Monate vorher im Distrikt an- 
sässig war; aktives und passives Wahlrecht der 
Frauen). Er stellt die bezahlten Distriktsbeamten 
an, ernennt (auf ein Jahr) den Vorsitzenden, der 
ex officio Friedensrichter ist, verwaltet die für 
Allotment-Zwecke enteigneten Grundstücke, die 
Wasserleitungen und Kanalisationen des Distrikts, 
handhabt die Bau- und Straßenpolizei über die 
lokalen Straßen und schreibt Distriktssteuern aus. 
In den ländlichen Distrikten fallen Armenpflege- 
und Distriktsrat zusammen; die Funktionen sind 
die gleichen wie beim städtischen Distriktsrat. Die 
Aufsichtsgewalt über Kirchspiele und Distrikte 
haben teils der Grafschaftsrat teils das Mini- 
sterium für Lokalverwaltung teils beide gemeinsam. 
Die heutige Grafschaft (administrative! 
county) setzt sich aus städtischen und ländlichen 
county districts und Städten (boroughs) zu- 
sammen. Organe der heutigen Grafschaft sind die 
Friedensrichter, der 1888 neugeschaffene Graf- 
chaftsrat, das joint committee, der Sheriff, 
Coroner und ein Heer von Beamten (Kassenbe- 
amte, Clerks, der Polizeikommandant der Graf- 
schaft (Chief Constable]), die Constables), die 
teils vom Grafschaftsrat teils vom joint com- 
mittee aufgestellt werden. Der Friedensrichter 
  
Großbritannien. 
  
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weit begrenzter und eingeengter ist als auf dem 
Kontinent) und einige Verwaltungsaufgaben (Li- 
zenzenerteilung, Revision der Steuerkataster usw.). 
In den special sessions, den Vereinigungen der 
Friedensrichter eines bestimmten Grafschaftsbezirks 
(division), erteilen sie die Gewerbeberechtigungen, 
Wirtshauskonzessionen u. dgl. Die quarter ses- 
sions, die Vereinigung sämtlicher Friedensrichter 
einer Grafschaft, haben die Appellationsgerichts- 
barkeit von den Entscheidungen der petty ses- 
sions, die Kriminalgerichtsbarkeit über schwere 
Delikte (hier aber durch die Grasschaftsassisen 
immer mehr eingeengt), die Aufsicht über die 
Grasschaftsgefängnisse und -irrenanstalten, ent- 
scheiden über Streitigkeiten der Armenverbände 
untereinander, über Steuerreklamationen u. dgl. 
Das Amt des Friedensrichters ist Ehrenamt, 
widerruflich (dauert aber meist lebenslänglich) und 
an bestimmte Oualifikationen gebunden (Haus- 
oder Grundbesitz in der Grafschaft, Bekleidung 
eines Amtes usw.); ihre Zahl schwankt zwischen 
60 und 800 in einer Grasschaft. Die Ernennung 
erfolgt durch den Lordkanzler auf Empfehlung des 
Lordleutnants der Grasschaft. Die sessions der 
Friedensrichter haben Kompetenz über die ganze 
Grafschaft. 
Der Grafschaftsrat (county council) 
wird von besonders qualifizierten Grafschaftsan- 
gehörigen in direkter Wahl auf 3 Jahre gewählt; 
die Zahl der Mitglieder und ihre Verteilung auf 
Stadt und Land setzt das Local Government 
Board fest. Das Wahlrecht ist gebunden an selb- 
ständigen Haushalt in der Grafschaft, Einschätzung 
zur Armensteuer, Erfüllung der Steuerpflicht bei 
1 2monatigem oder Grundbesitz mit jährlichem 
Reinertrag von 10 Pfund Sterling bei Gmonati- 
gem Aufenthalt in der Grasschaft; auch Frauen, 
die einen selbständigen Haushalt führen, sind 
wahlberechtigt und (seit 1907) wählbar. Der 
Rat wählt aus seiner Mitte die sog. Aldermen 
(auf 6 Jahre) und den Vorsitzenden (chairman, 
auf 1 Jahr), der ex officio Friedensrichter ist. 
Der Rat hat die Verwaltung des Grafschaftsver- 
mögens, die Tierseuchen-, Maß= und Gewichts- 
polizei, die Sorge für die Irrenanstalten, für 
Arme, für die Arbeits= und Korrektionshäuser, 
für arbeitsscheue und verbrecherische Jugend, die 
Kontrolle und Leitung der Unterrichtsverwaltung, 
besonders der Elementarschulen, der Grasschaft, er 
erteilt zahlreiche Konzessionen und ernennt die 
meisten Beamten der Grasschaft. Er hat einen 
war früher der wichtigste aller englischen Beamten, großen Teil der Verwaltungsaufgaben bekommen, 
hat aber durch die Local Government Act viel die früher den quarter sessions der Friedens- 
an Bedeutung verloren. Er hat noch, in Kon= richter zustanden. 
kurrenz mit den Lokalbehörden, Verwaltunge-= Das standing joint committee (ständiges ge- 
geschäfte zu erfüllen (hauptsächlich Wohlfahrte= mischtes Komitee) besteht zur Hälfte aus Dele- 
polizei), ist aber weit mehr richterlicher Beamter. 1 gierten des Grafschaftsrates, zur Hälfte aus solchen 
Als Einzelrichter fungiert er in einer Anzahl von der in den quarter sessions vereinigten Friedens- 
Polizeistrafsachen. In den pettysessions (Gruppe richter; es bestellt die Polizeiwachorgane, den 
von mindestens zwei Friedensrichtern) haben sie Sekretär der großen Friedensrichtersitzungen usw. 
die niedere Polizeigerichtsbarkeit (die überhaupt Der Sheriff vertritt die Grafschaft nach außen,
	        
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