Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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ist Exekutivbeamter der Krone (s. oben). Der Co- 
roner ist ein vom Grafschaftsrat ernannter und 
besoldeter Beamter, der hauptsächlich bei Todes- 
fällen, bei denen der Verdacht eines Verbrechens 
besteht, den Tatbestand aufzunehmen und die Ur- 
sache durch Verdikt einer Jury festzustellen hat. 
Die Städte zerfallen je nach ihrer größeren 
oder geringeren Unabhängigkeit von der Graf- 
schaftsverwaltung in vier Kategorien. Die Muni- 
eipal boroughs sind einfache mit Charter be- 
liehene Städte, ihre Organe der borough council, 
bestehend aus Stadtrat (auf 3 Jahre gewählt), 
den Aldermen (6 Jahre) und dem Bürgermeister 
(mayor, auf 1 Jahr). Der Stadtrat hat die 
Verwaltung des Stadtvermögens, die Wohlfahrts- 
polizei, das Recht, Steuern auszuschreiben usw. 
Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern können 
eigene Polizeiverwaltung erlangen, im übrigen 
steht sie unter der Grafschaft. 
Die Städte mit separierter Friedensrichterkom- 
mission haben eigene Friedensrichter und können 
die Funktionen der petty und special sessions 
ausüben. Die mit quarter sessions beliehenen 
Städte können große Friedensrichtervereinigungen 
abhalten und haben damit größere Verwaltungs- 
befugnis und -polizei, bleiben aber der Graf- 
schaftsbesteuerung unterworfen. Die Grasschafts- 
städte endlich (county borough) haben die meisten 
dem Grasschaftsrat zustehenden Befugnisse und 
sind von der Grasschaftssteuer frei, bleiben aber 
in einigen Beziehungen (Sheriffverwaltung, Graf- 
schaftsmiliz, Assisenverwaltung usw.) noch immer 
innerhalb des Rahmens der Grasschaft. 
Das alte, verwickelte Verwaltungswesen von 
London ist 1888 neu geordnet worden. Seit- 
dem besteht die „Verwaltungsgrafschaft“ London 
(Administrative County of London), welche 
die County of London und die City umfaßt. 
Die City, die ihre eigene Verwaltung, Jurisdik- 
tion und Polizei besitzt, steht unter dem Lord- 
mayor, 25 Aldermen und 206 Gemeinderäten; 
die County unter dem Grafschaftsrat (118 Räten, 
die 19 Aldermen dazuwählen). Das Gebiet der 
County zerfällt in 28 gleichmäßig organisierte 
Einzelgemeinden (metropolitan boroughs) unter 
Borough Councils, deren Rechte und Pflichten 
sich vielfach mit denen des Grafschaftsrates kreuzen. 
Für die Armenpflege bestehen 30 Kirchspielver- 
einigungen (Board of Guardians), von denen 
16 Unionen sind. Die Polizeimacht der Haupt- 
stadt (ohne City), in deren Bereich auch West- 
Ham, Croydon und Tottenham gehören, steht 
unter dem Ministerium des Innern und beträgt 
an 17000 Mann. 
An Kommunalsteuern gibtes in England 
Armensteuern (Poor Rate), Grafschafts= (Coun- 
cil Rate), Stabt- (Borough Rate) und die vom 
Distrikt erhobenen Steuern. 
In Irland ist die Lokalverwaltung der eng- 
lischen nachgebildet; doch ist die Abhängigkeit der 
Grafschaftsräte und der Städte vom irischen 
Großbritannien. 
  
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Local Government Board (1872) größer, ihre 
Befugnisse nicht so ausgedehnt wie in England: 
weder Grafschaft noch Stadt haben Polizei- 
verwaltung, die in Irland ganz staatlich ist, die 
Stadtrechnungen unterliegen der Prüfung eines 
Staatsbeamten, die Kirchspielräte haben kein Be- 
steuerungsrecht u. dgl. An Kommunalsteuern be- 
steht nur die Armensteuer. Dublin, Belfast, Cork, 
Limerick, Londonderry und Waterford sind vom 
Grasschaftsverband eximiert. Der irische Local 
Government Board besteht aus dem Chefsekretär 
für Irland, dem Unterstaatssekretär des Lord- 
leutnants, einem Vizepräsidenten und 2 von der 
Krone ernannten Kommissären, die Subalternbe- 
amten werden vom Local Government Board 
ernannt. 
In Schottland hat der Grasschaftsrat (wie 
der englische eingerichtet, aber keine Aldermen) die 
Polizeiverwaltung, die ehemaligen Verwaltungs- 
befugnisse der Friedensrichter, die Wegebauver- 
waltung und die Gesundheitspflege. Der Friedens- 
richter ist nur mehr Appellinstanz beim Verwal- 
tungsverfahren bezüglich der Verleihung von 
Ausschankberechtigungen. Die Kirchspiele haben 
hauptsächlich die Armenpflege, das Wahlrecht ist 
auch verheirateten Frauen gegeben. Die Elementar- 
schulverwaltung liegt nicht beim Grafschaftsrat, 
sondern in den Händen besonderer School Boards. 
Die Städte sind entweder royal burghs (auf dem 
Wege königlicher Verleihung entstanden, mit Kor- 
porationsrechten) oder police burghs, die durch 
Gesetz ins Leben gerufen und von der Zentral- 
regierung abhängiger sind. Die wichtigsten Be- 
fugnisse der Städte sind die Verwaltung des 
Public Health, die der Wege und höheren 
Schulen, bei Städten über 5000 Einwohnern 
auch die Polizeiverwaltung (mit Polizeiverord- 
nungsrecht) und die Lizenzenerteilung für den 
Handel mit geistigen Getränken. Stadtorgane 
sind der Provost (auf 3 Jahre gewählt, entspricht 
dem englischen Mayor), der Stadtrat (ähnlich ge- 
wählt wie der englische, auf 3 Jahre) und die 
Baillies (auf 3 Jahre; entsprechen etwa den Al- 
dermen). 9 Städte sind aus dem Grasschaftsver- 
band ausgeschieden worden. 
Präsident des 1894 eingerichteten schottischen 
Local Government Board, der dem englischen 
ähnlich ist, ist der Sekretär für Schottland. 
Die Rechts= und Gerichtsverfassung 
Großbritanniens ist verwickelt und veraltet und 
enthält zahlreiche Widersprüche, die sich besonders 
aus dem Mangel eines allgemein gültigen Gesetz- 
buches erklären. Man unterscheidet das gemeine 
Recht (common law), dessen Grundlage die im 
11. Jahrh. gesammelten Reste der britischen, säch- 
sischen und dänischen Gesetze sind, und das statu- 
tarische Recht (statute law), welches in zahllosen 
Parlamentsgesetzen (statute and peculiar laws) 
enthalten ist. Eine dritte Quelle des englischen 
Rechts ist die Equity (Billigkeit im weiteren 
Sinn), die früher einen eigenen Gerichtshof, die 
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