Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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gebung für die schottische Kirche erfolgt ohne könig- 
liche Initiative oder Zustimmung. 
Zahlreich sind die nicht zu diesen Staatskirchen 
Gehörigen (außer den Katholiken und Juden), 
die man schlechtweg Dissenters nennt. Unter diesen 
Sekten (über 100) nehmen die Methodisten und 
Independenten das meiste Interesse in Anspruch. 
Erstere gehören größtenteils der ursprünglichen 
„Wesleyanischen Gemeinschaft“ an; ihr höchstes 
Kirchenorgan ist die Konferenz, welche aus 100 
Geistlichen besteht und eine Repräsentativkonferenz 
von je 240 Geistlichen und Laien für Finanz-, 
Schul= und Missionssachen neben sich hat. In 
der Tendenz und Lehre steht ihnen die von William 
Booth begründete Heilsarmee nahe. — Haupt- 
grundsatz der Independenten oder Kongregatio- 
nalisten ist die gänzliche Unabhängigkeit jeder 
einzelnen Gemeinde sowohl vom Staate als von 
jeder kirchlichen Behörde. Zur Beratung gemein- 
samer Angelegenheiten tritt jährlich zweimal die 
Congregational Union of England and Wales 
zusammen; doch sind deren Beschlüsse für die ein- 
zelnen Gemeinden nicht bindend. Ihnen ähnlich 
in Gemeindeverfassung und Ritus (mit Ausnahme 
der Taufe) sind die Baptisten. 
Juden (an 250 000) leben besonders in Lon- 
don (an 150 000). Manchester und Liverpool. 
An der Spitze des gesamten Unterrichts- 
wesens steht für England und Wales der Board 
of Education, bessen Präsident meist im Kabinett 
sitzt; Schottland erhielt durch die Scotch Edu- 
cation Act 1872 eine besondere Oberbehörde, 
Education Department (in London), die unter 
dem Scottish Committee of the Privy Coun- 
cil on Education steht; in Irland ist das Ele- 
mentarschulwesen einem Board of Commissio- 
ners of National Education in Ireland unter- 
stellt, dessen 18 vom Lordleutnant ernannte Kom- 
missare zur Hälfte katholisch, zur Hälfte protestan- 
tisch sind. — Bis 1830 war das ganze Volks- 
schulwesen Privatsache, und erst 1833 gewährte 
der Staat zum erstenmal Zuschuß. Die Schulakte 
von 1870 sorgte endlich ergiebiger für die elemen- 
tare Schulbildung, die Education Act von 1902 
verschaffte den Privatschulen große pekuniäre Er- 
leichterungen. Entsprechen die von Genossenschaf- 
ten und Privaten eingerichteten Schulen dem Be- 
dürfnis nicht, so muß die Gemeinde eintreten, 
und der Staat gewährt sämtlichen Schulen, welche 
seinen Ansprüchen genügen, einen Zuschuß aus der 
Staatskasse. Der Schulzwang (für Kinder von 
6 bis 14 Jahren) besteht in Schottland seit 1872, 
in England seit 1876 und in Irland seit 1891. 
Staatlich ist rund ein Drittel der Volksschulen mit 
etwa der Hälfte aller Schüler. Die übrigen Schulen 
sind konfessionell und erhalten gegen Erfüllung 
gewisser Bedingungen Beihilfen aus öffentlichen. 
Mitteln. 1907 bestanden in England 20 986 
Elementarschulen (davon 7494 kommunale, 112741. 
anglikanische, 1061 katholische), die jedoch nur 
Großbritannien. 
  
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werden; in Schottland 3285 (87,7 %; 2922 
öffentliche, 213 katholische usw.), in Irland 8538 
(72, 5% ; 4389 katholische, 1562 protestantische, 
2580 gemischte). Die Ausbildung des Lehrper- 
sonals (72 % Lehrerinnen) findet teilweise in etwa 
80 Seminarien (Training colleges) statt. In 
den meisten öffentlichen Volksschulen ist in Abend- 
klassen der Fortbildungsunterricht eingeführt. Die 
Unterrichtsvorlagen der gegenwärtigen liberalen 
Regierung, die zum Teil gegen die konfessionellen 
Schulen gerichtet waren, sind am Widerstand des 
Oberhauses gescheitert. 
Höheres Schulwesen. Für den mittleren 
Unterricht, der fast ausschließlich von Stiftungen 
und Schulvereinen unterhalten wird, aber unter 
staatlicher Aufsicht stehen, sorgen die 27 Great 
Public Schools (die am meisten unsern Gym- 
nasien entsprechen), darunter die 9 „Great- 
est“ Public Schools (Eton College, Rugby 
School, Winchester College, Westminster 
School, Harrow School, Shrewsbury School, 
Charterhouse School, St Paul's School und 
Merchant Taylor's School), ferner grammar 
schools, Stiftungsschulen, collegiate schools, 
in Schottland auch die high schools, aca- 
demies, burgh schools und die schools of 
art (Gewerbeschulen); außerdem sind an den ver- 
schieden eingerichteten wissenschaftlichen oder Ge- 
lehrtenschulen besondere Realabteilungen gebildet. 
Die Lehrpläne der einzelnen Schulen sind ohne 
jede Ubereinstimmung. 1906/07 gab es in Eng- 
land und Wales 6978 Mittelschulen und Mittel- 
schulklassen mit 874700 Schülern, in Schott- 
land 192 mit 36 200 Schülern, in Irland an 290. 
Der Hochschulunterricht unterscheidet sich mit 
seinem eigentümlichen mittelalterlichen Gepräge, 
mit seinem fest vorgeschriebenen Lehrgange und 
seiner strengen Zucht wesentlich von dem des Fest- 
landes und insbesondere von dem deutschen. In 
England bestehen neben den alten Universitäten 
Orxford und Cambridge (beide 12. Jahrh. gegrün- 
det) eine Reihe neuerer, die im 19. und 20. Jahrh. 
organisiert wurden und zum Teil aus älteren 
Colleges sich entwickelt haben: in Durham (1831), 
London (1836), Manchester (1880), Birmingham 
(1900), Liverpool (1903), Leeds (1904), Shef- 
field (1905) und die Universität von Wales 
(1903); in Schottland Edinburgh (1582), Glas- 
gow (1458), Aberdeen (1471), St Andrews 
(1411). Die Universität London ist eine vom 
Staate bestellte Prüfungsbehörde und seit 1900 
auch Lehrkörper. In Irland treten (Parlaments- 
akte 1908) an Stelle der Royal University of 
Ireland in Dublin, die nur Prüfungsbehörde war, 
zwei neue Universitäten: die National Univer- 
sity of lreland in Dublin, deren Leitung einem 
katholischen Laien übertragen werden soll, und die 
Queen s University in Belfast; ferner bestehen 
in Irland die University of Dublin (1591), auch 
„Trinity College genannt, und die unter Aussicht 
von 88,4 % der eingeschriebenen Kinder besucht des kaiholischen Episkopats stehende, aus freien
	        
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