Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Parlaments, überwiesen ist. Die Verwaltung ist 
in 9 Departements eingeteilt, an deren Spitze 
Generalsekretäre stehen. Auch den Gouverneuren 
einiger Provinzen (Bengalen, Birma, Pandschab, 
Vereinigte Provinzen von Agra und Oudhy steht 
ein Rat für Gesetzesvorschläge, denen von Bombay 
und Madras außerdem ein Gouverneursrat (ex- 
ecutive council) zur Seite. — Mittelorgane zwi- 
schen den Zentralbehörden und den Distriktsvor- 
ständen sind die commissioners (Kommissare) in 
den 47 Divisionen, in welche die Provinzen zer- 
fallen. Die Divisionen wieder sind in Distrikte 
(im ganzen 254) eingeteilt, in denen als Vertreter 
der exekutiven Gewalt und zugleich als richterlicher 
Beamter die collectors, magistrates und deput)) 
commissioners fungieren; zur Verwendung der 
lokalen Fonds für Straßen, Brücken, Schulen usw. 
bestehen Distriktsausschüsse von Vertrauensmän- 
nern, die von der Regierung ernannt werden. — 
Die Gerichtsorganisation ist im wesentlichen der 
englischen nachgebildet: oberster Gerichtshof ist 
das Gerichtskomitee des Geheimen Rates in Lon- 
don. Daneben gibt es Hohe Gerichtshöfe in Kal- 
kutta, Bombay, Madras, Allahabad, Lahore und 
Rangoon, Gerichtskommissare in Bombay, Man- 
dalay, Lucknow, für die Nordwestgrenzprovinzen 
und Zentralprovinzen. 
Eine unter Berücksichtigung der verschiedenen 
erschwerenden Umstände unübertroffene Leistung 
statistischer Art war der im Jahre 1901 an einem 
und demselben Tag in ganz Britisch-Indien voll- 
zogene Zensus. Dieser schuf erst eine feste Unter- 
lage für die richtige Erkenntnis des indischen 
Staats- und Volkslebens. Im eigentlichen Bri- 
tisch- Indien wurden gezählt 117804942 männ- 
liche und 114 094 565 weibliche Bewohner, zu- 
sammen 231 899 507. Davon wohnten in 1451 
Städten 22142 257, in 550 030 ländlichen An- 
siedlungen 209757250. In den abhängigen 
Staaten zählte man 32 146 882 männliche, 
30 314667 weibliche Bewohner; davon in 697 
Städten 7 101 964, in 178575 Dörfern 
55 359 585. Die Bevölkerungsdichtigkeit war 
am geringsten in Belutschistan (3 auf 1 qkm), 
am slärksten in Bengalen (169), Agra (179) 
und in den Zentralprovinzen (212). Städte 
über 100 000 Einwohner gab es 27. Der Kon- 
fession nach zählte man in Britisch-Indien ein- 
schließlich der abhängigen Staaten 207 Mill. 
Hindu, 62 Mill. Mohammedaner, 9 Mill. Bud- 
dhisten, 2,3 Mill. Christen (davon römisch-katho- 
lisch 1,2 Mill.). Der Gewerbetätigkeit nach ge- 
hörten 65,16 % Bewohner dem Ackerbau, 5,7% 
den Nahrungsgewerben, 3.8 % der Textil= usw. 
Industrie, 1,42 % dem Handel an. Es waren 
des Lesens und Schreibens kundig von den Hindu 
14690 080 männliche, 996 341 weibliche; von 
den Mohammedanern 1927151 und 91059; 
von den Christen 439 613 und 177 034. 
Staatshaushalt: Einnahmen im Fiskaljahre 
1906/07:73,14, Ausgaben 71,56, Staatsschuld 
Großbritannien. 
  
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253,89 Mill. Pf. St. Ausgaben für Linderung 
der Hungersnot 1899/1900: 2,1, 1900/01; 4,1, 
1907/08: 15 Mill. Pf. St. — Seehandel 1906 
auf 1907: Wert der Einfuhr 107,88, der Aus- 
fuhr 121,6 Mill. Pf. St. — Eisenbahnen 1907;: 
46 826 km. 
Die Fürsten der einheimischen Staaten (un- 
eingeschränkte Monarchien) sind der Suzeränität 
der britischen Krone unterworfen, die sie durch 
Residenten oder Agenten überwacht, werden von 
ihr in allen auswärtigen Angelegenheiten ver- 
treten und besitzen somit. nicht das Recht, Krieg zu 
erklären oder Frieden zu schließen. Die Reichs- 
regierung garantiert denselben die äußere Sicher- 
heit und innere Ruhe ihrer Staaten und überläßt 
ihnen die innere Verwaltung, übernimmt aber 
häufig bei Minderjährigkeit der Fürsten oder auch 
bei Mißwirtschaft die Regierung; die meisten 
zahlen Tribut und dürfen nur eine bestimmte An- 
zahl von Truppen unterhalten. 
Die übrigen Besitzungen in Asien werden, ab- 
gesehen von Cypern, durch Gouverneure verwaltet, 
die in den Kronkolonien gleichzeitig Oberbefehls- 
haber der Truppen sowie Vizeadmirale für Sachen 
der Admiralitätsgerichte sind und gewöhnlich Ex- 
zellenz genannt werden; die Minister führen in 
ihren Kolonien den Titel Honourable. Regie- 
rungssitze sind Colombo auf Ceylon, Singapore 
in den Straits Settlements und Victoria auf 
Hongkong. Der Gouverneur der Straits Settle- 
ments ist zugleich Oberkommissar der Föderierten 
Malaienstaaten (auf der Halbinsel Malakka) und 
Brunei, Gouverneur für Labuan und General- 
konsul für Britisch-Nordborneo und Sarawak; er 
führt auch die Verwaltung der Dependenzen 
Christmasinseln und Keelinginseln. Die Gou- 
verneure in Colombo, Singapore und Victoria 
werden von einem aus höheren Beamten zu- 
sammengesetzten Ministerrate unterstützt; auch tritt 
unter ihrem Vorsitz ein legislativer Rat zusammen, 
dessen Mitglieder die oberen Beamten und vom 
Gouverneur ernannte Personen sind. Protektorate 
sind die Malediven, deren Sultan Tribut an die 
Regierung von Ceylon zahlt, die Sultanate Bru- 
nei und Sarawak (1888) und die Bahreininseln; 
Besitzungen ohne Kolonialverwaltung endlich die 
Sprattley-Insel, Amboina Cay und die Kamaran= 
inseln; das Pachtgebiet von Weihaiwei (1898) 
steht unter einem Kommissar. — Cypern wurde 
durch Vertrag vom 4. Juni 1878 von der Türkei 
abgetreten. Die Regierung leitet ein Oberkom- 
missar (High Commissioner); ihm zur Seite 
steht ein Ministerrat (executive council) und 
ein gesetzgebender Rat (legislature) von 18 Mit- 
gliedern, nämlich 6 höhere Beamte und 12 auf 
5 Jahre gewählte Einwohner, von denen 3 von 
Mohammedanern und 9 von Nichtmohamme- 
danern gewählt werden. Wähler sind alle männ- 
lichen türkischen oder britischen Untertanen oder 
Fremde nicht unter 21 Jahren, die 5 Jahre im 
Lande leben und Steuern zahlen.
	        
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