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zu fällen, dann ergibt sich die jeweilige Zweck-
mäßigkeit und die Anpassungsgabe des Menschen
an das Notwendige.
Der Sozialismus dagegen übersieht, daß neben
allem Wandel und Fortschritt die Natur des
Menschen mindestens in historischen Zeiträumen
zwar nichts Unabänderliches, aber doch in ihrer
Wesensart Verbleibendes ist und auch „die äußere
Natur“, sagen wir hier „der Boden“, unter
wesentlich gleichbleibenden Grundbedingungen
seine Benutzung nur gestattet, seine Produkte nur
hergibt, der Mensch aber als Arbeitsfaktor ein im
wesentlichen gegebenes physisches Leben hat. Mit
Rücksicht hierauf sind gewisse Grundzüge auch bei
der Entwicklung der Bodenrechtsordnung zu be-
trachten.
Daher hat man Vorsicht walten zu lassen in
betreff der Forderung prinzipieller Reformen, der
historischüberkommenen, einmaleingelebten Rechts-
ordnung. Vor Einführung beliebiger Anderungen
und vor dem Absolutismus der Lösungen ist zu
warnen. Ein stark konservativer Zug muß die
Grundtendenz bilden. Diese wichtige Wahrheit
der historischen Nationalökonomie darf nicht über-
sehen werden. Eine „Relativität“ der Ansichten,
des Lobes und Tadels in Wissenschaft und Praxis
ist auch hier allein das richtige. Eine gesunde
Kritik wird uns vor der Unterschätzung des Guten,
des geschichtlich Gewordenen, Bestehenden, das sich
eben allein als solches schon erproben konnte, und
vor der Uberschätzung des Neuen, wenn auch viel-
leicht Erreichbaren und Erstrebenswerten, das eben
immer erst seine Probe zu bestehen hat, bewahren.
Prinzipielle Umänderungen im Bodenrecht werden
mit Vorsicht zu beurteilen und auszuführen sein.
Die Unterscheidung des Bodens nach typischen
Verwendungszwecken wird am besten die Bedeu-
tung für die Fragen der Bodenrechtsordnung er-
weisen. „Das uns hier beschäftigende Problem
dieser Rechtsordnung ist ein einheitliches, den ge-
samten Boden umfassendes. Jede Darstellung und
Kritik hat das zu beachten, was bei der früher
meist allein üblichen Beschränkung der Unter-
suchung auf den ländlich-agrarischen Boden nicht
genügend geschehen ist. Gewisse gleiche Verhält-
nisse und Einzelfragen kehren auch bei allen Boden-
kategorien wieder und zeigen die Einheitlichkeit
des ganzen Problems“ (Wagner). Die natürlichen
ökonomischen Verwendungszwecke und Benutzungs-
weisen sowie die Bearbeitungsart des Bodens sind
verschieden und bei der Bodenrechtsordnung zu
berücksichtigen, wie es auch im älteren und neueren
Recht geschehen ist. Mehrfach treten Vor= wie
Nachteile des Privat= und Gemeineigentums je
nach der Bodenkategorie hervor. Die Schwierig=
keit der Durchführbarkeit des Gemeineigentums
gestaltet sich sehr verschieden. Eine dauernde Ver-
wendung eines Bodens zu bestimmter Art geschah
erst nach fester Ansiedlung. Bei fortschreitenden
Völkern hat die Entwicklung der Volkszahl, die
örtliche Verteilung und Konzentration der Be-
Grundbesitz.
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völkerung, der Fortschritt der Technik immer auch
Veränderungen in der Verwendung bestimmter
Grundstücke, namentlich solcher bestimmter Lage
oder Beschaffenheit, zur Folge.
Sieben typische Verwendungszwecke (Boden-
kategorien) sind zu unterscheiden:
Der Wohnungs= und Wegeboden er-
scheint nur als Träger der Menschen selbst, ihrer
Tätigkeit und Einrichtungen. Die örtliche Lage
bedingt den Wert und die Rentenverhältnisse,
wogegen die Beschaffenheit als unwichtig zurück-
tritt. "
Bergwerksboden ist als Behälter von Stof-
fen anzusehen, die in natürlicher Form schon ge-
wissen Gebrauchswert haben, wenngleich die Ent-
wicklung auch der weiteren Verarbeitung den
Boden durch Wegnahme erschöpft. Zur Ausbeu-
tung der Bodenschätze ist zuerst Arbeit, dann Ka-
pitalanlage, fortdauernde, eigentümliche Aneig-
nungsarbeit und Kapitalverwendung notwendig.
Die natürlichen Weide-, Wald-, Jagd-
böden haben doppelte Funktionen zu erfüllen. Sie
dienen als Behälter von Stoffen und zugleich als
Vermittler und Umbildner von Stoffen in ge-
brauchsfertige Form, zunächst in pflanzliche, even-
tuell auch in tierische. Bei Jagdboden geschieht
die Umbildung durch die Natur spontan. Die
Menschen haben nur die Aneignung unter Be-
achtung von Schonungsrücksichten vorzunehmen.
Bei agrarischem Boden muß die mensch-
liche Tätigkeit die beabsichtigte Formenbildung erst
herstellen. Die Bedingungen für die Wirkung der
Naturkräfte sind erst zu erfüllen. Vorbereitung und
fortdauernde menschliche Arbeit, erneute Zufüh-
rung von Kapital, schließlich Aneignungsarbeit
(Ernten) führen erst den gewünschten Erfolg herbei.
Im folgenden soll auf die Ahnlichkeiten und
Verschiedenheiten der einzelnen Bodenkategorien
sowie die kritische Beurteilung näher eingegangen
werden.
1. Standorts= und Wohnungsboden.
Man begreift hierunter Grundstücke, die als
Standort und ständiger Aufenthaltsort für Men-
schen, als Platz für Wohnungen oder Wohnge-
bäude dienen; ferner als Standort für Gewerbe
sowie für Räume, die hiermit in Verbindung
stehen: Hausgärten, Höfe, Lagerplätze u. dgl. Die
genannte bleibende Zweckbestimmung nach der An-
lage bedingt eine eigentümliche, ökonomisch-tech-
nische Stellung und Funktion, daher eine besondere
Stellung und Behandlung in der Rechtsordnung.
An frühesten hat sich beim Wohnungsboden Pri-
vateigentum entwickelt. Lokale Gemeindebedürf-
nisse stellten sich ein, gegenseitige Beziehungen und
notwendige Rücksichtnahme des einen auf den an-
dern schufen ein beschränktes Privateigentum. Die
enge lokale Anhäufung der Menschen und ihrer
Berufsstätten, Gewerbebetriebe, die daraus her-
vorgehenden Gefahren und Übelstände, die neuere
naturwissenschaftliche Erkenntnis der Einflüsse von
Boden, Luft, Wasser, Licht auf die Gesundheit