Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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aufgestellt, von deren Einhaltung der Eigentums- 
übergang abhängig war (Auflassungsprinzip). 
Aber diese Formen gewährleisteten die Offentlich- 
keit ausreichend nur so lange, als die Auflassung 
vor versammelter Gemeinde vor sich gehen konnte. 
Mit dem wachsenden Verkehre genügten sie dazu 
nicht mehr. Man ließ deshalb die geschehene Auf- 
lassung beurkunden und die Urkunden sammeln, 
um dadurch die Rechtslage der Grundstücke und 
die Offentlichkeit zu sichern. Aus den Urkunden- 
sammlungen entstanden in vielen Gebieten, na- 
mentlich in den verkehrsreichen Städten, Beur- 
kundungsbücher, die Grundbücher, Grund= und 
Hypothekenbücher, Stadtbücher. Diese Bücher 
enthielten bald nur die Auflassungen einzelner 
Grundstücke, bald waren sie Verzeichnisse aller im 
Gemeindebezirk belegenen Grundstücke. Mit dem 
Eindringen des römischen Rechts in Deutschland 
wurde zwar die Einrichtung der Grundbücher fast 
überall wieder aufgegeben; der Gedanke aber, auf 
welchem dieselben beruhten, blieb lebendig und 
führte im Verlauf der letzten 100 Jahre in fast 
ganz Deutschland zu deren Erneuerung, aller- 
dings in verschiedener Form und Bedeutung. Für 
die Beseitigung der bloßen Tradition als Eigen- 
tumserwerbstitel und die Wiederanlage der Grund- 
bücher war nun nicht mehr die öffentlich-rechtliche 
Seite des Grundbesitzes, sondern das schon von 
Carpzov und Mylius betonte Bedürfnis des Real- 
kredits maßgebend. Das System der Buchanlage 
war dabei durch das System der Eigentumsüber- 
tragung bedingt. Im einzelnen galt folgendes: 
Im Gebiete des gemeinen Rechts und des 
preußischen Landrechts erfolgte der Eigentums- 
übergang, bei Immobilien durch die unter Be- 
obachtung bestimmter Formen vollzogene Besitz- 
übergabe; die volle Wirksamkeit des Eigentums, 
insbesondere das Recht der Verpfändung, war 
aber abhängig von der außerdem geschehenen Ein- 
tragung des Eigentumsüberganges in das Hypo- 
thekenbuch, der sog. Besitztitelberichtigung. Das 
Hypothekenbuch war nicht Grund-, sondern bloßes 
Pfandbuch. In Preußen hat sich dann 1872 der 
Übergang zum Grundbuchsystem vollzogen. In 
Osterreich wird das Eigentum an Grundstücken 
nicht durch Tradition, sondern durch Eintragung 
in die Grundbücher (Intabulation) erworben. 
Das Eigentum an dem Grundstücke besteht, bis 
die Eintragung gelöscht ist. Während nach dem 
Besitztitelberichtigungssystem des preußischen Land- 
rechts jemand Eigentümer sein kann, ohne im 
Hypothekenbuche eingetragen zu sein, das Eigen- 
tum an Grundstücken mithin von der Eintragung 
unabhängig bleibt, ist nach dem Intabulations- 
system Eigentümer nur, wer in das Grundbuch 
eingetragen ist, so daß man das Eigentum immer 
aus dem Grundbuch erkennt. Die Unterscheidung 
des preußischen Landrechts zwischen der Tradition 
mit der Wirkung der Eigentumsübertragung und 
der Bucheintragung mit der Wirkung der Zu- 
lässigkeit dinglicher Belastung eines Grundstückes 
Grundbuchamt. 
  
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ist im österreichischen Gesetzbuch gänzlich auf- 
gegeben. Nach französischem Rechte erfolgt 
der Eigentumsübergang bei Immobilien sowohl 
wie bei Mobilien durch den Vertrag; die Wirkung 
des Eigentumsübergangs ist aber Dritten gegen- 
über insoweit von der Eintragung in das Tran- 
skriptionsregister abhängig gemacht, als die er- 
folgte Transkription die Inskription von Hypo- 
theken und Privilegien gegen den Veräußerer 
zugunsten Dritter sowie die Wiederauflösungs- 
klage des Veräußerers gegen den Erwerber be- 
schränkt und dem Erwerber die Möglichkeit der 
Vornahme des Hypothekenreinigungsverfahrens 
gewährt. 
Da sich das Traditionsprinzip sowie die ge- 
setzlichen und generellen Hypotheken des römischen 
Rechts in den gemeinrechtlichen Bezirken Deutsch- 
lands immer mehr als unvereinbar mit den An- 
forderungen erwiesen, welche das zunehmende 
Kreditbedürfnis der Grundbesitzer an die Rechts- 
sicherheit stellte, so gingen die Einzelstaaten an 
eine Reform des Immobilienrechts. Dabei wur- 
den von der einen Staatengruppe nur die Rechts- 
verhältnisse ins Auge gefaßt, welche dem Im- 
mobiliarkredit dienen, und zur Aufnahme der 
Hypotheken die Pfandbücher eingeführt. Die 
andere Gruppe regelte die Rechtsverhältnisse des 
Immobiliarsachenrechts allgemein und gelangte 
so zum Grundbuchsystem. Die Mitwirkung der 
Grundbuchämter bei der Buchführung war nach 
den verschiedenen Buchsystemen verschieden ge- 
staltet. In diesen zersplitterten Zustand griff für 
das Deutsche Reich die Reichsgesetzgebung ein, 
indem sie durch das B.G.B. und durch die Reichs- 
grundbuchordnung vom 24. März 1897 das 
Grundbuchsystem für das ganze Reichsgebiet 
durchführte sowie einheitlich vorschrieb, daß die 
Grundbücher von den Grundbuchämtern zu führen 
seien. Die Verfassung der Grundbuchämter ist, 
um möglichst wenig in die Behördenorganisation 
der Einzelstaaten einzugreifen, der Reglung durch 
die Landesgesetzgebung überlassen. Diese hat ent- 
weder die Amtsgerichte oder eine Abteilung eines 
einzelnen Amtsgerichts zum Grundbuchamt be- 
stimmt oder wie Baden, Württemberg und Mecklen- 
burg das Grundbuchamt als selbständige Staats- 
oder Gemeindebehörde eingerichtet oder mit einer 
andern Staats= oder Gemeindebehörde vereinigt 
oder gar für das Land mit dem Amtsgericht, für 
die Städte mit der Gemeindebehörde verbunden. 
Die Landesgesetzgebung hat auch angeordnet, ob 
das Grundbuchamt durch einen einzelnen Beamten 
oder durch eine kollegiale Behörde verwaltet wird, 
sowie ob und inwieweit im letzteren Falle eine 
Teilung der Geschäfte oder deren gemeinschaftliche 
Bearbeitung eintritt. Jedes Grundbuchamt be- 
steht aus dem oder den Grundbuchbeamten und 
dem ihnen beigeordneten Grundbuchführer. In 
Preußen, wo die Amtsgerichte Grundbuchämter 
sind, gehören zum Grundbuchamt ein Amtsrichter 
und ein Gerichtsschreiber (Grundbuchrichter und 
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