Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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welche die ausgedehnteste Nutzbarmachung von 
Lastkraftfahrzeugen mit einer gewissen Fahrge- 
schwindigkeit, namentlich für militärische Zwecke, 
sichern soll, und bei Festsetzung des Höchstbetrages 
der Entschädigungen. Er beläuft sich im Falle 
der Tötung oder Verletzung einer Person auf 
50 000 M Kapital oder 3000 M Rente, mehrerer 
Personen auf 150 000 M Kapital oder 9000 M 
Rente und bei Sachbeschädigung auf 10 000 M. 
Den gleichzeitigen Vorschlag der Kommission, die 
sämtlichen Automobilhalter zu einer Zwangs- 
genossenschaft zu vereinigen, welche die Haftpflicht 
allen geschädigten Dritten gegenüber zu über- 
nehmen hat, will die Regierung nach Erledigung 
der Automobilvorlage eingehend prüfen. 
Osterreich hat bereits unterm 9. Aug. 1908 
ein Automobilgesetz erhalten, welches auf dem 
Grundsatz der Eisenbahnhaftpflicht aufgebaut ist, 
doch mit wesentlichen Mulderungen. 
III. Haftpfslicht des Staates und anderer 
öffentlicher Verbande für Amtspflichtverletzungen 
von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Ge- 
walt. Dasfranzösische Rechi (Codecivil Art. 1384) 
hatte bereits den Grundsatz aufgestellt, daß der 
Staat, die Gemeinden und andere Kommunal= 
verbände für den von ihren Beamten in Ausübung 
der diesen anvertrauten öffentlichen Gewalt zuge- 
fügten Schaden zu haften haben, indem es auch 
den Staat als commettant und die Beamten 
als préposés betrachtete. Dagegen war im preu- 
ßischen Allgemeinen Landrecht und im Gemeinen 
Recht eine solche Haftung nicht zugestanden. Das 
B.G. B. regelte in § 839 die Haftpflicht des ein- 
zelnen Beamten, lehnte aber ebenfalls eine Haft- 
pflicht des Staates für Verfehlungen seiner Be- 
amten auf öffentlich-rechtlichem Gebiet ab. Da- 
gegen bezog es in 8 89 Abs. 1 die Haftpflicht eines 
Vereines für Schadenszufügungen durch seinen 
Vorstand und andere Vertreter auch auf den 
Fiskus sowie auf alle Körperschaften, Stiftungen 
und Anstalten des öffentlichen Rechts. Ausnahms- 
weise bestimmte auch im Gebiet des öffentlichen 
Rechts § 12 der Grundbuchordnung, daß beie 
Schadenszufügungen durch Amtsverletzungen der 
Grundbuchbeamten der Staat oder die Körper- 
schaft, in deren Dienst der Beamte steht, den 
Schaden zu ersetzen hat. Im übrigen wurde die 
Reglung der Haftung des Staates für hoheits- 
rechtliche Handlungen seiner Beamten nach Art. 77 
des Einf.Ges. der Landesgesetzgebung vorbehalten 
und die Reglung der Haftung des Reiches für 
seine Beamten einstweilen zurückgestellt. Bayern, 
Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar 
usw. regelten die Frage sodann bereits in ihren 
Ausf.Ges. zum B. G.B.;z im Königreich Sachsen 
war dieselbe Haftung gewohnheitsrechtlich aner- 
kannt und wurde aufrechterhalten; andere Bundes- 
staaten folgten mit besondern Gesetzen. Diese Reg- 
lung ist in Hessen, Sachsen-Weimar usw. im Sinne 
einer subsidiären, bürgschaftsähnlichen Haftung 
des Staates getroffen, in Bayern, Württemberg, 
Haftpflicht. 
  
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Sachsen, Baden usw. im Sinne einer prinzipalen 
Haftung. Preußen und das Reich blieben noch 
immer zurück. Dies führte zu Resolutionen im 
preußischen Abgeordnetenhaus am 8. Jan. 1907 
und im Reichstag im April 1907 bei der Etats- 
beratung, welche die baldige Vorlage entsprechen- 
der Gesetzenwürfe verlangten. Am 29. Okt. 1908 
wurde nun dem preußischen Abgeordnetenhaus 
ein Entwurf vorgelegt. § 1 des Entwurfes er- 
kennt den Grundsatz an: „Verletzt ein unmittel- 
barer Staatsbeamter in Ausübung der ihm an- 
vertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder 
fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber ob- 
liegende Amtspflicht, so trifft die im 8§ 889 des 
B. G. B. bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle 
des Beamten den Staat.“ § 2 dehnt die Grund- 
sätze des sog. Konflikts auch auf die von § 1 ge- 
troffenen Fälle aus. Danach kann die dem Be- 
amten vorgesetzte Dienstbehörde, falls sie nicht 
anerkennt, daß der Beamte sich einer Überschrei- 
tung seiner Amtsbefugnisse oder einer pflicht- 
widrigen Unterlassung schuldig gemacht habe, 
durch Erhebung des Konfliktes im Sinne des 
Gesetzes vom 13. Febr. 1854 eine Vorentschei- 
dung des Oberverwaltungsgerichtes über diese 
Voraussetzung des Ersatzanspruches herbeiführen, 
mit der Wirkung, daß, wenn jenes diese Voraus- 
setzung verneint, das zivile Prozeßverfahren ein- 
zustellen ist. (Vgl. den Art. Kompetenzkonflikt.) 
Ahnliche Vorschriften enthält auch das bayrische, 
badische und hessische Recht. Wenn der Staat 
Schadenersatz geleistet hat, so bleibt ihm nach § 8 
der Regreßanspruch gegen den Beamten. § 4 will 
alle diese Vorschriften auch auf die Beamten der 
Kommunalverbände, auf die Lehrer, Lehrerinnen 
der Schulverbände ausdehnen, so daß Kommunal= 
und Schulverbände für die Verfehlung ihrer Be- 
amten bzw. Lehrer haften sollen. Das Zustande- 
kommen dieses Entwurfes, wenn auch in veränderter 
Gestalt, ist zuversichtlich zu erwarten, ebenso ein 
baldiges Nachfolgen der Reichsgesetzgebung. 
Literatur. Die H frage, in den Schriften des Ver- 
eins für Sozialpolitik Bd 19 (1880); Schwanck, Die 
deutsche H. frage (1881); Sauzet, De la responss- 
bilité des patrons (1883); Bödiker, Unfallgesetz- 
gebung (1884); Mataja, Das Recht des Schaden- 
ersatzes (1888); Tarbouriech, Des assurances 
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Les accidents du travail manuel dans le louage 
de services (1890); Gibon, Les accidents du tra- 
vail et lP’industrie (1890); Mousson, H (1891); 
Mitteilungen des deutschen H. verbandes (seit 1893); 
Tarbouriech, La responsabilité des accidents 
(1896); van der Borght, Die H. der gewerblichen 
Unternehmer in Deutschland (1897); Merkel, Die 
Kollision rechtmäßiger Interessen (1898); Zacher, 
Die Arbeiterversicherung im Ausland (1898 ffj); 
Art. „H.“, „H.versicherung“ im Handwörterb der 
Staatswissenschaften IV (21900); Laß u. Maier 
H. recht (71902); Meili, Die rechtl. Stellung der 
Automobile (1902); Andersson, Das neue H. gesetz 
u. die Unfallversicherung in Schweden (1904); 
Krasnopolski, H. der Eisenbahnen, in Mischler u.
	        
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