Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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schaft. Der Senat, welcher die vollziehende und 
in Verbindung mit der Bürgerschaft die gesetz- 
gebende Gewalt ausübt, besteht aus 18 mindestens 
30 Jahren alten, auf Lebenszeit gewählten Mit- 
gliedern, von denen 9 juristisch gebildet und 
7 Kaufleute sein müssen. Die Wahl der Sena- 
toren geht aus der Einigung von je 4 Vertrauens- 
männern des Senates und der Bürgerschaft her- 
vor, die einen Wahlaufsatz von 4 Kandidaten 
aufstellen. Von diesen streicht der Senat 2 und 
die Bürgerschaft; aus den beiden übrigen wählt 
die Bürgerschaft den neuen Senator mittels Stimm- 
zettel. Der Gewählte ist zur Annahme des Amtes 
verpflichtet, kann aber nach 6 Jahren ausscheiden. 
— Die Bürgerschaft hat 160 Mitglieder. Von 
diesen werden gewählt: 80 durch alle Bürger (72 
im Stadt-, 8 im Landgebiet, sog. allgemeine 
Wahlen), 40 durch die Bürger, die Eigentümer 
von in der Stadt belegenen Grundstücken sind 
(Grundeigentümerwahlen), und 40 durch die Bür- 
ger, die Mitglieder des Senates, der Bürgerschaft 
oder bestimmter Gerichte und Behörden (Handels- 
kammer u. dgl.) sind oder waren (Notabelnwahlen). 
Um das Anwachsen des sozialdemokratischen Ein- 
flusses in der Bürgerschaft zu verhindern, wurde 
durch Gesetz vom 5. März 1906 die geheime di- 
rekte Wahl durch absolute Stimmenmehrheit auf- 
gehoben, außer bei den allgemeinen Wahlen im 
Landgebiet, die Verhältniswahl eingeführt und 
für die allgemeinen Wahlen im Stadtgebiet eine 
Zweigruppeneinteilung geschaffen. Die erste 
Gruppe wählt 48 Abgeordnete und umfaßt alle 
Wähler, die mehr als 2500 KM versteuern; der 
zweiten Gruppe, zu der die übrigen Wähler ge- 
hören, fallen die weiteren 24 Sitze zu. Nur Ein- 
kommensteuer (bei Einkommen über 1200 AM) 
zahlende Bürger sind wahlberechtigt. Das Bürger- 
recht wird nur an männliche Staatsangehörige 
verliehen, die während der letzten 5 Jahre ein jähr- 
liches Einkommen von mindestens 1200 M in 
Hamburg versteuert haben. Zur Wahlberechtigung 
sind 25, zur Wählbarkeit 30 Lebensjahre erforder- 
lich. Das Mandat dauert 6 Jahre, doch scheidet 
alle 3 Jahre die Hälfte der Mitglieder aus. Von 
und aus dem Senate werden jährlich in geheimer 
Abstimmung 2 Bürgermeister gewählt, die im 
Senate den Vorsitz führen; länger als 2 Jahre 
nacheinander darf kein Bürgermeister im Amte 
bleiben. Neben ihnen fungieren 4 Syndici mit 
beratender Stimme im Senat. Die Bürgerschaft 
wählt aus ihrer Mitte für gewisse Geschäfte der 
Bürgerschaft sowie zur Vermittlung des Verkehrs 
zwischen dieser und dem Senate den Bürgeraus- 
schuß, der 20 Mitglieder zählt, von denen nur 
5 juristisch gebildet sein dürfen. In den Bundes- 
rat entsendet Hamburg einen Bevollmächtigten, in 
den Reichstag 3 Abgeordnete. 
Die Grundlage der Verwaltung bildet das 
Gesetz vom 2. Nov. 1896. Ihre Eigenart besteht 
in der Verbindung der Staatsverwaltung mit der 
Kommunalverwaltung der Stadt Hamburg. Das 
Hamburg. 
  
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staatliche Leben wird beherrscht durch die Pflege 
der kommerziellen, industriellen und kulturellen 
Interessen der Stadtgemeinde. Die Verwaltungs- 
behörden zerfallen vorwiegend in Kommissionen 
(nur Senatoren) und Deputationen (Senatoren 
und Bürgerschaftsmitglieder). Die einzelnen Se- 
natsmitglieder fungieren zugleich als Staatsbe- 
amte und stehen an der Spitze der verschiedenen 
Verwaltungszweige, werden jedoch von besondern 
Berufsbeamten unterstützt. Oberste Verwaltungs- 
behörde ist der Senat, doch steht der Bürgerschaft 
die Kontrolle und das Budgetrecht zu. Zur Zeit 
bestehen 13 Verwaltungsabteilungen und Zentral- 
behörden. 
Die Landherren für die vier Landherrenschaften 
sind im wesentlichen nur Ortspolizei= und Aufsichts- 
behörden für die ländlichen Gemeindebehörden. 
Für die Rechtspflege ist das Oberlandesgericht 
zu Hamburg den drei Hansestädten sowie dem 
Oldenburgschen Lande Lübeck gemeinsam. 
Neben der Handelskammer gibt es seit dem 
Jahre 1904 eine den Interessen des Kleinhandels 
dienende Detaillistenkammer. Die Rechte und 
Pflichten der Handwerkskammer sind der Ge- 
werbekammer überwiesen. 
Der Oberpostdirektionsbezirk Hamburg umfaßt 
Hamburg und Lübeck, einzelne Teile der preu- 
ßischen Regierungsbezirke Lüneburg und Stade 
und den südöstlichen Teil von Schleswig-Holstein 
einschließlich Lauenburg, die oldenburgischen En- 
klaven Niendorf (Ostsee) und Stockelsdorf und 
Helgoland. 
Das werbende Aktiv-Vermögen des Staates 
besteht in ausgedehntem Staatsgrundbesitz (ein- 
schließlich der Forsten über ½ des gesamten 
Staatsgebietes), den mit Aufwendung vieler Mil- 
lionen hergestellten Hafen= und Kai-Bauten, ein- 
schließlich der Kai-Eisenbahnen, der Verbindungs- 
bahn, den Gaswerken, der Stadtwasserkunst, dem 
Schlachthof uud den Viehmärkten, den Bauten 
der ehemaligen Zollvereinsniederlage usw. Der 
Wert dieses Vermögens läßt sich ziffernmäßig nicht 
angeben. Die Einnahmen aus Staatsvermögen, 
Domänen und Regalien betrugen 1906: 31,40 
Mill. #k. Die gesamte Staatsschuld betrug 1909: 
633,22 Mill. X und 2026000 M jährliche Rente. 
Der Voranschlag für Verzinsung der Anleihen 
beträgt für 1909: 22,43 Mill. M, für Tilgun- 
gen 3,14 Mill. M. Die Abrechnung für das 
Jahr 1906 ergab im ordentlichen Etat eine Ein- 
nahme von 119,55 Mill. M und eine Ausgabe 
von 121,74 Mill. M, mithin ein Defizit von 
2,19 Mill. M gegen einen Überschuß von 10.49 
Mill. Ak im Jahre 1905. Das Saldo des Kon- 
tos „UÜberschüsse früherer Jahre“ beläuft sich im 
Januar 1909 auf rund 9 Mill. M. Es ist zu 
beachten, daß das staatliche und städtische Budget 
nicht getrennt ist. 
Laut Militärkonvention vom 30. Sept. 
1867 ist das Hamburger Truppenkontingent der 
preußischen Armee einverleibt. Die Wehrpflich-
	        
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