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diese Güter doch den Dispositionen des Handels
unterworfen. Die ungeheuern Wertzahlen, die
im auswärtigen Handel in Frage kommen, sind
bereits oben (Sp. 1031) angegeben; auch auf die
noch größeren des Binnenhandels ist schon hin-
gewiesen. Hier mag noch auf die Größe der im
Geld= und Kredithandel umgesetzten Werte ver-
wiesen werden, die in hervorragendstem Maße dem
Handel dienen.
Es kommt ferner hinzu der Umstand, daß der
Handel an andern Zweigen der Volkswirtschaft
unmittelbar stark beteiligt ist, ja sogar sie zum Teil
erst zur Entwicklung gebracht hat, und wenn nicht
ausschließlich, so doch in erheblichem Maße be-
schäftigt. In erster Linie ist hierbei an das Trans-
portgewerbe zu denken, das in weit überwiegendem
Maße im Dienste des Handels steht. Das Nähere
muß ebenfalls wieder den Spezialartikeln, ins-
besondere über Eisenbahnen, überlassen werden;
hier möge nur auf folgendes hingewiesen sein.
Der Bestand der deutschen Handelsmarine im
Jahre 1898 betrug 3693 Schiffe mit einem Raum-
gehalt von 2189 508 Registertonnen-Brutto und
42428 Mann Besatzung. Am 1. Jan. 1907 beliefen
sich dieentsprechenden Zahlen auf#4430 bzw. 4002 896
und 67356. Dabei sind nur die Schiffe mit 50 chm
— 17,56 R.-T.-Brutto-Raumgehalt gerechnet; ihr
Netto-Raumgehalt belief sich auf 2 629 093 R.-T.
Am 31. Dez. 1906 besaßen England 20 764 Schiffe
mit 11 167232 R.-T.-Netto-Gehalt und die briti-
schen Besitzungen 17 108 Schiffe mit 16240 049
R.-T.-Netto. Dabei sind aber nur die Schiffe bis
15 R.-T.-Brutto-Raumgehalt, die nur auf Flüssen
und an der Küste des Heimatbezirkes verwendet
werden, nicht mitgezählt. Frankreich hatte (am
31. Dez. 1906) 16 999 Schiffe mit 1 400 542 R.=
T.-Netto, wobei nur die kleinen Fischerboote nicht
gerechnet sind, Norwegen (zu derselben Zeit) 7570
Schiffe von 4 R.-T.-Netto ab, mit 1547 550 R.=
T.-Netto, Italien (am 31. Dez. 1905) 5534 Schiffe
(abgesehen von den kleinen Küstenschiffen und Fi-
scherbooten) mit 1025 603 R.-T.-Retto und die
Vereinigten Staaten von Amerika (am 30. Juni
1907) 20 196 Schiffe mit 4 327 537 R.-T.-Netto
(ohne die Boote unter 5 R.-T.-Retto, aber ein-
schließlich der Fahrzeuge in der Küstenfahrt und
der Fischerei).
Im Seeverkehr kamen 1906 in deutschen Häfen
an mit Ladung 69 019 deutsche und 20 951 fremde
Schiffe, und es gingen ab mit Ladung 59601 deut-
sche und 14 889 fremde Seeschiffe. Dagegen kamen
an in Ballast oder leer 9447 deutsche und 2695
fremde Seeschiffe, und es gingen ab in Ballast oder
leer 19749 deutsche und 8894 fremde. — Für den
deutschen Binnenhandel kamen dann noch im Jahre
1902 an Schiffen, die der Fluß-, Kanal-, Haff-
und Küstenschiffahrt dienten, 22 235 Segel- und
2604 Dampfschiffe in Betracht.
IV. Handelspolitik. Es ist sonach dem
Handel nicht bloß wegen seines Anteils an der
volkswirtschaftlichen Arbeit, sondern auch schon
wegen der Größe des ihm angehörenden oder
mittelbar von ihm abhängigen Bevölkerungsteils
und des Wertes des von ihm umgesetzten Teils des
Volksvermögens eine hohe wirtschaftliche Bedeu-
Handel usw.
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tung zuzusprechen. Seine fühlbaren Wirkungen
auf das wirtschaftliche Leben der Völker haben
denn auch das Verhalten der Staatsgewalten aller
Zeiten zur Rücksichtnahme auf ihn bestimmt.
Dieses Verhalten der Staatsgewalt gegenüber dem
Handel, das bewußt geübt, unmittelbar oder
mittelbar, fördernd oder hemmend, im Innern
des Landes oder nach außen den Handel zu be-
einflussen strebt, ist als Handelspolitik zu
bezeichnen. Je nachdem diese Politik den Binnen-
oder den auswärtigen Handel zum Gegenstande
hat, wird sie als innere oder äußere (auswärtige)
Handelspolitik bezeichnet.
1. Was die innere Handelspolitik anlangt, so
sind aus der Geschichte fast aller Staaten des
Altertums zahlreiche Nachrichten erhalten, aus
denen hervorgeht, wie intensiv sich die Staats-
verwaltungen auch jener Zeiten schon mit dem
Handel und Verkehr beschäftigten. Auf näheres
Eingehen muß verzichtet, nur an einiges mag
erinnert werden. So wissen wir aus der älte-
sten Geschichte Agyptens, daß schon Maß und
Gewicht genau beaufsichtigt, daß zur Förde-
rung des Handels Kanäle angelegt wurden. Die
Babylonier bereits fixierten das Verhältnis der
beiden Edelmetalle auf 1: 13¼ und wurden
so die Urheber der ältesten Doppelwährung.
Im alten Athen gab es bereits ein eigenes
beschleunigtes Verfahren für Handelsprozesse.
— Das Mittelalter, welches die schon er-
wähnten Grundsätze der kanonistischen Lehre zur
Geltung bringt, ist besonders stark in Reglemen-
tierung des Handels; der Betrieb des Handels ist
nur unter Beitritt zur Gilde oder Innung gestattet,
ausführliche Marktordnungen werden erlassen, die
Meßpolizei usw. eingehend geregelt. Von beson-
derer Bedeutung war die Erteilung gewisser Vor-
rechte an die Städte zur Begünstigung derselben,
die aber auch den großen Nachteil hatten, den
Handel an diese Orte zu binden. Dahin gehören
die Markt- und Meßprivilegien, das Privilegium,
daß auf eine bestimmte Entfernung kein anderer
Markt errichtet werden darf, daß die ländliche
Bevölkerung der Umgebung einer Stadt in dieser
kaufen muß. Dahin gehört vor allem neben dem
Kranrecht das Stapelrecht, von dem es drei Grade
gab: entweder durften die durch= oder vorbei-
geführten Waren nur von den Bürgern der pri-
vilegierten Stadt weiter transportiert werden (Um-
schlagsrecht), oder sie mußten vor dem Weiter-
transport in der Stadt feilgeboten worden sein
(ius stapulae), oder es hatten die Bürger sogar
das ausschließliche Recht, sie den Eigentümern ab-
zukaufen (ius emporlü). Keine handelspolitische
Bedeutung hatten ursprünglich die Binnenzölle;
sie waren vielmehr Entschädigungen an den Für-
sten oder Grundherrn für die Unterhaltung der
Straßen, Brücken usw. oder für freies Geleit,
nahmen aber später den Charakter wirklicher Grenz-
zölle und damit handelspolitischer Maßnahmen
an. — In der neueren Zeit machte sich immer