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testen geht dies in Osterreich-Ungarn, wo ihnen
Obliegenheiten in Führung der Firmen-, der
Marken= und Musterregister anvertraut sind, und
in Osterreich, wo ihnen außerdem gewisse politische
Wahlrechte zustehen.
Neben den Handelskammern im eigenen Lande
sind für manche Staaten, gewissermaßen als Er-
gänzung und Unterstützung der konsularischen
Tätigkeit, auch Handelskammern in fremden
Ländern, teils als amtliche unter staatlicher
Autorität, wie die französischen (etwa 30), teils
als freie Vereinigungen errichtet worden, so für
Osterreich-Ungarn in Konstantinopel, für Eng-
land, Rußland und Belgien in Paris, für Frank-
reich und die Vereinigten Staaten von Amerika in
London u. dgl. mehr. Auch in Deutschland ist der
Wunsch nach gleicher Betätigung geltend gemacht
und ein entsprechender Antrag im Reichstage
schon mehrmals angenommen worden, ohne indes
bei den Regierungen Entgegenkommen gefunden
zu haben.
3. Die Handelskammern im Deutschen
Reiche. Zur Zeit besitzen, von wenigen kleinen
abgesehen, sämtliche Bundesstaaten sowie Elsaß-
Lothringen Handelskammern, Handels= und Ge-
werbekammern oder ihnen gleichgestellte Korpo-
rationen, insgesamt 150, davon Preußen 89.
Zum Teil sind sie erst in allerjüngster Zeit ent-
standen, namentlich in den kleineren Bundesstaaten.
Am weitesten zurückverfolgen läßt sich die durch
Gesetz vom 23. Jan. 1880 neu organisierte Han-
delskammer in Hamburg, nämlich auf die dort
1665 gegründete Kommerz-Deputation. Die
Handelskammer in Mannheim leitet ihr ältestes
Privilegium in kurpfälzische Zeiten, in das Jahr
1728 zurück. Im übrigen ist gerade in Deutsch-
land die Bildung der Handelskammern durch
Frankreich beeinflußt. In den von Frankreich an-
nektiert gewesenen Ländern nämlich fanden sich bei
ihrer Wiedererwerbung Handelskammern vor, die
nach jenem Dezemberdekret von 1802 gegründet
waren; so in Krefeld, Köln, Aachen, Eupen, Stol-
berg, Mainz, Koblenz. Nach ihrem Vorbilde hat
Preußen zunächst in den ihm zugefallenen Landes-
teilen französischen Rechts die Kammern erheblich
vermehrt, ist sodann mittels königlicher Verord-
nung vom 11. Febr. 1848 auf diesem Wege fort-
geschritten und hat so den Anstoß zur Nachahmung
auch in dem übrigen Deutschland gegeben. Die
Entwicklung ist indessen, auch abgesehen von den
zeitlichen Unterschieden, sehr ungleichmäßig ge-
wesen. Es mögen hier einige Bemerkungen über
die preußischen Kammern folgen, die, wenn auch
in vielem nicht überall zutreffend, doch im all-
gemeinen ein Bild der Verhältnisse auch in den
andern Bundesstaaten geben, namentlich wenn da-
bei an zutreffender Stelle auf etwaige wichtigere
Abweichungen hingewiesen wird.
Eine Neuordnung der Verhältnisse nahm
Preußen mittels Gesetz vom 24. Febr. 1870 und
einer Novelle dazu vom 19. Aug. 1897 vor, welche
Handelskammern.
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die Errichtung einer Handelskammer der Initiative
der Handels= und Gewerbetreibenden überlassen
und die staatliche Einwirkung darauf beschränken,
daß die Errichtung der Genehmigung des Handels-
ministers unterliegt. Danach haben sich in Preußen
die Handelskammern sehr ungleichmäßig entwickelt,
indem einerseits für weite Landesteile Handels-
kammern überhaupt nicht errichtet sind, anderseits
die bestehenden Handelskammern in ihrer Aus-
dehnung und wirtschaftlichen Bedeutung die größ-
ten Verschiedenheiten aufweisen. In einer Anzahl
kleinerer Bundesstaaten deckt sich der Bezirk der
Handelskammern mit dem des Staates; in meh-
reren größeren, unter ihnen Bayern, Sachsen,
Württemberg, ist das ganze Land in Kammer-
bezirke eingeteilt. Eine Vorlage an das preußische
Abgeordnetenhaus vom Jahre 1896, welche außer
anderem diese Einrichtung auch für Preußen treffen
wollte, wurde, weil ihre Annahme ausgeschlossen
schien, wieder zurückgezogen. — Für den Bezirk,
für welchen sie errichtet sind, sind die Handels-
kammern Zwangsorganisationen, denen sich nie-
mand aus den in ihnen vertretenen Gewerbe-
zweigen entziehen kann. Die Handelskammern
haben, ohne Behörden zu sein, die Bestimmung,
„die Gesamtinteressen der Handel- und Gewerbe-
treibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, insbe-
sondere die Behörden in der Förderung des Han-
dels und der Gewerbe durch tatsächliche Mittei-
lungen, Anträge und Erstattung von Gutachten zu
unterstützen; sie sind befugt, Anstalten, Anlagen
und Einrichtungen, welche die Förderung von
Handel und Gewerbe und die Ausbildung, die
Erziehung und den sittlichen Schutz der Gehilfen
und Lehrlinge bezwecken, zu begründen, zu unter-
halten und zu unterstützen“. Sie können am Orte
ihres Sitzes Makler, auch Dispacheure (für die
Seeschadenberechnung) bestellen; ihnen kann die
Aufsicht über die Börsen übertragen werden.
Reichsgesetzlich sind alle derartigen Organe ver-
pflichtet, die Registergerichte behufs Verhütung
unrichtiger Eintragung sowie behufs Berichtigung
und Vervollständigung des Handelsregisters zu
unterstützen; sie können zu diesem Zwecke Anträge
bei den Behörden stellen und Beschwerde erheben
(Gesetz betr. die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 8§126). In
einzelnen Bundesstaaten geht ihr Wirkungskreis
weiter, namentlich in den Hansestädten, wo sie
den Charakter staatlicher Behörden haben. — Ihre
Vertretung in der Handelskammer finden und zur
Wahl berechtigt wie zu den Kosten der Handels-
kammer beizutragen verpflichtet sind, sofern sie zur
Gewerbesteuer überhaupt oder zu einem mit mini-
sterieller Genehmigung von der Kammer bestimm-
ten Satze veranlagt sind: diejenigen Kaufleute
und ein Handelsgewerbe treibenden Gesellschaften
und Genossenschaften, welche in einem Handels-
oder Genossenschaftsregister des Bezirkes einge-
tragen sind. Für bergmännische Betriebe bedarf
es nicht dieser Bedingung des Eingetragenseins.