Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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der Beziehungen ihrer selbst zum Handel auf- 
gestellt hat, so erhält man den Begriff des Han- 
delsstaats= oder Verwaltungsrechts, das wieder 
einen Teil des öffentlichen Rechts ausmacht. Die 
Rechtsbeziehungen dagegen, welche der Handels- 
verkehr im bürgerlichen Leben von Person zu 
Person herstellt, regelt das Handelsprivatrecht, 
welches auch als Handelsrecht im engeren Sinne 
oder schlechthin als Handelsrecht bezeichnet zu 
werden pflegt. Es gibt endlich ein internationales 
Handelsrecht, Handelsvölkerrecht, welches die inter- 
nationalen Beziehungen auf dem Gebiete des Han- 
dels zum Gegenstande hat und sich aus der Über- 
einstimmung der Rechte mehrerer selbständigen 
Staaten ergibt. 
Die Handelsrechtspflege als Teil einerseits der 
Rechtspflege im allgemeinen, anderseits der Han- 
delspolitik hat es mit der Fürsorge und Ordnung 
in betreff des Handelsrechts nach den verschiedenen 
vorgedachten Richtungen zu tun. Außer der 
wissenschaftlichen Förderung, z. B. dadurch, daß 
das Handelsrecht auf Universitäten und Handels- 
schulen zum Gegenstand des Fachunterrichts ge- 
macht wird, hat sie sich vornehmlich mit der Er- 
forschung, Aufstellung und Durchführung der für 
die Rechtsverhältnisse des Handels wünschens- 
werten Rechtsnormen zu beschäftigen. Sie hat es 
also auf dem Gebiete des Handelsstaatsrechts mit 
der Frage zu tun, inwieweit im Interesse der all- 
gemeinen Wohlfahrt, der Sicherung des Handels- 
verkehrs, der Ordnung und guten Sitte, der Ge- 
sundheitspflege verwaltungsrechtliche, prozessua- 
lische oder strafrechtliche Sätze aufzustellen seien 
oder aus finanziellen Gründen zu staatlichen Maß- 
regeln Veranlassung zu nehmen sei, und hat die 
für geeignet gehaltenen zur Ausführung zu bringen. 
Auf dem Gebiete des Handelsprivatrechts gehört 
es zu ihrer Aufgabe, die gesamten Normen auf- 
zustellen, soweit solche neben dem geltenden bür- 
gerlichen Rechte für erforderlich oder nützlich zu 
erachten sind. Und für das Gebiet des Handels- 
völkerrechts hat sie vornehmlich die Rechtssicherheit 
im internationalen Handelsverkehr und die Her- 
stellung einer möglichst großen Gleichmäßigkeit 
des internationalen Rechts zu pflegen. In betreff 
des ersten Punktes ist bereits in dem Artikel Handel 
unter Handelspolitik auf das Nötige hingewiesen; 
in betreff des letzten ist, abgesehen von einigen da- 
hin gehörigen Bemerkungen im folgenden, auf die 
einzelnen Materien zu verweisen, die internatio- 
nalem Rechte unterstellt sind, z. B. Urheber= und 
Verlagsrecht, Telegraphen-, Post-, Eisenbahn- 
recht Uusw. Im folgenden soll nur von dem Han- 
delsprivatrecht und dem gerichtlichen Verfahren in 
Angelegenheiten dieses Rechts die Rede sein. 
II. Handelsprivatrecht. 1. Das Handels- 
privatrecht ist ein Teil des allgemeinen bürger- 
lichen (Privat-) Rechts. Unter Privatrecht ver- 
steht man den Inbegriff der Rechtsregeln, welche 
für das äußere Verhalten der Menschen unter- 
einander maßgebend und mittels gerichtlichen 
Handelsrecht. 
  
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Zwanges durchführbar sind. Unter Handels- 
privatrecht hat man demgemäß diejenigen Rechts- 
regeln zu verstehen, welche die aus dem Handels- 
verkehr entspringenden privaten Beziehungen be- 
treffen. Seiner Natur nach ist also das Handels- 
privatrecht nichts von dem sonstigen bürgerlichen 
Rechte Verschiedenes; im Gegenteil, es ist nicht bloß 
denkbar, sondern sogar wünschenswert, daß beide 
Rechte möglichst ineinander aufgehen. Es liegt in 
der Tat nicht die geringste innere Berechtigung 
vor, weswegen der Fall, wenn ich von meinem 
Nachbar zur Linken, der einen Laden hat und 
Kaufmann ist, einen Bedarfsgegenstand kaufe, 
nach andern Grundsätzen beurteilt und in einem 
andern gerichtlichen Verfahren behandelt werden 
soll als der, wenn ich von meinem Nachbar zur 
Rechten, der nicht Kaufmann ist, denselben Gegen- 
stand kaufe. Die Notwendigkeit eines besondern 
Handelsrechts ist denn auch nicht unbestritten. 
Wenn für seine Notwendigkeit z. B. angeführt 
wird: „Der Handelsstand braucht ein Privat- 
recht, das die rasche und sichere Durchsetzung der 
Ansprüche und die unbedingte Wahrung der sub- 
jektiven Rechte auf das beste gewährleistet, das 
den Verkehr nicht durch lästige Formalitäten er- 
schwert, aber bei aller Formfreiheit die aus den 
einfachen Abmachungen hervorgehenden Rechte 
und Pflichten klar und unzweideutig festlegt“, so 
ist nicht einzusehen, weswegen das nicht auch An- 
sprüche sein sollten, die jeder Staatsbürger mit 
Fug an das Recht erheben könnte, dem er unter- 
stellt ist. Mit mehr Berechtigung lassen sich die 
Ansichten hören, welche unter Hinweis auf eigen- 
tümliche Verhältnisse im Handel, z. B. Prokuren, 
Firmen, Fixgeschäft, Selbsteintrittsrecht des Kom- 
missionärs, ihnen entsprechende eigentümliche 
Rechtsregeln fordern. Hier ist aber nicht zu- 
zugeben, daß alles das, was als Eigentümlichkeit 
des Handels ausgegeben wird, auch wirklich be- 
rechtigte Eigentümlichkeit ist. Warum das Fix- 
geschäft z. B. für den Kaufmann eine Eigentüm- 
lichkeit bedeuten soll und als solche behandelt 
werden muß, ist nicht einzusehen. Eigentümlich- 
keiten auf dem Gebiete des materiellen Rechts in 
Anwendung auf Rechtsgeschäfte können nicht an- 
erkannt werden, wie denn auch in dieser Richtung 
das B.G. B. in Deutschland in der Ausgleichung 
gegen früher sehr weit gegangen ist, z. B. auch 
gerade in betreff des Fixgeschäfts. Wenn endlich 
für die Notwendigkeit eines besondern Handels- 
rechts behauptet wird, daß das allgemeine bürger- 
liche Recht sich niemals zu derjenigen Freiheit, 
Beweglichkeit und universalen Geltung zu erheben 
vermöge, welche ein den Handelsbedürfnissen an- 
gemessenes Recht notwendig erfordert, so hängt 
dies in ersterer Beziehung nur von der mehr oder 
minder großen Energie ab, mit welcher die rechts- 
bzw. gesetzbildenden Faktoren, wenn sie überhaupt 
in Tätigkeit zu treten in der Lage sind, in den 
angegebenen Richtungen gehen. Nicht grundsätz- 
liche Hindernisse, sondern nur Nützlichkeitsgründe,
	        
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