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nach dem neuen weggefallen ist. Damit ist einer
der bedeutsamsten Unterschiede gekennzeichnet. Das
neue Gesetz ist demnach, da seine Anwendung von
dem Umstande abhängt, daß ein Kaufmann be-
teiligt ist, wieder in gewissem Sinne zu einem
Standesrecht der Kaufleute geworden, wie es in
früheren Jahrhunderten war. Ist ein Rechtsge-
schäft auf der einen Seite ein Handelsgeschäft, so
kommen die Vorschriften des H.G.B. über Han-
delsgeschäfte für beide Teile gleichmäßig zur An-
wendung; jedoch auch diesem Satze gegenüber engt
noch das Buch als Standesgesetz sein Herrschafts-
gebiet durch besondere Vorschriften ein.
Diese Einschränkung der Anwendung der Vor-
schriften des Handelsrechts gegen früher werden
aber mehr wie aufgewogen durch den Umstand,
daß der Begriff des Kaufmanns im neuen Ge-
setzbuche bedeutend erweitert ist. Kaufmann ist
nach dem neuen Gesetze nicht wie bisher, wer be-
stimmte Handelsgeschäfte betreibt, sondern ganz
allgemein, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Neun
Arten von Geschäften gibt es, deren gewerblicher
Betrieb ohne weiteres die Kaufmannsqualität ver-
leiht. Außerdem aber ist dies der Fall bei jedem
andern gewerblichen Unternehmen, das nach Art
und Umfang einen in kaufmännischer Weise ein-
gerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sofern die
Firma des Unternehmers in das Handelsregister
eingetragen worden ist. Da diese Eintragung aber
zur Pflicht gemacht ist und erzwungen werden
kann, so ist den Inhabern aller gewerblichen Unter-
nehmungen im Zweifel die Kaufmannseigenschaft
zuzusprechen. Die Handelsgesellschaften sind ohne
weiteres den Kaufleuten gleichzuachten. Auf den
Betrieb der Land= und Forstwirtschaft findet das
Gesagte keine Anwendung; treiben Land- und
Forstwirte aber ein Nebengewerbe, das nach Art
und Umfang einen kaufmännisch eingerichteten Ge-
schäftsbetrieb erfordert, z. B. größere Brennereien,
Mühlen, so sind sie berechtigt, aber nicht ver-
pflichtet, sich als Kaufleute in das Handelsregister
eintragen zu lassen. Dies ist einer der wichtigsten
Unterschiede im Anwendungsgebiet des alten und
des neuen H.G. B. Ohne weitere Ausführung
wird man nun die Behauptung aufstellen dürfen,
daß die rechtlichen Beziehungen der Menschen,
soweit sie überhaupt durch Rechtsgeschäfte begrün-
det werden, in der Mehrzahl durch solche Rechts-
geschäfte geknüpft werden, die zu den nach Han-
delsgesetz zu beurteilenden „Handelsgeschäften“ zu
zählen sind, was in mancher Beziehung von Be-
deutung ist.
Das H. G. B. zerfällt in vier Bücher: Han-
delsstand, Handelsgesellschaften und stille Ge-
sellschaft, Handelsgeschäfte, Seehandel. Das erste
Buch enthält die vorher erwähnten Bestim-
mungen über Kaufleute und bringt dann Vor-
schriften über Handelsregister (Zwang zur Ein-
tragung, öffentliche Bekanntmachung, Rechtsver-
mutung als Wirkung der Eintragung bzw. Be-
kanntmachung, Freiheit der Einsicht), Handels-
Handelsrecht.
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firma (Inhalt, Anbringung an offenen Läden usw.,
Schutz, Folgen der Ubernahme und Fortführung),
Handelsbücher (Pflicht zur Führung von Büchern,
zur Aufbewahrung derselben und der Briefe, zur
Bilanzaufstellung), Prokura und Handlungsvoll-
macht (Bedeutung, Inhalt, Erteilung, Eintragung,
Erlöschen, Beschränkungen), Handlungsgehilfen
und Handlungslehrlinge (Begriff, Eingehung und
Beendigung des Verhältnisses. Rechte und Pflich-
ten, auch sozialpolitischer Natur, Konkurrenz-
klausel), Handlungsagenten (neu! Begriff, Ent-
stehung und Beendigung der Stellung, Rechte
und Pflichten) und Handelsmakler. Im zweiten
Buche wird zunächst von der offenen Handels-
gesellschaft (Errichtung, Rechtsverhältnis der Ge-
sellschafter untereinander und zu dritten, Auf-
lösung, Liquidation und Verjährung), dann von
der Kommanditgesellschaft, ferner der Aktiengesell-
chaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und end-
lich der Stillen Gesellschaft (Firma, Vertretung,
Rechte und Pflichten der Beteiligten, Auflösung)
gehandelt. Das dritte Buch enthält außer der
Feststellung des Begriffes der Handelsgeschäfte
mannigfache allgemeine Vorschriften, welche die
sachlichen Abweichungen der Schuldverhältnisse
nach Handelsrecht von denen des bürgerlichen
Rechts ergeben, z. B. betreffs Vertragsstrafen,
Bürgschaft, Zinsen, Leistungszeit, Schutz des red-
lichen Erwerbes u. dgl. Es regelt ferner in die-
sem Abschnitt das Kontokorrentverhältnis (neul),
die kaufmännischen Orderpapiere und das kauf-
männische Zurückbehaltungsrecht. In den folgen-
den Abschnitten regelt es den Handelskauf (Folgen
des Annahmeverzugs, Fixgeschäfte, Pflicht zur
Mängelanzeige und Dispositionsstellung, Ge-
wichtsberechnung der Ware), das Kommissions-
geschäft (Begriff, Rechte und Pflichten), das
Speditionsgeschäft (dgl.), das Lagergeschäft (neu!
dgl., Lagerschein), das Frachtgeschäft (dgl., Lade-
schein) und endlich die Beförderung von Gütern
und Personen auf den Eisenbahnen (besondere
Rechtsstellung der Eisenbahnen, Transportzwang,
Haftung für Schäden, Besonderheiten des Eisen-
bahnfrachtgeschäftes). Das vierte Buch endlich
hat den Seehandel zum Gegenstand (vgl. d. Art.
Seerecht).
In Handelssachen gelten zunächst die Vor-
schriften des H. G. B., und nur soweit solche nicht
getroffen sind, kommt das B.G.B. ergänzend zur
Anwendung, die allerdings nach dem Gesagten
eine sehr umfassende ist. Im Verhältnis zu den
sonstigen Reichsgesetzen gilt der umgekehrte Grund-
satz, d. h. diese werden durch das H.G.B. nicht
berührt. Einzelne sind durch das Einf.Ges. zum
H.G.B. abgeändert worden. Als wichtigste für
den Handel sind etwa folgende Reichsgesetze zu
nennen: die Wechselordnung, die Gewerbeord-
nung, das Reichspostgesetz, das Reichsbankgesetz,
das Gesetz über die Erwerbs= und Wirtschafts-
genossenschaften, das Patent- und Gebrauchs-
musterschutzgesetz, das Gesetz über die Gesellschaften
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