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mit beschränkter Haftung, Gesetz zum Schutze der
Warenbezeichnungen, das Gesetz betreffend die Ab-
zahlungsgeschäfte, das Gesetz betreffend die privat-
rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, das
Gesetz zur Bekämpfung des unlautern Wettbewer-
bes, das Börsengesetz, das Gesetz betreffend die
pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder
Wertpapiere, die Eisenbahnverkehrsordnung.
Ob neben dem Handelsgesetz ein Handels-
gewohnheitsrecht gilt, ist streitig; das H. G. B.
erwähnt nichts davon. Gegen zwingende Gesetzes-
vorschriften kann sich jedenfalls kein Gewohnheits-
recht bilden, und ebensowenig ist ein Landes-
gewohnheitsrecht zulässig. Im übrigen dürfte die
Frage zu bejahen sein. Handelsgewohnheiten und
Gebräuche (Usancen), die kein objektives Recht,
sondern nur Mittel zur Auslegung des Willens
sind, sind bei Beurteilung der Handlungen und
Unterlassungen von Kaufleuten zu beachten.
III. Gerichtliches Verfahren in Handels-
sachen. 1. Handelsgerichte. In geschicht-
licher Hinsicht ist oben (Abschn. II, 1) schon dar-
auf hingewiesen, daß es bereits im Altertum bei
den Griechen besondere Gerichte und ein beson-
deres beschleunigtes Verfahren für die Schlich-
tung von Streitigkeiten in Handelssachen gab.
Den Römern waren solche Gerichte fremd. Im
Mittelalter dagegen, wo das Handelsrecht ein
Spezialrecht des Handelsstandes war und von den
Kaufmannsgilden gehandhabt wurde, waren diese
Gerichte überall eingeführt. Der erwähnten Zer-
splitterung des materiellen Rechts nach den Markt-,
Meß= usw. Ordnungen entsprach auch die Mannig-
faltigkeit der Gerichte, die unter den Namen von
Merkantil-, Markt-, Meß-, Börsen-, Schrannen=
usw. Gerichten wirksam gewesen sind. Sie hatten
alle das Gemeinsame, daß sie mit Kaufleuten be-
setzt waren und daß sich bei ihnen auch ein be-
sonderes Verfahren ausbildete. Im ganzen war
die Entwicklung in Italien, Deutschland und
Frankreich die gleiche. Die neueste Wendung auf
diesem Gebiete geht von Frankreich aus, und zwar
mit der Einführung des neuen Handelsrechts,
(Code de commerce) 1807 und der dazu gehöri-
gen Handelsgerichte. Nach dem französischen Sy-
stem bestehen die Handelsgerichte ausschließlich aus
kaufmännischen Richtern, die auf eine Reihe von
Jahren durch Notabeln des Standes aus diesem
gewählt, vom Staate ernannt werden und ihr
Amt als Ehrenamt verwalten. Diese Gerichte ent-
scheiden nur in erster Instanz; in höherer Instanz
entscheiden die ordentlichen Gerichte. Das Ver-
meisten romanischen Staaten und die dahin ge-
hörige oben erwähnte Staatengruppe gefolgt. Auch
andere Staaten besitzen Handelsgerichte, so Oster-
reich-Ungarn, Dänemark, Schweden und Nor-
wegen, Rußland. In Deutschland herrschte Ver-
schiedenheit. In den Ländern, in denen der Code#
de commerce eingeführt gewesen war, bestanden
Handelsgerichte nach französischem Muster, wie in
Handelsrecht.
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Rheinpreußen. Der größte Teil Preußens besaß
keine Handelsgerichte. Bei einigen hierher zu
rechnenden Gerichten, den Kommerz= und Admi-
ralitätskollegien (in Königsberg, Danzig, Stettin,
Memel, Elbing) wurden zwar auch Kaufleute hin-
zugezogen, aber nur mit beratender Stimme, wäh-
rend der rechtsgelehrte Richter allein entschied. In
andern Staaten bestand das gemischte System:
die Gerichte waren mit gelehrten und kaufmänni-
schen Richtern besetzt, so daß den letzteren ebenfalls
Stimmrecht zukam. Dabei war das Verhältnis
der beiden Kategorien verschieden: ein rechts-
gelehrter Vorsitzender und mehrere kaufmännische
Beisitzer (Hamburg, Bremen) oder mehrere Ju-
risten und mehrere Kaufleute (3 und 2 oder 2 und
3 in Braunschweig, Bayern, Württemberg). Meh-
rere norddeutsche Staaten hatten überhaupt keine
Handelsgerichte, und die ersten Handelsstaaten der
Welt, England, Holland und die Vereinigten
Staaten von Amerika besitzen auch heute noch keine
besondern Handelsgerichte.
Die Frage, ob eigene Handelsgerichte zu er-
richten seien oder nicht, ist ebenso bestritten, wie
die der Notwendigkeit eines besondern Handels-
rechts. Wenn für die Errichtung angeführt wird,
der Handelsstand bedürfe einer schleunigen Er-
ledigung seiner Streitigkeiten, so trifft dies auf
alle Bürger des Staates zu; dagegen wird ferner
bemerkt, daß, wenn nur die Gerichte, namentlich
der Handels= und Industriezentren, ausreichend
besetzt würden, dann die Schnelligkeit von selbst
sich einstellen würde. Wenn weiter angeführt
wird, der gelehrte Richter stehe zu wenig im Leben
und könne sich nicht den Bedürfnissen und An-
schauungen des wirtschaftlichen Lebens anbequemen,
er klebe zu sehr am Buchstaben des Gesetzes, so
wird dagegen ausgeführt, daß der Nichter an das
Gesetz gebunden sei und nicht nach den herr-
schenden Anschauungen oder nach seinem Gefühle
von der Güte oder Ungüte der gesetzlichen Vor-
schrift entscheiden dürfe; würde man den Richter
vom Gesetz entbinden und ihm gestatten, nach
freiem Ermessen zu urteilen, so dürfte bei ihm
ebensoviel gesunder Menschenverstand zu finden
sein wie bei Laien. Die Frage wurde brennend,
als das Deutsche Reich in der letzten Hälfte der
1870er Jahre zur Organisation der Gerichte
und des gerichtlichen Verfahrens schritt. Die Kom-
mission des Reichstages verwarf die Handels-
gerichte in erster Lesung gänzlich, nahm sie jedoch
in zweiter Lesung in der jetzt noch bestehenden,
gleich zu erörternden Form mit veel beschränkterer
fahren ist summarisch. Diesem Beispiele sind die
Zuständigkeit, als vorgeschlagen,
Das jetzt in Deutschland gütende System ist
dem oben erwähnten gemischten entsprechend.
Nach dem 7. Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes
vom 27. Jan. 1877 können nach Bedürfnis von
den Landesjustizverwaltungen bei den Landgerich-
ten „Kammern für Handelssachen“ gebildet wer-
den. Sie entscheiden in der Besetzung von drei
Richtern, die gleiches Stimmrecht haben; von