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ihnen ist einer gelehrter Richter, die beiden andern
sind Kaufleute, die auf Vorschlag des zur Ver-
tretung des Handelsstandes berufenen Organs
auf die Dauer von drei Jahren vom König er-
nannt und eidlich verpflichtet werden. Sie üben
ihr Amt als Ehrenamt aus und haben während
der Dauer desselben in Beziehung auf dasselbe
alle Rechte und Pflichten richterlicher Beamten.
Ein Handelsrichter ist seines Amtes zu entheben,
wenn er eine der für die Ernennung erforderlichen
Eigenschaften nachträglich verliert. — Die Zu-
ständigkeit der Kammern erstreckt sich nicht auf
alle Handelsstreitigkeiten; unter drei Nummern
(die letzte mit sechs Unterabteilungen) sind die An-
sprüche aufgezählt, welche vor die Kammern ge-
hören. Die wichtigsten sind die Ansprüche gegen
einen Kaufmann im Sinne des H.G.B. aus Ge-
schäften, welche für beide Teile Handelsgeschäfte
sind, aus Wechseln und kaufmännischen Anwei-
sungen, Verpflichtungsscheinen, Konnossementen,
Ladescheinen, Lagerscheinen, die Ansprüche zwischen
Gesellschaftern und die aus Rechtsverhältnissen des
Seerechts und der Binnenschiffahrt.
Nach einem vom Reichstage 1909 angenom-
menen Gesetzentwurfe betreffend Anderung des
G.V.G. usw. gehören hierhin vom 1. April 1910
ab auch die Ansprüche auf Grund des Gesetzes
zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbes,
aus den §§ 45/48 des Börsengesetzes und aus dem
Reichsstempelgesetze in Beziehung auf die darin
festgestellten Abgaben.
Die Zuständigkeit ist nur begründet, wenn der
Kläger die Verhandlung vor der Kammer in der
Klageschrift beantragt hat. Das Verfahren ist
dasselbe wie vor den Zivilkammern, denen sie
durch den bezeichneten Gesetzentwurf auch als Be-
rufungs= und Beschwerdegerichte in den erwähnten
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gleichgestellt wor-
den sind.
Nach dem bisherigen Rechte waren den Kam-
mern für Handelssachen auch die bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Inhaber eines
Handelsgeschäfts und seinen Angestellten über-
wiesen, soweit sie vor die Landgerichte gehörten.
Das hat sich infolge des Gesetzes betreffend die
„Kaufmannsgerichte“ vom 6. Juli 1904 ge-
ändert. Vgl. d. Art. Kaufmannsgerichte.
2. In Handelssachen, welche Angelegen-
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind, sind
die gerichtlichen Funktionen den Amtsgerichten
übertragen, und zwar in den verschiedensten Ge-
setzen, z. B. im H.G.B., Genossenschaftsgesetz. Gesetz
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haf-
tung, Börsengesetz, Binnenschiffahrtsgesetz und
Gesetz betreffend die Angelegenheiten der frei-
willigen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898. Auch
sind dort einzelne Verfahrensvorschriften gegeben,
so besonders im H.G.B. über die Führung der
Handelsregister. In der Hauptsache wird diese
Führung jedoch in dem vorhin zuletzt genannten
Gesetze geregelt, zugleich mit einem Ordnungs-
Handelsschulen — Handelsverträge.
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strafverfahren, welches die Führung sichern soll.
Daselbst sind ferner Vorschriften gegeben über
das Verfahren behufs Beseitigung einer zu Un-
recht ersolgten Eintragung im Handelsregister,
bei Ernennung von Liquidatoren, Revisoren usw.
und endlich über das Verfahren bei der Auf-
machung und Feststellung der Dispache. In
diesen Angelegenheiten tritt im Falle einer Be-
schwerde gegen amtsgerichtliche Verfügungen an
die Stelle der Zivilkammer des Landgerichts die
bei dem letzteren etwa bestehende Kammer für
Handelssachen als Beschwerdeinstanz.
Literatur. Die verschiedenen Lehrbücher des
H.3, wie Behrend, Cosack, Endemann, Goldschmidt,
Thöl, u. Kommentare zum Handelsgesetzbuch, wie
Makower, Staub. Wellstein.)
Handelsschulen s. Kaufmännisches Unter-
richtswesen.
Handelsverträge. (IAllgemeines; Ge-
schichtliches; Handelsverträge und Tarifauto-
nomie.]
I. Allgemeines. Unter einem Handelsvertrag
versteht man ein zwischen zwei oder mehreren
Staaten getroffenes Übereinkommen, welches die
Reglung ihres Handelsverkehrs zum Gegenstande
hat. Eine solche Übereinkunft kann, wie dies
häufig der Fall ist, Teil eines politischen Ver-
trags, z. B. eines Friedensvertrags nach Abschluß
eines Krieges, sein; sie wird indessen meist selb-
ständig getroffen, lediglich mit dem angegebenen
Inhalt oder auch daneben noch Beziehungen
regelnd, die in mehr oder minder losem Zu-
sammenhange mit dem Handel stehen, z. B. Nie-
derlassungsrecht, Untertanenschutz.
Die Legitimation zum Abschlusse solcher Ver-
träge richtet sich nach dem Staatsrecht der ver-
tragschließenden Staaten, das in der in Rede
stehenden Richtung manchmal Eigentümlichkeiten
aufweist. So z. B. ist der sonst ganz souveräne
Staat Luxemburg in handelspolitischer Beziehung
ein Teil des deutschen Zollgebiets und wird für
solche Verträge vom Reiche mitvertreten. Oster-
reich-Ungarn tritt bei politischen Verträgen nach
außen als Einheitsstaat auf, bei Handelsverträgen
dagegen als Doppelstaat. Dasselbe war bei
Schweden und Norwegen vor ihrer Trennung der
Fall. Keine Verfassung dürfte einer Bestimmung
entbehren, welche die Beteiligung der Volksver-
tretung neben dem Staatsoberhaupte regelt, und
wohl überall ist der Volksvertretung das Geneh-
migungs= oder Versagungsrecht vorbehalten, selbst
wenn andere Verträge von dem Staatsoberhaupte
selbständig abgeschlossen werden können; nur in
England kommen dem König etwas weitergehende
Rechte zu. In Deutschland ist die Zoll= und Han-
delsgesetzgebung nach Art. 4 der Reichsverfassung
auf das Reich übergegangen, und nach Art. 11
hat der Kaiser das Recht, im Namen des Reiches
Verträge mit fremden Staaten einzugehen. In-
soweit solche Verträge sich auf Gegenstände der in
Art. 4 genannten Art beziehen, „ist zu ihrem Ab-