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schlusse die Zustimmung des Bundesrats und zu
ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstags
erforderlich". Diese Genehmigung kann nur im
ganzen erteilt oder versagt werden; Abänderungen
durch den Reichstag sind nicht angängig, da ihnen
der andere vertragschließende Staat nicht zu-
gestimmt hat. Die Handelsverträge haben den
Charakter von Gesetzen; die deutschen werden im
Reichsgesetzblatt publiziert.
II. Geschichtliches. Wenn man, wie oben ge-
schehen, den Begriff des Handelsvertrags nicht zu
eng und nicht bloß in dem noch zu erwähnenden
neuzeitlichen Sinne faßt, so hat es Handelsver-
träge wohl zu allen Zeiten gegeben. Schon
Salomo schloß einen Vertrag mit König Hiram
von Tyrus, der sich auf gegenseitigen und gemein-
samen Handel bezog. und die Phönizier besaßen
in Agypten Niederlassungs= und Handelsrechte,
die nur aus vertragsmäßiger Einräumung zu er-
klären sind. Durch Polybius sodann sind uns
zwei Handelsverträge zwischen den Römern und den
Karthagern aus den Jahren 509 und 348 v. Chr.
überliefert, in denen die Schiffahrts= und Handels-
gebiete beider im Mittelmeer genau abgegrenzt
werden; den Schluß des letzteren bildet die ganz
modern klingende Bestimmung, daß in Sizilien,
soweit es den Karthagern gehört, und in Karthago
selbst der Römer kaufen und verkaufen darf und
gleiche Rechte wie der karthagische Bürger ge-
nießen soll, und daß eben diese Freiheiten auch
der Karthager in Rom haben soll. Diese Be-
stimmung verbunden mit der, daß in gewissen Ge-
bieten des Mittelmeers die Römer keine See-
räuberei treiben dürfen, sind gewiß als große
Kulturfortschritte ihrer Zeit zu bezeichnen.
Bis tief in das Mittelalter hinein ist sodann
von Handelsverträgen nichts zu merken. Nicht
die Staaten, sondern die kaufmännischen Kor-
porationen sind zunächst die Träger der vertrags-
mäßigen Rechte in betreff der Handelserlaubnis,
der Anlegung von Faktoreien und der Befreiungen
von drückenden landesrechtlichen Bestimmungen
(3. B. Strandrecht, Haftung für Landsleute), die
gegen Abgabe zugestanden wurden. Erst später,
als sich die Städte zunächst zum Schutze ihres
Handels zusammengefunden hatten, traten diese
Bündnisse, wie die Hansa, oder die Städte-
republiken an die Stelle der Korporationen, und
so entwickelten sich erst Vertragsverhältnisse von
Staat zu Staat, wie solche zwischen den moham-
medanischen Herrschern des Orients und den
italienischen Städterepubliken bestanden.
Mit der Ausbildung des Territorialstaates, des
Regalismus und der merkantilistischen Handels-
politik kam die Zeit der Handelsverträge im neu-
zeitlichen Sinne. Hatten die Verträge der vorauf-
gegangenen Periode in der Hauptsache nur ein-
Handelsverträge.
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seitiger Bevorrechtung gegenüber Dritten. Einer
der ältesten und wichtigsten Handelsverträge in
diesem Geiste ist der französisch = türkische gegen
das deutsche Reich gerichtete vom Jahre 1535.
Trotz der ihm eigenen Absperrungstendenz war es
gerade der innerste Zug des Merkantilismus, durch
Handelsverträge dem eigenen Lande alle Vorteile
für die Ausfuhr und für die Einfuhr unentbehr-
licher Artikel zu sichern, in letzterer Beziehung ins-
besondere nur solche Artikel zuzulassen, die der
heimischen Produktion möglichst geringe Kon-
kurrenz machten. Die Erringung von Vorrechten
gegenüber Dritten gehörte natürlich ebenfalls dazu.
Dabei galt es „als höchster Triumph der merkan-
tilistischen Diplomatie, den andern Vertragsteil zu
übervorteilen“. Der berühmteste oder berüchtigtste
Vertrag dieser Zeit und Art ist der englisch-portu-
giesische von 1708, nach dem englischen Unter-
händler Methuen-Vertrag genannt, der erst ums
Jahr 1830 sein Ende erreichte, über dessen Vor-
teile und Nachteile für den einen und den andern
Vertragsteil bis in die neueste Zeit Streit herrscht
und eine sehr umfangreiche Literatur erwachsen ist.
Ein anderer berühmter Handelsvertrag dieses Zeit-
alters ist der im Anschluß an den Utrechter Frieden
von 1713 zwischen England und Spanien zustande
gekommene sog. Assiento-Vertrag über die Liefe-
rung von Negersklaven, der aber durch seine Neben-
bestimmungen den Engländern die Handhabe bot,
sich des spanischen Kolonialhandels zu bemächtigen.
Nach dem Emporkommen des Physiokratismus
und der Lehren Smiths erhielten die unter ihrer
Herrschaft geschlossenen Verträge im Verhältnis
zu den voraufgegangenen ein mehr freihändlerisches
Gepräge, da ja die Handelsverträge natürlich die
Anschauungen der zeitigen Staatslenker wider-
spiegeln. Als erster Vertrag dieser Art wird ge-
wöhnlich der Edenvertrag erwähnt, abgeschlossen
1786 zwischen England und Frankreich und be-
nannt nach dem englischen Unterhändler. Neben
Zollsätzen, die weit geringer sind als die früher
üblichen, enthalten diese Verträge auch noch sonstige
Handelserleichterungen. Von wichtigeren Bestim-
mungen gehört dahin die oft vorkommende Klausel,
daß die Angehörigen des einen Vertragsstaates im
andern in Ansehung des Handels= und Gewerbe-
betriebs wie Inländer behandelt werden sollen, sei
es vollständig, sei es mit geringeren oder größeren
Einschränkungen. Dahin gehört vor allem weiter
die noch in anderem Zusammenhange zu erwäh-
nende Meistbegünstigungsklausel. Unter
dieser Klausel versteht man die Bestimmung eines
Vertrags, durch welche die vertragschließenden Teile
sich (meistens wechselseitig) zusichern, keinen dritten
Staat besser zu stellen als den andern Vertrags-
teil; das soll nicht heißen, daß der andere Ver-
tragsteil gehindert sein solle, einem dritten Staate
seitige Vergünstigungen gegen Abgabenleistung günstigere Bedingungen zu gestatten, sondern daß,
zum Inhalte, so erhalten sie jetzt das Gepräge wenn er solche gestattet, sie auch dem andern Ver-
gegenseitiger Zugeständnisse im Handelsverkehr, tragsteile gleichmäßig ohne weiteres zugute kommen
aber mit dem gleichzeitigen Bestreben wechsel- sollen. Die Klausel scheint zuerst in den Verträgen