Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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denn auch die Begründer der freihändlerischen 
Theorien Quesnay und Smith durchaus nicht für 
Handelsverträge eingenommen, und es sind ebenso- 
wohl extreme Freihändler wie extreme Schutz- 
zöllner Gegner der Vertragspolitik gewesen. 
Literatur. Die bei dem Art. „Handel“ er- 
wähnten Bücher. Außerdem: v. Brandt, Beiträge 
zur Geschichte der französischen Handelspolitik von 
Colbert bis zur Gegenwart (1906); Schraut, Sy- 
stem der H. u. der Meistbegünstigung (1884); 
Vosberg-Rekow, Die Politik der H. (1898); . 
Glied, Meistbegünstigungsklausel (1905); F. Bor- 
chardt, Entwicklungsgesch. der Meistbegünstigung 
im Handelsvertragssystem (1906). — Eine Zu- 
sammenstellung der geltenden H. Deutschlands hat 
das Reichsamt des Innern 1906 herausgegeben. 
Wellstein.) 
Handwerk. (Begriff. Geschichtliche Ent- 
wicklung bis 1731 (Politik des Handwerks und 
der Zünfte; Maßnahmen zur Erhaltung des 
Nahrungsspielraumes; Einfluß derselben auf die 
Gesellen und Lehrlinge sowie auf die Meister). 
Die Zeit von 1731 bis 1810. Wirkung des Ediktes 
von 1810 und die Periode von 1810 bis 1869. 
Das Handwerk unter der Gewerbefreiheit von 
1869 bis 1897. Die Wirkung des sog. Hand- 
werkergesetzes vom 26. Juli 1897 auf das Hand- 
werk bis zum Jahre 1908. Die Stellung des 
Handwerks überhaupt.) 
I. Begriff. Den Begriff „Handwerk“ hat man 
wiederholt zu definieren versucht, ohne daß es 
gelungen ist, eine im vollen Umfange zutreffende 
Begriffsbestimmung zu geben. Während die 
älteren Nationalökonomen das Handwerk als die 
Urform aller gewerblichen Produktion darstellen, 
bezeichnet Stahl es als die technische Produktion 
gewisser Gegenstände, und zwar beschränkt in 
Umfang, Mitteln und Betriebsweise, wodurch es 
sich von der Fabrik unterscheiden soll. Die neuere 
Forschung (K. Bücher) zerlegt dagegen das „Hand- 
werk“ in verschiedene Entwicklungsphasen und de- 
finiert die verschiedenen Entwicklungsstufen im ein- 
zelnen; Bücher bezeichnet als Handwerk „dasjenige 
gewerbliche Betriebssystem, bei welchem der Pro- 
duzent als Eigentümer sämtlicher Betriebsmittel 
Tauschwerte für nicht seinem Haushalte angehörige 
Konsumenten erzeugt“. Diese Begriffsbestimmung 
gilt aber nur für das Handwerk im engeren Sinne, 
für die höchste Form desselben, für das „Preis- 
werk“, nicht für seine Vor= und Nebenstufen. Für 
den Allgemeinbegriff reicht sie nicht aus; denn das, 
was heute unter dem Begriff „Handwerk“" zu- 
sammengefaßt wird, ist vielfach auch „Lohnwerk“, 
d. h. „die gewerbliche Berufsarbeit, bei welcher 
der Rohstoff dem Kunden, das Werkzeug dem 
Arbeiter gehört“, in welcher Form das Handwerk 
heute noch auf dem Lande vielfach ausgeübt wird 
und im Dorfhandwerk vertreten ist. — Eine im 
allgemeinen zutreffende, den Gesamtbegriff „Hand- 
werk“ nach jeder Richtung genau abgrenzende 
Begriffsbestimmung läßt sich wohl überhaupt nicht 
geben. Man kann den Begriff vollständig nur 
Handwerk. 
  
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durch Umschreibung zum Ausdruck bringen, indem 
man einmal, und zwar nach der positiven Seite, 
auf die dem Handwerk eigentümlichen Merkmale 
hinweist und mit K. Bücher als das Wesentliche 
des Handwerks im engeren Sinne das unmittel- 
bare Verhältnis zu dem Konsumenten, die Pro- 
duktion für Kunden (Kundenproduktion), bezeich- 
net. Hieraus ergeben sich die weiteren positiven 
Merkmale, wie geringer Umfang des Betriebes, 
Beschränkung des Absatzgebietes, aufsteigende 
Personengliederung (Lehrling, Geselle, Meister, 
welche in der Regel aus der gleichen sozialen 
Schicht der Bevölkerung mit gleichem Bildungs- 
gange hervorgehen); vielleicht ergibt sich auch 
noch als weiteres Merkmal die Vereinigung von 
Kapital und Arbeit in einer Hand, in der des 
Produzenten. Anderseits muß man jedoch auch, 
und zwar nach der negativen Seite, das hervor- 
heben, was dem Handwerk nicht speziell eigentüm- 
lich ist, sondern den entgegengesetzten Begriff 
„Fabrik“ in die Erscheinung treten läßt, das ist 
„die Art des gewerblichen Betriebes, bei welchem 
ein Unternehmer regelmäßig eine größere Anzahl 
von Arbeitern außerhalb ihrer Wohnung in 
eigenen Betriebswerkstätter beschäftigt“, 
ferner die ausgesprochene Arbeitsteilung, die ge- 
ringere Anzahl der Unternehmer im allgemeinen 
gegenüber der Zahl der Arbeiter, und außer 
anderem noch als Charakteristikum, daß ein Auf- 
steigen der Arbeiter in die Klasse der Unternehmer, 
wie dies beim Handwerker die Regel bildet, zu- 
meist ausgeschlossen bleibt. — Aber auch diese 
Merkmale reichen zur Umschreibung des Begriffes 
im allgemeinen nicht völlig aus, denn auch im 
handwerksmäßigen Betriebe treten neuerdings Er- 
scheinungen zutage, die der Fabrik ähnlich sind, 
ohne dem betreffenden Betriebe den handwerks- 
mäßigen Charakter zu nehmen. Bei zahlreichen 
Unternehmungen wird es überhaupt stets zweifel- 
haft bleiben, ob sie zum Handwerk oder zu 
einer andern Betriebsform, namentlich der Fabrik, 
gehören. 
Der Begriff ist heute zum größten Teile nur 
noch ein historischer. Das Wort „Handwerk“ ent- 
stammt nach K. Bücher vermutlich dem Mittel- 
hochdeutschen. Man bezeichnete ursprünglich mit 
„antwerc“ sowohl das durch Arbeit Geschaffene 
als auch ein Werkzeug, Maschinen, während in 
den Zunfturkunden des 14. Jahrh. darunter auch 
die Gesamtheit der Arbeiter eines bestimmten Be- 
rufes zusammengefaßt wurde. Diesen letzteren 
(rechtlichen) Sinn (als Zunft oder Innung) hatte 
auch das schon früh benutzte Wort „handwerc“ 
(ob das Wort durch Etymologie aus „antwerc“ 
gebildet ist, bleibe dahingestellt). Das ganze 
spätere Mittelalter betrachtete jedes Gewerbe als 
Handwerk. Denn es traten in der Betriebsform 
und -größe der einzelnen Gewerbszweige keine 
wesentlichen, in das Auge springenden Unterschiede 
zutage; es unterstanden daher alle Gewerbe der 
gleichen Rechtsnorm, der Zunft. Diese Auffassung
	        
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