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schaftlichem Wege durch städtisches Kapital för-
derte, welches da zur Verfügung gestellt wurde,
wo die Mittel der einzelnen nicht ausreichten
(städtische Eisenwerke, Mühlen usw.), sodann in-
dem sie die Aufschließung fremder Absatzgebiete
durch Erwerb von Privilegien anstrebte, und end-
lich indem sie eine Monopolisierung des Zwischen-
handels und Handelsmonopole zu erlangen suchte.
Das auf diese Weise mit der Stadtpolitik ver-
knüpfte Handwerk mußte bei dem Schwinden der
Stadtmacht mit dem Aufkommen der Territorial=
herrschaft naturgemäß arg in Mitleidenschaft ge-
zogen werden. Es trat aber noch der weitere Um-
stand hinzu, daß sich nach und nach die Entwick-
lung der gewerblichen Marktproduktion
vollzog, und zwar sobald als das Produkt des
einheimischen Handwerks exportiert wurde. Das
ist der Fall zuerst bei dem Kunsthandwerk, denn
nur seine Erzeugnisse, wie Kleiderstoffe, Gewebe,
Edelmetalle, Töpferwaren, können die hohen
Transportkosten ertragen. Für den Export ist der
Zwischenhändler, der Kaufmann, unentbehrlich.
Handwerker und Kaufmann stehen (nach Weber)
ursprünglich in einem Kommendaverhältnisse, so
daß der Handwerker dem letzteren seine Produkte
kommendiert und am Gewinn in einem bestimmten
Verhälktnisse beteiligt ist. Je mehr Handwerker
aber auf den Export angewiesen werden, um so
unentbehrlicher wird der Kaufmann, um so vor-
herrschender wird seine Stellung. Das kaufmän-
nische Ubergewicht äußert sich zunehmend in der
immer weiter um sich greifenden Abhängig-
machung des Handwerkers dadurch, daß dieser
nur allein für den Kaufmann zu arbeiten hat. so-
wie in der Lieferung der Rohstoffe an den Hand-
werker. Nach und nach wird der Kaufmann zum
Verleger, der Handwerker aber, da er nicht mehr
für einen bestimmten Kundenkreis oder den Lokal-
markt produziert, zum Lohnarbeiter des Verlegers.
Dadurch wird ein großer Teil des Handwerks in
den Dienst einer auf Gewinn berechneten Absatz-
produktion gestellt und das Handwerk im all-
gemeinen von seiner früheren Höhe hinabgezogen.
Um diese Zeit finden sich vermehrte Ansätze zum
Verlagssystem und zu Fabrikunternehmungen,
meistens als „Manufakturen" bezeichnet. — Zwar
sind nach Stieda die Gründe, welche zur Fabrik-
unternehmung führten, noch nicht hinreichend er-
forscht; es steht aber fest, daß die gedachte Unter-
nehmung seit Ausgang des 16. Jahrh. mehr und
mehr, zunächst wohl meistens als Hausindustrie,
in den verschiedenen westeuropäischen Staaten ein-
setzte, und zwar territorial verschieden, je nachdem
der Boden vorbereitet war. Die Verarmung ein-
zelner zünftigen Meister wird um diese Zeit schon
konstatiert, und gerade sie wirkt mit auf die Ent-
wicklung der Dinge. In Westeuropa ist nach
W. Sombart die Hausindustrie zum Teil in An-
knüpfung an ein Handwerk entstanden,
zum Teil allerdings auch in Neuschaffung der be-
treffenden Industrie. Sie folgt in Westeuropa
Handwerk.
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auf eine Periode handwerksmäßiger Gewerbe-
produktion und setzt an in einer Zeit, in der der
Auflösungsprozeß der alten Wirtschaftsverfassung
beginnt, in einer großstadtlosen Zeit bei wenig
entwickelter kapitalistischer Wirtschaftsweise.
In der ersten Zeit der Hausindustrie und der
Fabrikperiode werden nur solche Gegenstände ge-
fertigt, die bisher in Deutschland nicht hergestellt
wurden und deren Erzeugung nach Stieda nicht
an die Zunft gebunden war. In der späteren
Periode, namentlich zu Anfang des 18. Jahrh.,
trat aber offensichtlich eint Verschiebung der Ver-
hältnisse ein, und zwar durch die Einwanderung
der Hugenotten nach Aufhebung des Edikts von
Nantes. — In Süd= und Mittelfrankreich, na-
mentlich aber in Paris, fanden sich in den sog.
lieux privilégiés nicht zünftige Meister und
Kaufleute, die ihr Gewerbe ausüben durften, ohne
zu fürchten, von der Zunft gestört zu werden.
Unter den von ihnen betriebenen Gewerben finden
sich auch handwerksmäßige, wie Tuchweberei,
Töpferei usw. — Diese und viele andere Gewerbe
wurden durch die Einwanderung der Hugenotten
nach Deutschland, speziell nach Preußen über-
tragen. — Auch in dem benachbarten Holland
hatte die Hausindustrie schon Ende des 15. Jahrh.
verschiedene Handwerkserzeugnisse ergriffen, so die
Tuchmacherei usw. Mit der Einwanderung der
französischen Flüchtlinge gewann die Entwicklung
ein lebhafteres Tempo, und es wurden mehrere
Fabriken für Hutmacherei, Seidenweberei usw.
gegründet.
In Osterreich waren die Zunftrechte durch die
„Hoffreiheiten", welche einzelne Handwerker von
der Zugehörigkeit zur Zunft befreiten, durch-
brochen, sodann noch weitere Privilegien für Ein-
richtung von Fabriken erteilt worden; so stellte
das Manufakturhaus auf dem Tabor in Wien
Seiden= und Wollgewebe und Hausgeräte
her. Ahnlich ist es in verschiedenen westeuro-
päischen Ländern, wie. England usw. — Zweifel-
los wird hierdurch belegt, daß die Hausindustrie
und Fabrik sich in die handwerksmäßigen Betriebe
eindrängten. Es ist dies von Wichtigkeit für die
Beurteilung der ferneren Lage.
Weiter bleibt zu beachten, daß auch das erhöhte
Einsetzen der Geldwirtschaft an Stelle der
Tauschwirtschaft auf den Niedergang des Hand-
werks von unberechenbarem Einfluß wurde. Die
mittelalterlichen Städte gehen, weil sie Geldaus-
gaben machen mußten, zur Geldwirtschaft über.
Es tritt in den Gewerben und dem Handwerk der
geldwirtschaftliche Arbeitslohn an die Stelle des
genossenschaftlichen Gewinnanteiles und des Na-
turallohnes auf. Ebenso tritt die Geldwirtschaft
in der Agrarwirtschaft zutage und fördert damit
die Beseitigung der letzten Reste der mit dem Lande
gepflogenen Tauschwirtschaft.
Der feudale Staat endlich strebt die För-
derung nicht nur seiner Ausdehnung an, nament-
lich auf die Stadt, sondern er deckt das tief in das
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