1113 Häresie — H
Literatur. M. Biermer, Art. „Handwerk“
im Wörterbuch der Volkswirtschaft II (21907); A.
Grunenberg, Organisation des Handwerks in In-
nungen u. H. (1900). A. Grunenberg.]
Häresie s. Kirchenstrafen.
Hausandacht s. Bekenntnisfreiheit (Bd I,
Sp. 717).
Hausfleiß s. Gewerbe, Gewerbeordnung
(Sp. 684).
Hausgesetze s. Fürst, fürstliches Haus und
Fürstenrecht (Sp. 369).
Haushalt, öffentlicher, s. Staats-
haushalt.
Hausiergewerbe s. Gewerbe, Gewerbe-
ordnung (Sp. 702).
Hausindustrie. IBegriff; Arten; Ent-
stehung; Verbreitung; Wirtschaftliche und soziale
Zustände; Reform.)
I. Begriff. Unter Hausindustrie oder Heim-
arbeit verstehen wir die kleingewerbliche Tätigkeit,
die der Produzent in der eigenen Wohnung oder
Werkstätte oder auch in der Werkstätte einer Zwi-
schenperson für den Unternehmer (Verleger, Fabri-
kanten) verrichtet, der die Produkte auf den Markt
bringt und absetzt. Das Wesentliche und Cha-
rakteristische bei der Hausindustrie besteht darin,
daß der Absatz der Produkte einem Fremden, dem
Berleger, überlassen ist. Das gewerbliche Produkt
setzt der kleine Produzent nicht mehr, wie früher der
Handwerker oder die mit Hausfleiß beschäftigte
Bauernfamilie, direkt an den Konsumenten, son-
dern an den Verleger ab, der nun seinerseits einen
Massenabsatz auf einem größeren Markte organi-
siert. Den Erlös für das Arbeitsprodukt, den der!
Handwerker ungeschmälert einstreicht, sieht der
Heimarbeiter zum Teil in fremde Taschen wandern.
Seine wirtschaftliche Lage ist gegenüber der des
Handwerkers schlechter geworden. Was wir heute
kaum noch vom Begriff des Heimarbeiters zu tren-
nen vermögen, seine schlechte wirtschaftliche Lage
oder wenigstens die Gefahr, in eine solche zu gera-
ten, hängt innig mit dem zusammen, worin wir das
Wesen der Hausindustrie erblicken, mit der Da-
zwischenkunft des kaufmännischen Vermittlers der
Produkte. — Aber noch eine zweite der Haus-
industrie inhärierende Erscheinung wird durch die
gegebene Begriffsbestimmung erklärt, die Ab-
hängigkeit des Hausindustriellen vom Verleger.
Es bedeutet noch den geringsten Grad von Ab-
hängigkeit, wenn der Verleger ihm nur den Kauf-
preis seiner Produkte zahlt; die Abhängigkeit
wächst, wenn er ihm auch den Rohstoff liefert und
auch die Werkzeuge zur Verfügung stellt, und
wird um so drückender, je mehr das Geschäft des
Verlegers einen monopolartigen Charakter an-
nimmt, je mehr der Hausindustrielle auf einen
Verleger ausschließlich angewiesen ist. Den Ver-
leger befähigen zu dieser herrschenden Stellung
seine kaufmännischen Qualitäten und sein Kapital;
insofern ist das Verlagssystem eine Form des
ausindustrie. 1114
Kapital teilt der Hausindustrielle mit dem Fabrik-
arbeiter. Ja bei dem letzteren war sie ursprünglich
größer. Denn während für ihn die Macht des
Kapitals den ganzen Produktionsprozeß ergreift,
Arbeitsstelle, Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen ge-
nau normiert, bleibt der Hausindustrielle in all
diesen Punkten frei. Aber diese Freiheiten sind
für die meisten Heimarbeiter zum Unheil aus-
geschlagen. Während die Fabrikarbeiter, durch die
konzentrierte Art ihrer Arbeit zusammengeführt,
durch kräftigen Zusammenschluß ein gewisses Maß
von Unabhängigkeit gegenüber dem Unternehmer
errungen haben, sind die Heimarbeiter in ihrer
isolierten Stellung durchweg machtlos und hilflos
eblieben. Was den Heimarbeiter vom Hand-
werker unterscheidet, wurde schon ausgesprochen:
der Handwerker setzt direkt an seine Kunden ab,
der Hausindustrielle an den Verleger. Gemeinsam
ist beiden der Kleinbetrieb im eigenen Heim; wie
der Handwerker, so arbeitet auch der Heimarbeiter
mit geringen, oft noch recht primitiven technischen
Hilfsmitteln, wendet wenig Arbeitsteilung an,
und ist infolgedessen zu höheren Leistungen durch-
weg wenig befähigt.
II. Arten. Um die verschiedenen Formen der
Hausindustrie kennen zu lernen, wird man unter
verschiedenen Gesichtspunkten eine Einteilung vor-
nehmen müssen:
1. Je nach dem Grade der wirtschaft-
lichen Abhängigkeit ergeben sich (nach
Bücher) drei verschiedene Formen: die geringste
Abhängigkeit besteht, wenn der Heimarbeiter den
Rohstoff selbst beschafft und seine eigenen Werk-
zeuge sowie eine eigene Werkstätte besitzt. Er pro-
duziert entweder auf Bestellung und nach Mustern
des Verlegers gegen einen im voraus bestimmten
Dutzendpreis, oder er arbeitet nach bekannten, all-
gemein feststehenden Typen und bietet seine Waren
bald diesem bald jenem Verleger an, wie der
Breslauer hausindustrielle Möbeltischler oder der
Holzschnitzer im Eisenacher Oberland. Der Ver-
leger besorgt hier lediglich den Absatz.
Seitdem der Verleger ausschließlich den Markt-
verkehr besorgt, kennt der Heimarbeiter Marktver-
hältnisse und Bezugsquellen nicht mehr so gut, ist
häufig auch nicht mehr im Besitz von so viel Geld,
daß er sich stets genügend mit Rohstoff versehen
könnte; er läßt sich den Rohstoff vom Verleger
liefern, der dann Stücklohn zahlt. So finden wir
es beispielsweise bei den Konfektionsschneidern,
die Stoffe und Futterstoffe vom Konfektionär er-
halten, und bei den Hauswebern, welche die Garn-
ballen vom Verleger holen. Der Hausindustrielle
verkauft in solchen Fällen nur mehr Arbeits-
leistungen, während er in dem zuerst angegebenen
Verhältnis Arbeitsprodukte verkaufte, er ist nur
mehr Lohnarbeiter, während er früher in gewissem
Sinne auch noch Warenverkäufer war, weshalb
man dieses System wohl Lohnsystem im Gegensatz
zu dem früheren genannt hat, das man passend
kapitalistischen Betriebs. Die Abhängigkeit vom
als Kaufsystem bezeichnet.