Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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des Hauses als eine der wesentlichsten Grundlagen 
der bürgerlichen Freiheit betrachtet und die Be- 
hausung des Bürgers mit besonderem Rechtsschutz 
umgeben. Das widerrechtliche Eindringen in fremde 
Behausung, die dort verübte Ungebühr oder Ge- 
walttat unterlag schwerster Ahndung; aber der 
Hausfriede schützte auch gegen Handlungen, welche 
an sich als rechtswidrige nicht zu bezeichnen waren. 
Bis ins 9. Jahrh. konnte jeder freie deutsche Grund- 
besitzer dem öffentlichen Richter den Eintritt in 
sein Gehöft und die Ausübung richterlicher Ge- 
walt auf seinem Grund und Boden untersagen, 
wenn er Bürgschaft leistete, daß er auf die er- 
gangene Vorladung vor Gericht selbst erscheinen 
oder seine vorgeladenen Hintersassen und Hörigen 
dort vertreten werde. In weitestem Umfange stand 
dem Hausherrn die Befugnis zu, Recht und Ehre 
seines Hauses mit eigener Macht zu schützen. So- 
gar dem Missetäter gewährte das eigene Haus 
einen gewissen Schutz gegen die Gefangennahme 
oder sonstige Eingriffe der öffentlichen Gewalt. 
Noch im 16. Jahrh. bestand die Immunität des 
Hauses (s. d. Art. Asylrecht Bd I, Sp. 421 ff) als 
Vorrecht der Kirchen, der Burgen des Adels, der 
Häuser der Städtebürger. Mit der Aufnahme des 
römischen Rechts mußte, obwohl auch diesem das 
Gefühl für die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des 
eigenen Hauses nicht fehlt, die weit ausgedehnte 
Freiheit des einzelnen Hauses vor den Interessen 
der Gesamtheit und der öffentlichen Ordnung mehr 
und mehr weichen. 
Von den germanischen Völkern haben die Eng- 
länder den weitestgehenden Schutz des Haus- 
rechts sich bewahrt. Dem stolzen Spruch: My 
house ismy castle, entsprechen noch heute die 
englischen Bestimmungen über Haussuchungen in- 
soweit, als solche nur auf Weisung des Friedens- 
richters vorgenommen werden dürfen. Wenn dieser 
es für wahrscheinlich hält, daß in Wohnhäusern 
oder andern Räumen verdächtige Personen oder 
Sachen verborgen sind, so weist er in einem die zu 
durchsuchenden Häuser und Räume genau bezeich- 
nenden Befehle den betreffenden Polizeibeamten 
an, die Durchsuchung zu bewirken. Die Befugnis 
des englischen Friedensrichters, eine Haussuchung 
anzuordnen, ist gewohnheitsrechtlichen Ursprungs 
und betraf ursprünglich lediglich den Fall des 
Diebstahls, wenn hinreichender Verdachtsgrund 
dargetan war. A warrant may in some cases 
be granted by a justice of the peace to 
search for and seize property suspected to 
have been stolen, sufficient ground for sus- 
picion having been shown. The searching 
for stolen goods under the warrant of a 
justice is said by Lord Camden to have 
„Crept into the law by imperceptible prac- 
tice"“, and to be „guarded with much circum- 
spection“ (Commentaries on the laws of 
England by Broom and Hadley). Allmählich 
n dann eine Ausdehnung auf analoge Fälle 
att. 
Hausrecht. 
  
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Ahnliche beschränkende Vorschriften wie das 
englische Recht enthält die alte preußische Krimi- 
nalordnung. § 128 schreibt vor: „Der Richter 
muß jederzeit die Haussuchung in Person leiten 
und dabei jede unnötige Gewalttätigkeit und Be- 
schädigung möglichst vermeiden. Gerichte, die 
einen großen Bezirk und überhäufte Geschäfte 
haben, können jedoch von dem Obergerichte die 
Erlaubnis erhalten, bei nicht sehr wichtigen Fällen 
durch zuverlässige Unterbediente die Haussuchung 
abhalten zu lassen.“ Die preußische Verfassungs- 
urkunde vom 31. Jan. 1850 bestimmt im Art. 6: 
„Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen 
in dieselbe und Haussuchungen sowie die Beschlag- 
nahme von Briefen und Papieren sind nur in den 
gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet.“ 
Im Anschluß an diese Bestimmung verordnet das 
Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 
12. Febr. 1850;: „In eine Wohnung darf wider 
den Willen des Inhabers niemand eindringen, 
außer auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft 
folgenden Befugnis oder eines von einer gesetzlich 
dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrags. 
Das Eindringen in eine Wohnung während der 
Nachtzeit ist verboten“ (s. im übrigen d. Art. 
Haussuchung). 
Die widerrechtliche Verletzung des Hausrechts 
wird im Reichsstrafgesetzbuch unter den 
Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche 
Ordnung aufgeführt. § 123 bestimmt: „Wer in 
die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das 
befriedete Besitztum eines andern oder in abge- 
schlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst 
bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, 
wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die 
Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, 
wird wegen Hausfriedensbruchs mit Gefängnis 
bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 
300 M bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf 
Antrag ein. Ist die Handlung von einer mit 
Waffen versehenen Person oder von mehreren ge- 
meinschaftlich begangen worden, so tritt Gefängnis- 
strafe von einer Woche bis zu einem Jahre ein.“ 
§ 124 besagt: „Wenn sich eine Menschenmenge 
öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Ge- 
walttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit 
vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in 
die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitz- 
tum eines andern oder in abgeschlossene Räume, 
welche zum öffentlichen Dienste bestimmt sind, 
widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an 
diesen Handlungen teilnimmt, mit Gefängnis von 
einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.“ Die 
Rechtsprechung hat den Grundsatz aufgestellt, daß 
auch der Mieter bzw. Aftermieter Anspruch auf 
den Schutz des § 123 hat, und zwar selbst dem 
Eigentümer bzw. Vermieter gegenüber. Der In- 
haber eines Wirtshauslokals ist berechtigt, ein- 
zelnen Personen den Eintritt in dasselbe oder den 
Aufenthalt darin zu untersagen. Ein Beamter, 
welcher in Ausübung oder in Veranlassung der
	        
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