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die Last des persönlichen Kriegsdienstes erspart
und dadurch die Möglichkeit gewährt, die Werke
des Friedens zu pflegen. Die Blütezeit des Rit-
tertums fällt in die Zeit der Kreuzzüge, 11. bis
13. Jahrh. Zu beachten ist, daß seit Friedrich I.
(1152/90) das Reichsheer neben den Lehnsrittern
auch zahlreiche Soldritter enthielt.
5. Seit dem 14. Jahrh. zeigt sich in Deutsch-
land, wie anderwärts, ein offenbarer und unauf-
haltsamer Zerfall des Ritterwesens. Die innere
Auflösung desselben äußert sich in Raubrittertum
und Fehdesucht, bis endlich der Reichstag zu
Worms im Jahre 1495 durch den Ewigen Land-
frieden — ein Verdienst des Kurfürsten von Mainz,
Berthold von Henneberg — jeglicher Fehde und
Eigenmacht eine Ende setzte. Auf militärischem
Gebiet hat hauptsächlich die Ausbildung des
Söldnerwesens und der Feuerwaffen
zum Untergang des Rittertums beigetragen. Die
Lehnsmilizen zeigten sich ihren Aufgaben nicht
mehr gewachsen. Schon Albrecht I. (1298/1308)
erkannte die Wichtigkeit eines guten Fußvolkes
und stellte neben den Speerreitern unberittene
Bogenschützen auf, welche freilich wegen ihres
„unritterlichen Fechtens“ das Mißfallen der Ritter
erregten. Die Erfolge des schweizerischen Fuß-
volkes gegen die österreichischen Ritterheere bei
Morgarten (1315) und Sempach (1386), des
englischen Fußvolkes gegen die französischen Ritter-
heere bei Crécy (1346) und Maupertuis (1357)
und des hussitischen Fußvolkes gegen die deutschen
Ritterheere (1424/31) vernichteten gründlich den
Glauben an die UÜberlegenheit der schwerge-
wappneten Ritter. Die Feuerwaffe, das von den
Rittern anfänglich so verachtete „neu unritterlich
Gewehr“, hat vollends den Dienst des geharnisch-
ten Ritters wertlos gemacht. Kleinere Feuerge-
schütze werden für Deutschland zuerst 1330 in
Bayern nachgewiesen; ein großes Geschütz, die
„saule Grete", wird 1377 in Erfurt gegossen.
Handfeuerwaffen kommen noch im Lauf des 14.
Jahrh. zur Anwendung, werden aber erst im
16. Jahrh. eine selbständige Waffe des Fußvolkes.
Mit der wachsenden Bedeutung des Fußvolkes
hängt die Verbreitung des Söldnerwesens eng
zusammen. Da die Söldner nach den meist nur
kurzen Feldzügen alsbald abgedankt und sich selbst
überlassen wurden, mußten sie hoch besoldet wer-
den; gleichwohl waren die Kosten einer Sold-
truppe wesentlich geringer als die der Lehnstruppen.
Die Zuverlässigkeit und Disziplin der Söldner
ließ viel zu wünschen übrig; wer sie am besten
bezahlte, der erhielt ihre Dienste; Verlockungen
und Mißstimmungen gaben ihnen leicht Anlaß,
die Fahnen zu verlassen oder den Gehorsam zu
verweigern. War der Feldzug zu Ende, so suchten
sich manche Söldner durch Raub und Diebstahl
im Lande ihren Unterhalt oder auch Ersatz für
ihren rückständigen Sold zu verschaffen. Die
schweizerischen Söldner waren durch bessere Zuchtt,
aber auch durch höhere Soldansprüche bekannt;
Heerwesen.
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daher das Sprichwort: „Kein Geld, keine Schwei-
zer.“ Dem Zug der Zeit entsprechend bildeten
sich schließlich unter den Söldnern besondere zunft-
artige Vereinigungen, Brüderschaften, die im
Frieden zu einer gemeingefährlichen Landplage
wurden, selbständige Fehden führten und schwachen
Obrigkeiten ihren Willen vorschrieben. Trotz die-
ser Schäden gewann das Söldnerwesen infolge
der Unbrauchbarkeit des veralteten Lehnswesens
immer mehr an Ausdehnung. Das alte Reichs-
heer war aus viel zu vielen zwerghaften Kontin-
genten kleiner Herren zusammengesetzt, die einzelnen
Kontingente waren ungleich bewaffnet, ungenügend
geübt, sammelten sich auf das Aufgebot mit außer-
ordentlicher Langsamkeit und verschmolzen nie recht
zu einer einheitlichen, schlagfertigen Truppe. Diese
Mängel führten in den Nöten der Hussitenkriege
dazu, daß auf den Reichstagen zu Nürnberg 1422
und Frankfurt 1427 vorübergehend beschlossen
wurde, statt des bisherigen Aufgebots eine Reichs-
vermögenssteuer (den gemeinen Pfennig) zur
Aufstellung eines Söldnerheeres auszuschreiben.
Kaiser Maximilian I. (1493—1519), der „letzte
Ritter“, suchte vergeblich durch allerlei Reformen
den Niedergang des Rittertums aufzuhalten und
eine neue Heeresverfassung zustande zu bringen.
Insbesondere ist sein Versuch, dem Unwesen der
Söldner durch Gründung einer ordensähnlichen,
mit ritterlichen Elementen durchsetzten Truppe,
der Landsknechte, entgegenzuwirken, ohne
nachhaltigen Erfolg geblieben. Dagegen haben
sich Maximilians Vorschriften für die Söldner,
der „Artikulsbrief“ für die Fußknechte und die
„Reuterbestallung“ für die Reiter, in manchen
Wandlungen noch lange erhalten; unsere heutigen
„Kriegsartikel“ erinnern noch daran. Eine wich-
tige Besserung des Heerwesens brachte die auf
dem Reichstag zu Worms 1521 beschlossene Ma-
trikel, welche die Stärke des Reichsheeres und der
von den einzelnen Reichsständen zu stellenden
Kontingente sowie den Betrag der daneben von
ihnen zu leistenden Kriegssteuer bestimmte, und
eine Ablösung der Truppengestellung in Geld
nicht gestattete. Die Stärke des Reichsheeres
betrug danach in simplo 4000 Reiter und
20 000 Fußknechte. Der Monatssold wurde in
Erinnerung an die Römerzüge als „Römer-
monat“ bezeichnet. Kaiser und Reichstag setzten
gemeinsam fest, wie viele simpla im einzelnen
Kriegsfall zu stellen waren. Die Aufbringung der
Truppen durch die Reichsstände erfolgte durch
Werbung und Aufgebot; das Aufgebot wurde
angewendet für die Landesverteidigung.
6. Die Ausgestaltung der Landeshoheit, nicht
wenig gefördert durch die religiöse Spaltung seit
dem 16. Jahrh., führte zu fortschreitender Min-
derung der Rechte und Macht des Kaisers auch
auf militärischem Gebiet. Schließlich erlangten
die Landesherren mit Hilfe von Frankreich und
Schweden den dauernden Sieg über die Reichs-
gewalt im Westfälischen Frieden (1648), der ihnen