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die Anerkennung ihrer Militärhoheit, das ius
foederum ac belli, brachte. Folgerichtig ist seit
der Wahlkapitulation von 1658 das Festungs-
wesen als ausschließliches Recht der einzelnen
Reichsstände anerkannt worden. Die Träger der
Entwicklung des deutschen Heerwesens sind fort-
an die Landesherren, welche ihre Gewalt auf
stehende Heere stützen und der Ausbildung
der Feuerwaffen ihre Hauptaufmerksamkeit zu-
wenden. Neben Fußvolk und Reiterei tritt in
dieser Zeit die Artillerie als eine besondere
Hauptwaffe.
a) Das deutsche Reich hat es nicht zu einem
stehenden Heere gebracht; alle nach dem 30jährigen
Krieg gestellten Anträge auf Einführung des mi-
les perpetuus waren erfolglos. Reichskrieg und
Reichsfrieden konnten nur von „Kaiser und Reich“
(Reichstag) gemeinsam beschlossen werden. Durch
die „Reichsarmatur“ von 1681 wurde die Reichs-
armee in simplo auf 120000 Reiter und 28000
Fußknechte festgesetzt und auf die 10 Reichskreise
verteilt. Die Unterverteilung auf die Kreisstände,
die militärische Formation der von den Kreis-
ständen gestellten Kontingente, die Aufstellung der
Kreisgeneralität und die Beschaffung der Geschütze
war Aufgabe der Kreise. Die einzelnen Kreis-
stände brachten ihre Kontingente durch Werbung
oder Aufgebot auf. Die Truppen eines Kreises
bildeten ein geschlossenes Korps, für dessen Ver-
pflegung die Kreisoperationskasse zu sorgen hatte.
Die allgemeinen Ausgaben der Reichstruppen be-
stritt die Reichsoperationskasse, welche ihre Mittel
vom Reichstag nach Römermonaten bewilligt er-
hielt. Der Höchstkommandierende wurde, wenn
der Kaiser nicht selbst das Kommando übernahm,
durch Reichsschluß gewählt. Die Stellen der schon
zu Friedenszeiten bestehenden Reichsgeneralität
wurden seit dem Westfälischen Frieden je mit einem
Katholiken und einem Protestanten besetzt. Der
paritätisch zusammengesetzte Reichskriegsrat hatte
den Feldzugsplan zu entwerfen und die Heeres-
leitung zu beaussichtigen.
b) In der Errichtung eines stehenden Heeres
ist Frankreich den übrigen Staaten Europas weit
vorausgeeilt; schon Karl VII. hat im Jahre 1445
durch seine Ordonnanzen von Chälons 15 stän-
dige Reiterkompagnien mit 9000 Reitern ge-
schaffen, um gegenüber den unerträglich gewor-
denen Ausschreitungen der Söldner, der sog.
Armagnaken, durch dauernde Dienstleistung und
Besoldung eine verläßliche und gut disziplinierte
Truppe zu gewinnen. In Deutschland ist mit
der Einführung des stehenden Heeres Herzog
Maximilian I. von Bayern vorangegangen, indem
er 1598 eine aus der Landwehr gezogene Kriegs-
mannschaft zu Fuß, die sog. Auserwählten, und
1599 eine Landreiterei mit ständiger Besoldung
aufstellte. In den andern deutschen Ländern hat
der 30jährige Krieg die Anfänge des stehenden
Heeres gebracht. So haben in Württemberg 1622
die Stände eine „ständige Landesdefensivanstalt"
Heerwesen.
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bewilligt. In Brandenburgerlangte Kurfürst Fried-
rich Wilhelm erst 1653 eine erstmalige Geldbewilli-
gung für den miles perpetuus. Dem stehenden
Heer eigentümlich ist die in den Kapitulationen
der Söldner bisher unbekannte unbedingte Sub-
ordination, für welche das Heer des Schweden=
königs Gustav Adolf wie das Heer Wallensteins
vorbildlich waren. Die Weiterentwicklung der
stehenden Heere hält Schritt mit dem Wachstum
des fürstlichen Absolutismus. Anfänglich bestan-
den die stehenden Heere ganz oder wenigstens in
der Hauptsache aus geworbenen Truppen, deren
Zahl klein war; die unaufhörliche Steigerung der
Heeresstärke führte aber schließlich dahin, daß die
Aufbringung und Unterhaltung der großen Heere
durch das kostspielige Söldnerwesen nicht mehr
möglich war. Die Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht bot nun das Mittel, um Massenheere
mit geringer Löhnung zusammenzubringen.
Bahnbrechend ist hierin die Umbildung und
der Erfolg desbrandenburgisch-preußischen
Heeres. Kurfürst Friedrich Wilhelm bemühte
sich, durch Gründung der Ritterakademie zu Kol-
berg (1653) ein tüchtiges Offizierkorps heran-
zubilden und den Bedarf an Mannschaften tun-
lichst durch Werbung im eigenen Land zu decken.
Zu letzterem Zweck wurden den Regimentern be-
stimmte Distrikte zugeteilt. Seit 1654 wurden
auch gut gediente Söldner in kurfürstlichen Dör-
fern angesiedelt und gegen Gewährung eines
Wartegeldes nebst eines Deputats an Naturalien
verpflichtet, jederzeit einer Einberufung zur Fahne
Folge zu leisten. Außerdem wurden über alle
Waffenfähigen Listen geführt, um sie im Notfall
für die Landesverteidigung aufrufen zu können.
Den entscheidenden Schritt unternahm König
Friedrich Wilhelm I., indem er als der erste Fürst
in Europa durch das Kantonsreglement von 1733
die zwangsweise Aushebung, die Konskription,
einführte. Jeder Truppenteil hatte seinen eigenen
Kanton, aus welchem er seine Mannschaften ent-
nahm; da innerhalb des Kantons Beurlaubungen
stattfanden, bildete sich schon damals ein Kader-
system. Freilich wurden von der Kantonspflicht
zahlreiche und bedeutende Ausnahmen gemacht, so
für den Adel, die Bürger mit 6000/10 000 Taler
Vermögen, die Theologiestudierenden, einzige
Söhne von Bauern, die Städte Berlin, Pots-
dam, Magdeburg und Breslau, die Industrie usw.
Auch wurde daneben noch die Werbung von Aus-
ländern beibehalten; doch überwog im Heer die
Zahl der Kantonspflichtigen. Auf die ruhmreichen
Siege Friedrichs II. in den schlesischen Kriegen
(1740/63) folgten nach einer Zeit der Erschlaffung
die Niederlagen von 1806, aber aus dieser tiefsten
Demütigung erwuchsen Heeresreformen, welche
nicht nur nach wenigen Jahren den Schlachtenruhm
Preußens wiederherstellten, sondern auch für die
führende Stellung Preußens in Deutschland den
Grund legten. König Friedrich Wilhelm III.
berief eine Militärorganisationskommission, deren