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mandierung von Ordonnanzoffizieren, Prinzen-
gouverneuren und Offizieren zu besondern Ver-
wendungen nach Auswahl und auf Vorschlag
seitens des Landesherrn durch den Kontingents-
herrn erfolge, und daß dem Landesherrn vor-
behalten bleibe, Offiziere à la suite zu ernennen,
welche jedoch außer Dienstbeziehung zum Kontin-
gent bleiben und für deren Bezüge das Reich nicht
aufkommt (Militärkonvention mit Baden Art. 6,
7; Hessen Art. 9; Mecklenburg Art. 11, 12).
Mit den angeführten Bestimmungen hängt zu-
sammen, daß über die sächsischen und württem-
bergischen Offiziere vom Stabsoffizier aufwärts,
sowie über die in Neu-Ulm verwendeten bayrischen
Offiziere dem Kaiser jährliche Personal= und
Qualifikationsberichte nach preußischem Schema
vorzulegen sind.
2. Die Befehlsgewalt (Kommandogewalt)
über die Truppen eines Kontingents kommt dem
Kontingentsherrn, der Oberbefehl dem Kaiser zu
(Reichsverf. Art. 63, Abs. 1). Nur die bayrischen
Truppen sind von dieser Verpflichtung ausgenom-
men; sie treten erst im Krieg, und zwar mit Be-
ginn der Mobilisierung, unter den Oberbefehl des
Kaisers (Reichsverf. Art. 64, Abs. 1; bayrischer
Bündnisvertrag III, § 5, Abs. 3, Ziff. 3). Die
Leistung der der Befehlsgewalt entsprechenden Ge-
horsamspflicht ist im Fahneneid zu geloben, und
zwar muß der Fahneneid die Verpflichtung gegen
den Kaiser aufnehmen. Der Fahneneid wird von
dem Offizier demjenigen Kontingentsherrn#geleistet,
der ihn ernannt hat; doch müssen sich die Offiziere
nach den meisten Militärkonventionen noch durch
Revers oder Handgelöbnis verpflichten, „das Wohl
und Beste des Landesherrn zu fördern, Schaden
und Nachteile von demselben, seinem Haus und
Land abzuwenden“ (vogl. Militärkonvention von
Baden Art. 3, Abs. 4; Hessen Art. 4, Abf. 4;
Mecklenburg Art. 5). Dagegen wird der Fahnen-
eid der ihrer Militärpflicht genügenden Mann-
schaften, da wo der Landesherr nicht zugleich Kon-
tingentsherr ist, nicht dem Kontingentsherrn, son-
dern dem Landesherrn geleistet (Militärkonvention
mit Baden Art. 3, Abs. 3; Hessen Art. 3, Abs. 3;
thüringische Staaten Art. 6).
3. Der Kontingentsherr bestimmt die Dienst-
kleidung seiner Truppen, die Uniform sowie
die Abzeichen des Kontingents. Jedoch sind
für die Bekleidung Grundfarben und Schnitt der
preußischen Armee maßgebend (Reichsverf. Art. 63,
Abs. 2). Von dieser Verpflichtung sind Bayern
und Württemberg ausgenommen, da Bayern nur
verpflichtet ist, bezüglich der Gradabzeichen volle
Übereinstimmung mit dem „Bundesheer“ herzu-
stellen, und Württemberg nur die Verpflichtung
übernommen hat, den Verhältnissen der Bundes-
armee die möglichste Rechnung zu tragen (Bay-
rischer Bündnisvertrag III, § 5, Abs. 3, Ziff. 3;
Württembergische Militärkonvention Art. 10).
Bayern hat inzwischen seinen Raupenhelm, Würt-
tembergseinen Waffenrock mit zweireihigen Knöpfen
Heerwesen.
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geopfert. Den Landesherren, welche ihre Kontin-
gente an Preußen abgegeben haben, ist in den
Militärkonventionen eingeräumt worden, daß die
aus ihren Truppen gebildeten besondern Forma-
tionen des preußischen Kontingents die bisherigen
Uniformen, Uniformabzeichen, Schärpen, Port-
epees, Epauletten, Achselstücke und Achselklappen
beibehalten dürfen (ogl. Militärkonvention mit
Baden Art. 3, Abs. 2, Hessen Art. 3, Abs. 1,
Mecklenburg Art. 10, Oldenburg Art. 3, Braun-
schweig Art. 2, den thüringischen Staaten Art. 7,
Anhalt Art. 7). Bezüglich der Kokarde findet
sich in den Militärkonventionen die Bestimmung,
daß die Mannschaften die Landeskokarde,
die Offiziere daneben noch die preußische Kokarde
zu tragen haben. Letztere Besonderheit ist weg-
gefallen, da auf Grund einer Vereinbarung des
Kaisers mit den deutschen Fürsten und Hanse-
städten am 22. März 1897 für die Truppen aller
Kontingente eine deutsche Kokarde eingeführt
wurde, die neben der Landeskokarde zu tragen ist.
4. Das Recht, innerhalb des Reichsgebiets die
Garnisonen zu bestimmen, Dislokationsrecht,
steht dem Kaiser zu (Reichsverf. Art. 63, Abs. 4);
dieses Recht findet aber in Friedenszeiten auf
Bayern gar keine und auf Württemberg nur eine
sehr beschränkte Anwendung und ist in seiner
Ausübung durch die übrigen Militärkonventionen
vielfach gebunden. Das württembergische Armee-
korps soll im eigenen Lande disloziert sein; eine
hiervon abweichende Anordnung des Kaisers so-
wie die Dislozierung anderer deutschen Truppen-
teile in das Königreich Württemberg soll in Frie-
denszeiten nur mit Zustimmung des Königs von
Württemberg erfolgen, sofern es sich nicht um Be-
setzung süddeutscher oder westdeutscher Festungen
handelt (Militärkonvention Art. 6). Ahnliche Be-
stimmungen enthalten die Militärkonventionen von
Sachsen (Art. 5), Baden (Art. 4), Hessen (Art. 6),
Oldenburg (Art. 4). Außerdem ist das Dis-
lokationsrecht beschränkt durch die Vorschriften des
Quartierleistungsgesetzes und durch das Budget-
recht des Reichstags. Dem keaiserlichen Dis-
lokationsrecht entspricht anderseits die Befugnis
der Bundesfürsten und Senate, über alle in ihren
Gebieten garnisonierenden oder auch nur vorüber-
gehend dorthin kommandierten Truppenteile die
Ehrenrechte eines Chefs auszuüben, also nament-
lich sich von den Militärbefehlshabern Ehrenposten
und Wachen stellen zu lassen, diese Truppen jeder-
zeit zu inspizieren und sie zu polizeilichen Zwecken
zu requirieren (Reichsverf. Art. 66).
5. Der Kaiser hat dafür zu sorgen, daß inner-
halb des deutschen Heeres alle Truppenteile voll-
zählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß die
Einheitlichkeit in der Ausbildung derselben erhalten
wird; zu diesem Zweck steht ihm das Inspek-
tionsrecht zu (Reichsverf. Art. 63. Abs. 3). Be-
züglich des bayrischen Kontingents hatsich jedoch der
Kaiser über die Modalitäten der jeweiligen Vor-
nahme und über das Ergebnis der Inspektionen