Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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mit dem König von Bayern ins Vernehmen zu 
setzen (Bündnisvertrag III, 8 5, Abs. 8, Ziff. 8). 
Mit Sachsen und Württemberg ist in den Militär- 
konventionen vereinbart, daß die infolge solcher 
Inspizierungen bemerkten sachlichen und persön- 
lichen Mißstände vom Kaiser dem Landesherrn 
mitzuteilen und von letzterem abzustellen sind, 
daß also vom Kaiser unmittelbare Anordnungen 
zur Abstellung der beobachteten Mängel an die 
sächsischen und württembergischen Truppen nicht 
erlassen werden können. Zur Beförderung der 
Gleichmäßigkeit in der Ausbildung sollen ferner 
nach der Bestimmung der sächsischen und württem- 
bergischen Militärkonventionen „nach gegenseitiger 
Verabredung einige sächsische und württem- 
bergische Offiziere je auf ein bis zwei Jahre in 
die preußische Armee und preußische Offiziere in 
die sächsische und württembergische Armee kom- 
mandiert“ werden. Die Ausführung dieser Be- 
stimmung hat sich in Sachsen und Württemberg 
auffallend verschieden gestaltet; während für die 
sächsischen Truppen von den in Aussicht genom- 
menen Kommandierungen so gut wie kein Ge- 
brauch gemacht wurde, sind in das württember- 
gische Armeekorps andauernd preußische Offiziere 
in großer Zahl kommandiert worden, so daß in 
manchen Jahren die Mehrzahl der höheren Kom- 
mandostellen, im Jahre 1900 sogar volle zwei 
Drittel derselben, mit preußischen Offizieren besetzt 
waren; dabei war seit Gründung des Reiches der 
kommandierende General des württembergischen 
Armeekorps mit einer einzigen, nur wenige Jahre 
dauernden Ausnahme und der Chef des württem- 
bergischen Generalstabs ausnahmslos ein preu- 
ßischer Offizier. Am 30. Okt. 1900 beschloß die 
württembergische Kammer der Abgeordneten mit 
74 gegen 5 Stimmen, an die württembergische 
Regierung das Ersuchen zu richten, sie möge dar- 
auf hinwirken, daß diese gegenseitigen Offiziers- 
kommandierungen innerhalb der Schranken des 
wirklichen Bedürfnisses vorgenommen werden, und 
daß das württembergische Armeekorps vor allem 
auch in den höheren Kommandostellen in der 
Hauptsache von württembergischen Offizieren ge- 
führt werde. Vgl. den Bericht der staatsrecht- 
lichen Kommission der württembergischen Abge- 
ordnetenkammer im Landtag 1899/1900, Beil. 
Bd III 921 ff. 
6. Das Reichsgebiet wird in militärischer Hin- 
sicht in 22 Armeekorpsbezirke eingeteilt; das 
preußische Gardekorps hat keinen besondern Armee- 
korpsbezirk. Als Grundlage für die Heeresergän- 
zung und die Organisation der Landwehr werden 
die Armeekorpsbezirke in Divisions= und Brigade- 
bezirke und diese, je nach Umfang und Bevöl- 
kerungszahl, in Landwehr= und Kontrollbezirke 
(Kompagniebezirke, Bezirke der Hauptmeldeämter 
oder Meldeämter) eingeteilt. Der Landwehrbezirk 
bildet entweder ungeteilt den Aushebungsbezirk 
oder zerfällt in mehrere Aushebungsbezirke, deren 
Umfang und Größe sich nach der Beschaffenheit 
Heerwesen. 
  
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und Seelenzahl der entsprechenden Zivilverwal- 
tungsbezirke bestimmt. Militärges. vom 2. Mai 
1874 8§ 5. 30 in der Fassung der Novellen vom 
27. Jan. 1890 und 25. März 1899. Diese ganze 
Einteilung des Reichsgebiets hat der Kaiser fest- 
zusetzen. Die Militärkonventionen enthalten viel- 
fach die Bestimmung, daß eine Abgrenzung oder 
Abänderung der Landwehr= und Aushebungs- 
bezirke nur unter Mitwirkung der konkurrierenden 
landesherrlichen Zivilbehörden erfolgen dürfe (ogl. 
Militärkonvention mit Baden Art. 9, Hessen 
Art. 10, Oldenburg Art. 9, den thüringischen 
Staaten Art. 5). In den Armeekorpsbezirken sind 
die kommandierenden Generale die Militärbefehls- 
haber unbeschadet der Souveränitätsrechte der ein- 
zelnen Bundesstaaten (Militärgesetz § 5, Abs. 2). 
IV. Die Organisation des stehenden Heeres 
ist aufgebaut auf der Friedenspräsenzstärke und 
den Friedensformationen, welche die Schule für 
den Krieg und den Rahmen bilden, der erst durch 
Einberufung nicht präsent gehaltener Offiziere 
und Mannschaften zur vollen Kriegsstärke ausge- 
füllt wird. 
1. Unter der Friedenspräsenzstärke ver- 
steht man die Zahl der im Frieden dauernd unter 
den Fahnen versammelten Mannschaften des 
aktiven Heeres im Gegensatz zu den im Frieden 
nur vorübergehend zu den Fahnen einberufenen 
und aus besondern Fonds verpflegten Mann- 
schaften des Beurlaubtenstandes sowie im Gegen- 
satz zu den auf Grund freiwillig übernommener 
Berufspflicht dem Heer angehörenden Offizieren, 
Arzten und Militärbeamten. Die Präsenzziffer 
ist die Grundlage für die Bemessung der Rekruten- 
einstellung und des Kostenaufwands, wie er in 
den Friedensverpflegungsetats der Truppenteile 
und den auf denselben beruhenden Ansätzen des 
Militäretats berechnet wird. Die große Bedeutung 
  
der Präsenzziffer für den Schutz des Reiches und 
die Belastung des Volkes macht es erklärlich, daß 
um Dauer und Bedingungen der Feststellung der 
Ziffer sowie um deren Höhe von jeher ein leb- 
hafter politischer Kampf geführt worden ist. In der 
Reichsverfassung ist vorgeschrieben: die Friedens- 
präsenzstärke wird im Wege der Reichsgesetzgebung 
festgestellt; den Präsenzstand bestimmt der Kaiser 
(Art. 60 und 63, Abs. 4). Ob die verlangte Fest- 
stellung der Präsenzstärke „im Wege der Reichs- 
gesetzgebung“ auch im Etatsgesetze erfolgen kann, 
ist bestritten, dürfte aber zu bejahen sein. Nachdem 
die verbündeten Regierungen seit dem Reichsgesetz 
vom 3. Aug. 1893 wenigstens bezüglich der Unter- 
offiziere selbst anerkennen, daß der auf die Unter- 
offiziere bezüglichen Verfassungsvorschrift durch 
Feststellung ihrer Zahl im Etatsgesetz genügt wird, 
kann wohl auch nicht mehr gegen die Festsetzung 
der Präsenzstärke an Gemeinen im Etatsgesetz ein 
formeller Einwand erhoben werden. Unausgetragen 
ist dagegen der Streit, ob die Präsenzziffer dauernd 
oder jährlich gesetzlich festgestellt werden soll. Für 
das Aternat ist die Militärverwaltung, und ein 
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