Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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solches Aternat unter Vorbehalt einer Anderung 
von zehn zu zehn Jahren hatten die verbündeten 
Regierungen im Entwurf der Verfassung des 
Norddeutschen Bundes vorgeschlagen. Die Mehr- 
heit der Volksvertretung wünscht jährliche Fest- 
stellung der Präsenzziffer im Etatsgesetz, so zuletzt 
eine auf Antrag des Abgeordneten Windthorst am 
26. Juni 1890 vom Reichstag beschlossene Re- 
solution. Das Ergebnis der Kämpfe war, daß 
die Präsenzziffer regelmäßig auf eine Reihe von 
Jahren gesetzlich festgelegt wurde; nur im Gesetz 
vom 22. Febr. 1904 ist die Friedenspräsenzstärke 
auf die Dauer eines einzigen Etatsjahres festge- 
stellt worden. Jede bisherige Anderung der Prä- 
senzziffer hat eine Erhöhung derselben gebracht. 
Zuerst wurde die Präsenzstärke durch Art. 60 der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes bis zum 
Dez. 1871, also für vier Jahre, auf 1 % der 
Bevölkerung von 1867 festgestellt; danach betrug 
sie 401 659 Mann. Das Gesetz vom 9. Dez. 
1871 änderte hieran nur die Fassung, indem statt 
des Prozentsatzes der Bevölkerung die dem Pro- 
zentsatz entsprechende Zahl der Mannschaften für 
weitere drei Jahre, bis 31. Dez. 1874, bestimmt 
wurde. Dieselbe Fassung findet sich in den spä- 
teren Gesetzen über die Friedenspräsenzstärke. Das 
Gesetz vom 2. Mai 1874 verlängerte die erste 
Präsenzziffer für die Zeit vom 1. Jan. 1875 bis 
31. Dez. 1881 (erstes Septennatsgesetz), brachte 
aber die inhaltliche Anderung, daß die Ein- 
jährig-Freiwilligen, von welchen in den 
Jahren 1869 bis 1874 zeitweise bis zu fünf beie 
jeder Kompagnie und Eskadron und bis zu drei 
bei jeder Batterie auf die Friedenspräsenzstärke 
in Anrechnung gebracht worden waren, seitdem 
nicht mehr auf die Friedenspräsenzstärke ange- 
rechnet werden. Das Gesetz vom 6. Mai 1880 
aehöhte die Präsenzziffer für die Zeit vom 1. April 
1881 bis 31. März 1888 auf 427274 Mann 
*8 Septennatsgesetz) und das Gesetz vom 
11. März 1887 für die Zeit vom 1. April 1887 
bis 31. März 1894 auf 468 406 Mann (drittes 
Septennatsgesetz). Dieses letztere Gesetz war nur 
unter den heftigsten politischen Kämpfen zustande 
gekommen: der Reichstag hatte in seiner Mehrheit 
die geforderte Verstärkung nur auf drei Jahre be- 
willigt und war deshalb aufgelöst worden; erst 
der neugewählte Reichstag hatte eine Mehrheit 
für das Septennat ergeben. Schon nach drei 
Jahren verlangten und erhielten aber die verbün- 
deten Regierungen vom Reichstag durch das Ge- 
setz vom 15. Juli 1890 für den Rest der Sep- 
tennatsperiode eine abermalige Erhöhung der 
Präsenzziffer auf 486 983 Mann. Damit war 
der Septennatsgedanke auch von den verbündeten 
Regierungen aufgegeben. Das nächste Gese über 
die Friedenspräsenzstärke vom 3. Aug. 1 
welches erst mittels Auflösung des die verlangte 
Verstärkung ablehnenden Reichstages und unter 
Herabsetzung der von den Regierungen ursprüng- 
lich geforderten Präsenzziffer zustande gebracht 
Heerwesen. 
  
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werden konnte, stellte die Präsenzziffer für die Zeit 
vom 1. Okt. 1893 bis 31. März 1899, somit 
für 5 ½/ Jahre (erstes Quinquenniaisgeset) auf 
479229 Mann fest, rechnete darunter aber nur 
die Zahl der Gemeinen, Gefreiten und Ober- 
gefreiten und überließ die Feststellung der Zahl 
der Unteroffiziere dem Etatsgesetz, in wel- 
chem die Zahl der Unteroffiziere sofort von 66 952 
auf 77 864 erhöht wurde. In Wirklichkeit ist also 
die Präsenzstärke auf 557.093 Mann vermehrt 
worden. Zugleich wurde die Präsenzstärke nun- 
mehr als Jahresdurchschnittsstärke fest- 
gesetzt, während sie bis dahin die Bedeutung einer 
Maximalziffer gehabt hatte. Die Effektivstärke 
darf danach zeitweilig über die im Gesetz festgelegte 
Präsenzziffer hinausgehen, wenn nur die Über- 
schreitung im Laufe des Etatsjahres wieder aus- 
geglichen wird. Die Behandlung der Präsenzziffer 
als Durchschnittsstärke ermöglicht es der Militär- 
verwaltung, den im Laufe des Jahres erforderlichen 
Nachersatz (6 % ) gleichzeitig mit den Rekruten 
einzustellen, so daß Ungleichheiten in der Aus- 
bildung vermieden werden; sie gestattet ferner bei 
Kriegsgefahr zeitweise Verstärkungen ganz ge- 
räuschlos eintreten zu lassen; sie bewirkt aber auch 
durch Vermehrung der Verpflegungstage eine 
finanzielle Mehrbelastung, da nunmehr die Er- 
sparnisse, welche früher gegenüber der Maximal- 
ziffer durch Tod, Invalidisierung und andere zu- 
fällige Manquements gemacht wurden, wegfallen. 
Wieder Neues brachte das Gesetz über die Friedens- 
präsenzstärke vom 25. März 1899 (zweites Quin- 
quennatsgesetz), indem es die Geltung der alten 
Präsenzziffer bis zum 80. Sept. 1899 verlängerte 
und für die Zeit vom 1. Okt. 1899 bis 31. März 
1904 die Jahresdurchschnittsstärke allmählich der- 
art erhöhte, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 
1903 die Zahl von 495 500 Gemeinen, Gefreiten 
und Obergefreiten erreichte und in dieser Höhe 
alsdann bestehen blieb; das Maß der allmählichen 
Erhöhung der Friedenspräsenzstärke und deren 
Verteilung auf die einzelnen Waffengattungen 
unterlag der Feststellung durch das Etatsgesetz. 
Die Regierungsvorlage hatte eine um 7006 Mann 
höhere Präsenzziffer gefordert. Durch Gesetz vom 
22. Febr. 1904 wurde die Geltung des zweiten 
Quinquennatzgesetzes bis zum 31. März 1905 
verlängert. Endlich hat das Gesetz vom 15. April 
1905 (Sexennatsgesetz) die Friedenspräsenzstärke 
als Jahresdurchschnittsstärke für die Zeit vom 
6. April 1905 bis 31. März 1911 bestimmt und 
vorgeschrieben, daß sie unter allmählicher Er- 
höhung die Zahl von 505 839 Gemeinen im 
Rechnungsjahr 1910 erreichen soll, daß aber von 
dieser Friedenspräsenzstärke 2000 Okonomiehand- 
werker, für deren Ersatz durch Zivilhandwerker die 
893, Vorbereitungen spätestens bis zum 31. März 
1910 im Etat zu treffen sind, abgehen sollen. Zu 
der bewilligten Friedenspräsenzstärke kommen auch 
hier noch die Zahl der Unteroffiziere, deren Zahl 
im Etat von Jahr zu Jahr zunimmt und im Etat
	        
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