Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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und administrative Personal zu gehorchen hat. 
Im Falle der Mobilmachung werden für jedes 
Armeekorps drei Sanitätsdetachements gebildet, 
die den Truppen unmittelbar ins Gefecht zu 
folgen haben. Auf jedes mobile Armeekorps sind 
zwölf Feldlazarette für je 200 Verwundete und 
Kranke vorgesehen, welche in der Nähe der Ver- 
bandsplätze und Truppen ihren Platz erhalten 
sollen. Außerdem werden „stehende Kriegs- 
lazarette“ ohne unmittelbaren Verkehr mit dem 
vorrückenden Armeekorps im Rücken der Armee 
errichtet. 
5. Die Militärkirchenordnung istbis jetzt 
noch nicht einheitlich geregelt worden, da die preu- 
Pßische Militärkirchenordnung vom 12. Febr. 1832 
(Gesetzsammlung S. 69) von der Einführung 
der preußischen Militärgesetzgebung in den übrigen 
Kontingenten ausgenommen worden ist (Reichs- 
verf. Art. 61, Abs. 1) und eine reichsgesetzliche 
Reglung dieses Gegenstandes noch aussteht. Die 
Militärseelsorge wird teils durch besonders ange- 
stellte Militärgeistliche teils durch Zivilgeistliche 
im Nebenamt ausgeübt. Für den Kriegsfall ist 
auf die Anstellung von Feldgeistlichen Bedacht 
genommen, und dabei wird man auch auf die mit 
Rücksicht auf ihr geistliches Amt im Dienst mit 
der Waffe nicht ausgebildeten Wehrpflichtigen 
zurückgreifen. 
6. Eine reiche Entwicklung zeigt das Mili- 
tärerziehungs= und Sbildungswesen. 
Während die Unteroffiziervorschulen und Unter- 
offizierschulen den Unterricht in der Volks= und 
Mittelschule ersetzen, treten die Kadettenhäuser an 
die Stelle der Gymnasien; sie enthalten als Vor- 
anstalten für die Hauptkadettenanstalt die Lehr- 
klassen von Sexta bis Tertia, während die Haupt- 
kadettenanstalt die Sekunda und Prima umfaßt; 
erst mit Oberprima und Selekta beginnt die 
eigentliche militärische Ausbildung. Für die un- 
mittelbare Vorbereitung zum Offiziersexamen 
dienen die Kriegsschulen, für die höhere wissen- 
schaftliche Ausbildung die Kriegsakademie, zu 
deren Besuch ein besonderes Examen abgelegt 
werden muß. Außerdem werden bei den Trup- 
penteilen Regiments= und Bataillonsschulen ein- 
gerichtet, um Unteroffiziere und Mannschaften im 
Lesen, Schreiben und Rechnen, auch in Geo- 
graphie und Geschichte zu unterrichten. Militär- 
ärztliche Bildungsanstalten sind das medizinisch- 
chirurgische Friedrich-Wilhelms-Institut und die 
medizinisch-chirurgische Akademie für das Militär 
in Berlin; das erstere Institut gewährt den Stu- 
dierenden für die Dauer der Studienzeit kosten- 
freien Unterricht, freie Wohnung und eine Geld- 
unterstützung unter der Bedingung, daß der 
Zögling sich verpflichtet, für jedes Studienjahr 
zwei Jahre im stehenden Heere oder in der Flotte 
als Arzt zu dienen. Während Bayern und 
Sachsen noch besondere militärische Bildungs- 
anstalten besitzen, hat Württemberg die- 
selben aufgegeben und in seiner Militärkonvention 
Heerwesen. 
  
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(Art. 12) sich die Anteilnahme an den preußischen 
Bildungsanstalten ausbedungen. 
IX. Heereskosten. 1. Die Kosten des ge- 
samten Heerwesens des Reiches sind von allen 
Bundesstaaten gleichmäßig zu tragen; dieser 
auch für Bayern geltenden Verpflichtung soll in- 
dessen von Bayern in der Art entsprochen werden, 
daß es die Kosten seines Kriegswesens und den 
Unterhalt der auf seinem Gebiet gelegenen festen 
Plätze und sonstigen Fortifikationen ausschließlich 
und allein trägt (Reichsverf. Art. 58; Bündnis- 
vertrag III, § 5). " 
2. In den Jahren 1867 bis 1874 wurde der 
Aufwand für das Heer in Form eines jährlichen, 
der Militärverwaltung zur Verfügung gestellten 
Pauschquantums, 225 Taler für den Kopf 
der Friedenspräsenzstärke, festgesetzt; im Haupt- 
etat wurde nur die Gesamtsumme des Pausch- 
quantums ausgeführt; die Feststellung des nach 
Titeln geordneten Ausgabeetats für das Heer 
erfolgte durch den Kaiser, und der festgestellte Etat 
wurde dem Bundesrat und dem Reichstag nur 
zur Kenntnisnahme und zur Erinnerung vorge- 
legt (Reichsverf. Art. 62, Abs. 1 und Art. 71, 
Abs. 2). Seit Beendigung dieser Übergangszeit 
wird ein spezialisierter Militäretat im 
Etatsgesetz, also unter gleichberechtigter Mitwir- 
kung von Bundesrat und Reichstag, festgesetzt 
(Reichsverf. Art. 62, Abs. 3 und Art. 69). Be- 
sonderes gilt für Bayern. Bayern hat für sein 
Heerwesen einen gleichen Geldbetrag zu verwen- 
den, wie er nach Verhältnis der Kopfstärke durch den 
Militäretat des Reiches für die übrigen Teile des 
deutschen Heeres ausgesetzt wird; dieser Geldbetrag 
wird im Reichsetat für das bayrische Kontingent in 
einer Summe ausgeworfen; seine Verausgabung 
wird durch Spezialetats geregelt, deren Aufstellung 
Bayern überlassen bleibt und bei welchen im all- 
gemeinen die für das übrige deutsche Heer in den 
einzelnen Titeln ausgeworfenen Etatsansätze zur 
Richtschnur dienen sollen (Bündnisvertrag III, 
§ 5, Abs. 3, Ziff. 2). Im Reichshaushaltsetat 
wird daher ein spezialisierter Etat der Heeres- 
verwaltung nur für das preußische, sächsische und 
württembergische Kontingent aufgestellt, während 
die Aufstellung der Spezialetats für die Verwen- 
dung der im Reichsetat festgesetzten bayrischen 
Quote im bayrischen Landtag erfolgt. — Um die 
für diese Ausgaben erforderlichen Einnahmen 
wenigstens in gewissem Umfang von der Etats- 
bewilligung unabhängig zu stellen, ist den Bundes- 
staaten die Verpflichtung auferlegt, die „Bei- 
träge“, welche sie in der Periode des Pauschquan- 
tums für Heereszwecke an die Reichskasse zu be- 
zahlen hatten, fortzuzahlen (Reichsverf. Art. 62, 
Abs. 2). Diese Verpflichtung käme zur Gel- 
tung, wenn ein Etatsgesetz nicht zustande kommen 
würde; freilich genügt diese Verpflichtung dem 
heutigen militärischen Bedürfnis nicht, und sie ver- 
liert mit der fortwährenden Steigerung des Mili- 
tärbedarfs immer mehr an praktischer Bedeutung.
	        
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