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3. Die im Etatsgesetz festgestellten Ausgaben
werden durch die Kontingentsverwaltungen
für Rechnung des Reiches geleistet. Die Kontin-
gentsverwaltung wird geführt in Vertretung und
auf Kosten des Reiches: es gibt nur einen Reichs-
militärfiskus, keinen Landesmilitärfiskus
(vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 9. März 1888,
Entsch, in Zivilsachen 20, 148). Die Kontin-
gentsverwaltung ist ein den Bundesstaaten durch
die Reichsverfassung belassenes Hoheitsrecht, dessen
Ausübung sich, soweit nicht reichsrechtliche Normen
eingreifen, nach den staatsrechtlichen Vorschriften
des betreffenden Bundesstaates zu richten hat.
Nach dem Landesrecht ist namentlich auch die im
Reichstag viel erörterte Frage zu entscheiden, ob
und inwieweit dem Kontingentsherrn die Besug-
nis zukommt, Abweichungen vom Etatsgesetz und
finanzielle Gnadenerweisungen durch sog. justifi-
zierende Kabinettsordern zu genehmigen;
zur formellen Gültigkeit solcher Ordern kann keines-
falls eine kaiserliche Order mit Gegenzeichnung des
Reichskanzlers gefordert werden, es genügt viel-
mehr eine Order des Kontingentsherrn mit Gegen-
zeichnung des Kriegsministers. Die Kontingents-
verwaltungen stehen, da es sich um Ausführung
von Reichsgesetzen und Verfügungen über Reichs-
mittel handelt, unter der Beaussichtigung des
Kaisers, für deren Durchführung der Reichskanzler
verantwortlich ist (Reichsverf. Art. 4, Nr 14 und
Art. 17). Außerdem hat der Reichskanzler über
die Verwendung der Reichsmittel auch hier dem
Bundesrat und dem Reichstag jährlich zur Ent-
lastung Rechnung zu legen (Reichsverf. Art. 72);
er hat also im einzelnen zu prüfen, ob die Kon-
tingentsverwaltungen den reichs= und landesrecht-
lichen Normen entsprechen, und er übernimmt die
Verantwortung für sämtliche Verwaltungsakte,
indem er die Rechnungen dem Bundesrat und
dem Reichstag mit dem Antrag auf Erteilung der
Entlastung vorlegt. Am 7. Mai 1896 ließ der
Reichskanzler in der Rechnungskommission des
Reichstags die Erklärung abgeben, seine Verant-
wortlichkeit für Niederschlagungsordern der Kon-
tingentsherren sei materiell dadurch gewährleistet,
daß in jedem einzelnen Falle, in welchem eine
Niederschlagung bei dem Kontingentsherrn nach-
gesucht werden solle, das Einverständnis des
Reichskanzlers herbeigeführt werde, und sie trete
formell dadurch in die Erscheinung, daß die durch
Allerhöchste Entschließungen justifizierten Posten in
die vom Reichskanzler zur Entlastung vorzulegen-
den Rechnungen Aufnahme finden. Einer Reso-
lution des Reichstages vom 13. April 1894
entsprechend wird demselben mit den Haushalts-
übersichten eine Nachweisung der ergangenen
Niederschlagungsordern mitgeteilt (ogl. den Be-
richt der Rechnungskommission der Reichstags-
sesion 1895/97, Drucksache Nr 382 nebst An-
agen).
4. Ersparnisse, welche eine Kontingents-
verwaltung macht, fallen nicht der Kasse des
Heerwesen.
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Bundesstaates, sondern der Reichskasse zu (Reichs-
verf. Art. 67); anderseits fallen auch Etatsüber-
schreitungen ausschließlich der Reichskasse zur Last.
Ausnahmebestimmungen bezüglich der Heeresver-
waltung bestehen nur für Bayern und Württem-
berg. Aus der oben angeführten Verpflichtung
Bayerns, die Kosten seines Heerwesens allein zu
tragen, ergibt sich, daß Ersparnisse und Etats-
überschreitungen der bayrischen Kontingentsver-
waltung Bayern allein berühren; dem Bundesrat
und Reichstag ist nur die Überweisung der für
das bayrische Heer im Reichsetat ausgeworfenen
Summe nachzuweisen (Schlußbestimmung zum
XII.Abschnitt der Reichsverf.); Rechnungskontrolle
und Entlastung kommt lediglich den bayrischen
Organen zu. Auch Württemberg ist die selbstän-
dige Verwaltung seines Kontingents eingeräumt
und zugesichert worden, daß „Ersparnisse, welche
unter voller Erfüllung der Bundespflichten als
Ergebnisse der obwaltenden besondern Verhältnisse
möglich werden, zur Verfügung Württembergs
bleiben“ (Militärkonvention Art. 12). Die Fort-
dauer dieses württembergischen Ersparnisrechts ist
von der Reichsverwaltung mit der Begründung
beanstandet worden, daß dasselbe nur gegenüber
dem in Höhe von 225 Talern für den Kopf zur
Verfügung zu stellenden Betrag vereinbart worden
ei. Die württembergische Regierung nimmt die
fortdauernde Geltung des Ersparnisrechts in An-
pruch; sie führt jedoch die gemachten Ersparnisse
unter Verwahrung ihrer Rechtsauffassung tatsäch-
lich an die Reichskasse ab. Zu einem rechtlichen
Austrag ist die Frage noch nicht gekommen. Am
31. Okt. 1900 forderte die württembergische Kam-
mer der Abgeordneten die Regierung auf, den An-
spruch auf die Ersparnisse zur Geltung zu bringen
(ogl. den Bericht der staatsrechtlichen Kommission
der württembergischen Abgeordnetenkammer im
Landtag 1899/1900, Beilage Nr 230). Diese
Aufforderung hatte keinen Erfolg.
5. Die Ausgaben für Heereszwecke
betrugen in Mill. Mark gerechnet:
* S S x —
* z3 2. ——x“ 7
-n Se 2
— 2
.—— 254
5 * 2 5 5
1872 512.4n 20,7 28,2 561.4
1875 475,2 19,.9 28,5 523.6
1880 372,8 17,2 31,2 421,.2
1885 71,6 20.0 27,3 418.9
1890 719,5 35,.0 25.5 780,0
1895 562.7 48.2 28,9 639,.8
1900 656,3 62,1 29.4 747,8
1905 697,6 71.7 47.4n 816,7
Nach den Voranschlägen des Etats für 1908 be-
tragen die entsprechenden Ausgaben:
1 854,3 95,3 I 360 I 985,6
Dabei sind nicht miteingerechnet die Kosten der
Schutztruppen, des ostasiatischen Detachements so-
wie die enormen Ausgaben für die kriegerischen
Expeditionen nach China, Südwestafrika und Ost-
afrika. Zu den Kosten des stehenden Heeres find