Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1239 
Hinrichtung — Hobbes. 
1240 
Stöger-Wimbersky, Art. „H.“ im Osterr. Staats- und: Quaestiones de libertate, necessitate et 
wörterbuch II (21906); Jenny, Das engl. H.wesen casu (Lond. 1656). 
(1905). 
Hinrichtung s. Todesstrafe. 
Hobbes, Thomas, am 5. April 1588 
geboren zu Malmesbury als Sohn eines prote- 
stantischen Geistlichen, machte seine Studien auf 
der Universität Oxford und erhielt seine weitere 
Bildung hauptsächlich auf Reisen in Italien und 
Frankreich, wo er mit Gassendi, P. Mersenne, 
Cartesius und Galilei in Berührung kam. Auf- 
gemuntert durch das Beispiel dieser Männer und 
namentlich auch des Baco von Verulam, den er 
in seinen literarischen Arbeiten unterstützte, wid- 
mete er sich hauptsächlich den philologischen, ma- 
thematischen und philosophischen Studien und 
brachte so allmählich seine eigenen philosophischen 
Ansichten zur Reife. In den heftigen bürgerlichen 
Unruhen seines Landes ergriff er die Partei der 
Royalisten gegen die Republikaner, nachdem er 
schon früher den Thukydides in seine Mutter- 
sprache übersetzt hatte, um seinen Landsleuten das 
Elend, in welches sie durch die demokratische Re- 
gierungsform sich stürzen würden, vor Augen zu 
stellen. Er mußte 1640 nach Paris flüchten, wo 
er seit 1646 zum Erzieher des Prinzen von Wales, 
des nachmaligen Königs Karl II. von England, 
ernannt wurde. Hier verfaßte er seine politischen 
Schriften. Weil er jedoch darin die nackte Ge- 
walt zum Prinzip der öffentlichen Autorität im 
Staate machte, im Besitze der Gewalt aber da- 
mals die Republikaner waren, so kam er in 
den Verdacht, der Partei Cromwells zu dienen. 
Dadurch verlor er die Gunst der königlichen Fa- 
milie; er mußte (Ende 1651) wieder nach Eng- 
land flüchten. Von dieser Zeit an beschäftigte er 
sich, von Karl II. mit einer Pension unterstäützt, 
nur mehr mit literarischen Arbeiten bis zu seinem 
Tode zu Hardwicke (4. Dez. 1679). Sein sittlicher 
Charakter erscheint, wie der seines Freundes Baco, 
in wenig erfreulichem Lichte. 
Seine philosophischen Gedanken hat Hobbes 
in folgenden Hauptschriften niedergelegt: 1. Ele- 
mentorum philosophiae sectio prima: De 
corpore (1655) in vier Teilen: a) Logica, 
b) Philosophia prima, c) De rationibus ma- 
Snitudinum et motuum, d) Physica. 2. Ele- 
mentorum philosophiae sectio secunda: De 
homine (1658). 3. Leviathan sive de materia, 
forma et potestate civitatis ecclesiasticae et 
civilis (1651; zahlreiche Neuausgaben, deutsch 
Halle 1794) in vier Teilen: a) De homine, 
b) De civitate sive republica, c) De civitate 
christiana, d) De regno tenebrarum; dazu 
eine Appendix. 4. Elementorum philosophiae 
sectio tertia: De cive (1642, deutsch von Kirch- 
mann, Leipzig 1873) in drei Teilen: a) Liber- 
tas, b) Imperium, c) Religio. Dazu kommt 
noch die Schrift: De natura humana et cor- 
bore politico (1650; englischer Urtext aus dem 
Jahre 1640, herausgegeben von Tönnies, 1888) 
LSacher.] 
  
Die Richtung, welche Hobbes in seiner Philo- 
sophie eingeschlagen. die empiristische Bacos 
von Verulam, streift dabei an das Roh-Materia- 
listische. Die philosophische Forschung ist nach 
seiner Ansicht ausschließlich an das Körperliche 
gewiesen; zum Übersinnlichen und Unkörperlichen 
vermag sie sich nicht zu erheben. Die Philosophie 
hat bloß das Werden der sinnlichen Erscheinungen 
aus ihren natürlichen Ursachen zu erklären und 
aus ihnen die weiteren möglichen Phänomene zu 
erschließen; sie beruht auf Sinneswahrnehmungen, 
Bewegungen in unserem Organismus, die durch 
das Gedächtnis sestgehalten und durch Worte 
ausgedrückt werden. Der Grund hierfür liegt darin, 
daß es in der Wirklichkeit nur Körper gibt. Die 
Begriffe von Körper und Substanz fallen in eins 
zusammen. Eine unkörperliche Substanz ist ein 
Unding. Was wir „Geist“ nennen, kann nur 
als ein höchst feiner Körper betrachtet werden, der 
eben wegen dieser seiner Feinheit unsichtbar ist. — 
Nach Hobbes ist nur dasjenige Gegenstand der 
Philosophie, was einer Zusammensetzung und 
Auflösung fähig ist; die Philosophie selber ist die 
durch mechanisches Denken (Rechnen, d. i. Ver- 
binden und Trennen) erworbene Kenntnis der 
Wirkungen aus den Ursachen und der Ursachen 
aus den Wirkungen; sie ist lediglich Natur= und 
Staatsphilosophie. Ausgeschlossen von der Philo- 
sophie ist demnach alles Wissen aus Inspiration 
und Offenbarung, die natürliche und politische 
Geschichte, welche sich auf Autorität und Erfah- 
rung stützt, jede nicht begründete Lehre, wie 
Astrologie, auch die Lehre von der Verehrung 
Gottes, welche auf kirchlicher Autorität beruht. 
Die Philosophie, lediglich Körperlehre, hat drei 
Arten von Körpern zu unterscheiden: die natür- 
lichen Körper im allgemeinen, der menschliche 
Körper im besondern und endlich der bürgerliche 
Körper (Staat); sie zerfällt also in die Lehre von 
den natürlichen Körpern im allgemeinen, in die 
Lehre vom Menschen und in die Lehre vom Staate. 
Der Mensch, lehrt Hobbes, ist bloß Körper. 
Eine Seele im Sinne einer unkörperlichen, vom 
Leibe wesentlich verschiedenen Substanz gibt es 
nicht. Das erste von allen Gütern des Menschen 
ist demgemäß die Selbsterhaltung. Das höchste 
Gut besteht sodann für den Menschen in einem 
beständigen, ungehinderten Fortschreiten zu immer 
weiteren Zwecken und lustvollen Gütern; neben 
dem Selbsterhaltungstrieb erkennt Hobbes nur 
noch den Fortpflanzungs= und Erkenntnistrieb 
an. Dies vorausgesetzt, geht Hobbes in seiner 
Staatslehre von dem Grundsatz aus, daß der 
Mensch keineswegs von Natur aus ein gesellschaft- 
liches Wesen, der Grund der Vergesellschaftung 
also nicht in der menschlichen Natur zu suchen 
sei. Von Natur aus befindet sich vielmehr der 
Mensch im gesellschaftslosen Zustande — Natur- 
stand. In diesem Naturstande hat er ein unbe-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.